Название | Das Wesen des Christentums |
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Автор произведения | Feuerbach Ludwig |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754945940 |
Der oben im allgemeinen angegebene Entwicklungsgang der Religion besteht daher näher darin, daß der Mensch immer mehr Gott ab-, immer mehr sich zuspricht. Anfangs setzt der Mensch alles ohne Unterschied außer sich. Dies zeigt sich besonders in dem Offenbarungsglauben. Was einer spätern Zeit oder einem gebildeten Volk die Natur oder Vernunft, das gibt einer frühern Zeit oder einem noch ungebildeten Volke Gott ein. Alle auch noch so natürlichen Triebe des Menschen – sogar den Trieb zur Reinlichkeit stellten die Israeliten als ein positives göttliches Gebot vor. Aus diesem Beispiele sehen wir zugleich wieder, daß Gott gerade um so niedriger, um so gemein menschlicher ist, je mehr sich der Mensch abspricht. Wie kann die Demut, die Selbstverleugnung des Menschen weiter gehen, als wenn er sich sogar die Kraft und Fähigkeit abspricht, von selbst, aus eignem Antriebe die Gebote des gemeinsten Anstandes zu erfüllen! Die christliche Religion dagegen unterschied die Triebe und Affekte des Menschen nach ihrer Beschaffenheit, nach ihrem Inhalte; sie machte nur die guten Affekte, die guten Gesinnungen, die guten Gedanken zu Offenbarungen, zu Wirkungen, d. i. zu Gesinnungen, Affekten, Gedanken Gottes; denn was Gott offenbart, ist eine Bestimmung Gottes selbst; wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, wie die Wirkung, so die Ursache, wie die Offenbarung, so das Wesen, das sich offenbart. Ein Gott, der nur in guten Gesinnungen sich offenbart, ist selbst ein Gott, dessen wesentliche Eigenschaft nur die moralische Güte ist. Die christliche Religion schied die innerliche moralische Reinheit von der äußerlichen körperlichen, die israelitische identifizierte beide. Die christliche Religion ist im Gegensatze zur israelitischen die Religion der Kritik und Freiheit. Der Israelit traute sich nichts zu tun, außer was von Gott befohlen war; er war willenlos selbst im Äußerlichen; selbst bis über die Speisen erstreckte sich die Macht der Religion. Die christliche Religion dagegen stellte in allen diesen äußerlichen Dingen den Menschen auf sich selbst, d. h. sie setzte in den Menschen, was der Israelite außer sich in Gott setzte. Die vollendetste Darstellung des Positivismus ist Israel. Dem Israeliten gegenüber ist der Christ ein Esprit fort, ein Freigeist. So ändern sich die Dinge. Was gestern noch Religion war, ist es heute nicht mehr, und was heute für Atheismus, gilt morgen für Religion.
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