Schnitt. Carl Wolf

Читать онлайн.
Название Schnitt
Автор произведения Carl Wolf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754132708



Скачать книгу

Dienstes tätlich angegriffen und spätestens hier setzt so etwas von Handlungsbedarf ein!“

      Die Betonung lag auf so.

      Zellmann nickte, erschrocken über die heftige Reaktion seines Vorgesetzten, beflissen mit dem Kopf.

      „Außerdem möchte ich wissen, wer es auf Norden abgesehen hat. Das alles ist merkwürdig. Irgendjemand will dem ans Leder und mit schlechtem Scherz hat das nichts zu tun. Er ist ein arroganter Typ, aber wir müssen ihm trotzdem beistehen. Er ist das Opfer. Und ich glaube nicht, dass er dem, was noch kommen wird, gewachsen ist. Das alles ist nur der Anfang von irgendetwas ausgesprochen Perfiden. Ich spüre das. Das sagt mir mein, momentan lädierter, Riecher.“

      Zellmann nickte immer noch wie ein Wackel-Dackel mit seinem Kopf.

      „Sie klemmen sich jetzt an Computer, Telefon und alles, was ihnen zur Verfügung steht und besorgen mir sämtliche Informationen über Konrad Norden. Ich fahre zu ihm. Wir treffen uns 14 Uhr wieder hier im Büro. Dann schauen wir, ob sie zu ihrer Familienfeier gehen können.“

      Witten griff sich ein Stück Käsekuchen vom Tisch und biss herzhaft ab. Er kaute einmal, dann drehte er sich angewidert zum Papierkorb und spuckte den Kuchen hinein.

      „Pah. Da sind Rosinen drin. Ekelhaft!“

      Er legte den angebissenen Rest auf den Teller zurück und verließ grußlos das Büro. Zellmann schaute vom Papierkorb zum Kuchenteller und dann zur Tür. Er stand auf, ging zum Fenster, nahm die Wasserkanne und goss Pflanze.

      „Viel Erfolg. Kommissar Vollarsch!“

      38

      Der Sonntag beginnt mit Kopfschmerz, Kaffee, Wasser und Aspirin. Ich habe kaum geschlafen. Auf meiner Couch sitzend starre ich auf das Handy in meiner Hand. Ein Gedanke lässt mir seit gestern keine Ruhe mehr.

      Woher weiß der Angreifer immer, wo ich mich befinde?

      Er war zur gleichen Zeit wie ich in meinem Wochenendhaus, bei Clemens Richter und in meiner Wohnung. Das kann kein Zufall sein.

      Ich hole meinen Laptop, verbinde ihn mit dem Smartphone und starte ein spezielles Programm. Damit überprüfe ich das Telefon auf Hintergrundaktivitäten. Die Software stammt von Clemens. Er schrieb sie so nebenbei im ersten Studiensemester, hat sie aber nicht patentieren lassen.

      Das Auswertungsergebnis bestätigt meinen Verdacht.

      Jemand, vermutlich der Angreifer, hat ein Tool installiert, welches meine Standortdaten weitergibt. Als Benutzer bemerkt man nichts davon, außer dass sich der Akku des Handys schneller verabschiedet.

      Meine erste Intuition ist, das Programm sofort löschen, aber mein Daumen verharrt über dem Touchscreen des Smartphones. Der Bestätigungsbutton OK verführt zur sofortigen Eliminierung der Schadsoftware. Aber ich denke weiter. Meine Gedankengänge sind plötzlich völlig klar und präzise. Mein Daumen betätigt den zweiten Button in der Auswahl.

      Abbrechen.

      Ich wähle Berners Nummer. Er meldet sich direkt nach dem ersten Klingeln. Sofort beginnt er wieder von den dringenden zu besprechenden Firmenangelegenheiten zu reden. Ungehalten unterbreche ich seinen Redefluss und bestelle ihn zu mir in die Wohnung.

      In der Zwischenzeit packe ich meinen kleinen Reisekoffer mit Wäsche für eine Woche. In einer Schublade der Kommode liegt für den Notfall Bargeld und ein unregistriertes Prepaid-Handy. Dieser Notfall besteht in meinen Augen jetzt. Mein Handy klingelt. Da ich die auf dem Display angezeigte Nummer nicht kenne, ignoriere ich den Anruf.

      Ich habe anderes vor.

      Den Typen, der mir das antut, zur Strecke bringen.

      Ich will wissen, warum er mich angreift.

      Der Polizei traue ich nicht.

      Damals, als meine Eltern verschwanden, gab es eine unendliche Prozedur an Untersuchungen. Die französische Polizei unterschied sich in keinster Weise von der deutschen. Eine in meinen Augen hochgradig an den Tag gelegte Unfähigkeit, Arroganz und Dummheit der beteiligten Behörden, führte im Laufe der Ermittlungen sogar so weit, dass mein Bruder und ich verdächtigt wurden, unsere Eltern getötet zu haben. Aus Gier, damit wir erben können. Der Verdacht zerschlug sich schnell, denn wir beide hatten ein Alibi. Nur der Gedanke daran, so einem Verdacht ausgesetzt gewesen zu sein, machte mich unglaublich wütend.

      Ich nehme das Prepaid-Handy und wähle die Nummer einer Autovermietung. Den Inhaber kenne ich schon lange und so gibt es kein Problem am Sonntag ein Auto zu ordern und in der Nähe meines Wochenendhauses bereitstellen zu lassen.

      Mit dem zweiten Anruf reserviere ich ein Zimmer in einem billigen Hotel in der Vorstadt.

      39

      Wenn Rolf Witten im Spürmodus war, dann arbeiteten seine Synapsen schneller, sein Blickfeld wurde weiter und seine Sinne registrieren alle noch so unscheinbaren Details im Umfeld der Ermittlungen. Er konnte diesen Modus nicht auf Kommando anschalten. Dieses Etwas, dass es ausