Schnitt. Carl Wolf

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Название Schnitt
Автор произведения Carl Wolf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754132708



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steckte seine Nase durch die geöffnete Tür.

      Wenn man Zellmann sah, wusste man sofort, warum er Sense genannt wurde. Lang, dünn und mit überdimensional großem Riechorgan ausgestattet.

      „Der Geschädigte wäre jetzt für die Befragung bereit, Herr Kriminalhauptkommissar.“

      „Dann überlasse ich Ihnen vorübergehend den Platz auf dem heiligen Stuhl. Telefonieren Sie mit der Taxizentrale, ob die etwas zu dem Taxidiebstahl sagen können. Und ich bin schon darauf gespannt, was ich von unserem unfreiwilligen Gast zu diesen seltsamen Vorfällen erfahre.“

      22

      Neben dem Luxusauto mit den platten Reifen in der Vorstadtstraße hält ein kleiner weißer Lieferwagen. Eine schwarz gekleidete Person mit ebenso schwarzer Haube über dem Kopf springt heraus. In einer Hand hält er einen Fäustel, so wie ihn die Steinmetze verwenden, in der anderen einen roten Kanister. Mit mehreren wuchtigen Schlägen zertrümmert der Vermummte die Frontscheibe des Gefährtes. Er gießt den Inhalt des Kanisters in den Innenraum, geht drei Schritte zurück, entzündet ein Sturmfeuerzeug, das er aus seiner Hosentasche gezogen hatte und wirft es Richtung Auto. In bogenförmiger Flugbahn findet es seinen Weg ins Fahrzeuginnere und mit einem berstenden Geräusch entzündet sich die Luft, bevor das Feuerzeug im Fußraum landet. Innerhalb von Sekunden brennt der gesamte Wagen. Die Umgebungstemperatur steigt auf das Niveau eines Schmelzofens.

      Der Fremde ist schon längst davongefahren, als die Bewohner der Straße mit kleinen Haushaltsfeuerlöschern versuchen, den Brand einzudämmen.

      Die Feuerwehr trifft fünfzehn Minuten nach dem Notruf ein und löscht das Feuer innerhalb von zehn Minuten.

      Bis der Abschleppdienst das qualmende Wrack zur Entsorgung abholt, fügt es sich nahtlos in das Vorstadtbild.

      23

      Niemand hält mich auf, als ich das Verhörzimmer einfach verlasse. Die Gänge des Polizeipräsidiums sind leer. Dem Polizisten hinter der Glaswand am Eingang nicke ich zu und schon stehe ich auf der Straße. Ich habe lange genug gewartet, möchte und kann sowieso nichts zu den Vorfällen sagen. Noch weiß ich nicht, wer mir schaden möchte.

      Meine Wohnung liegt nur ein paar Straßen weiter. Tief atme ich die von Abgasen geschwängerte Luft ein, reihe mich in den Strom der Passanten und lasse mich im Sog der Stadt nach Hause treiben.

      24

      Rolf Witten war wütend.

      „Wie kann es sein, dass jemand einfach so das Präsidium verlässt, ohne dass das irgendeiner mitbekommt?“

      Er warf den Aktenordner, den er bei sich trug, mit einem lauten Knall auf den Schreibtisch. Zellmann zuckte zusammen.

      „Himmel Herr Gott noch einmal, Zellmann! Wieso haben Sie keinen Wachmann vor der Tür zum Vernehmungsraum postiert?“

      „Es stand keiner zur Verfügung, Herr Kriminalhauptkommissar. Und es handelt sich bei Herrn Norden um einen Zeugen, beziehungsweise ein Opfer, also keinen Tatverdächtigen, deshalb erschien mir die Maßnahme nicht als obligat.“

      „Hören sie auf herumzusülzen und stehen sie endlich aus meinem Stuhl auf, sie Stümper. Es ist egal ob Zeuge, Opfer, Täter oder Bundestagspräsident. Hier hat keiner einfach so zu gehen! Verstanden?“

      Rolf Witten ließ sich in seinen Ledersessel fallen, den Zellmann eilig geräumt hatte, und starrte auf den Computermonitor, auf dem ein Bildschirmschoner mit Fußball spielenden Dinosauriern lief. Zellmann stand am Fenster und düngte Pflanze. Nach ein paar Minuten unterbrach Rolf Witten das Schweigen.

      „Was haben sie bei der Taxizentrale erfahren?“

      „Der Fahrer wurde telefonisch mit einer Fahrt zum Hauptbahnhof beauftragt. Bei der Bestellung wurde er gebeten, das Reisegepäck aus dem fünften Stock zu tragen. Er klingelte bei der genannten Adresse des Mietshauses, aber der Bewohner dort hatte kein Taxi bestellt. Nach einer kurzen Diskussion ging der Taxifahrer wieder zurück zum Wagen, und stellte fest, dass dieser mittlerweile verschwunden war. Er verständigte sofort die Zentrale und die Polizei. Das Protokoll mit der Anzeigenaufnahme wird uns zugefaxt. Den Fahrer, ein Herr Rachid Azzuardi, Student mit tunesischen Wurzeln, habe ich zur Zeugenvernehmung eingeladen. Er kommt am Montagmorgen hierher.“

      „Wieso erst am Montag?“

      „Es ist Samstagabend, Herr Kriminalhauptkommissar. Der Student hat heute dienstfrei und wird in irgendeiner Bar Spaß haben. Ich konnte ihn nicht erreichen. Sein Handy ist abgeschaltet.“

      „Ich hätte jetzt auch gern Spaß in irgendeiner Bar.“

      Das antik wirkende weiße Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Witten hob ab, meldete sich und hört dem Anrufer am anderen Ende zu.

      „Vielen Dank für die Information. Wir werden uns darum kümmern.“

      Er legte wieder auf und blättert in der Akte auf seinem Schreibtisch.

      „Wieso haben wir keine Telefonnummer von Konrad Norden?“

      „Die muss ich noch anfragen.“

      „Hier steht, dass er nicht weit von hier mit seiner Wohnadresse gemeldet ist.“

      Witten erhob sich aus seinem Stuhl und ging Richtung Tür.

      „Hören sie auf mit ihrem Unkraut zu spielen und kommen sie mit. Wir statten Herrn Norden einen Besuch ab. Vor einer Stunde hat jemand mit seinem Wagen eine Sonnenwendfeier veranstaltet.“

      25

      Um in meine Wohnung zu gelangen, benutze ich das Treppenhaus. Mit dem Fahrstuhl kann man nur von der Tiefgarage aus fahren. Aber ohne Auto komme ich dort nicht hinein. Ich betätige den Zahlencode der Wohnungstür. Mein entladenes Handy stecke ich an die Ladebuchse und schalte es ein. Während es hochfährt, öffne ich die Terrassentür und genieße die einströmende Luft. Das Telefon gibt mehrere Mitteilungstöne von sich. Sechs verpasste Anrufe.

      Eine SMS.

      Einmal Jan Mayerhofer, fünfmal Berner.

      Was will Mayerhofer von mir?

      Er hat mich seit seiner Kündigung damals nie wieder angerufen.

      Berner schreibt, dass ich ihn dringend zurückrufen soll. Ich wähle die Nummer von meinem Büro. Berner hebt sofort ab.

      „Herr Norden, ich habe versucht sie zu erreichen, es ist dringend. Sie müssen in die Firma kommen, ich glaube wir haben ein Problem.“

      „Was soll das für ein so wichtiges Problem sein? Berner, ich habe selbst genug am Hals. Können sie das nicht regeln?“

      „Das können nur sie“, meint er.

      „Hat das nicht Zeit bis Montag?“

      Er sagt nichts, räuspert sich nur.

      „Um was geht es? Reden sie nicht in Rätseln, verdammt Berner!“

      „Bitte kommen Sie hierher, Herr Norden. Ich möchte das nicht am Telefon mit ihnen besprechen. Es geht um die Firma!“

      Er legt einfach auf.

      Was ist denn das?

      Ich bin baff.

      So etwas hatte sich mein Assistent mir gegenüber noch nie herausgenommen.

      Spielt denn hier jetzt jeder verrückt?

      Den Anruf von Mayerhofer ignoriere ich.

      Ich nehme mir einen Drink, dann gehe ich unter die Dusche.

      26

      Der Mann in der dunklen Kleidung die Wohnung betritt über die Terrasse.

      Danke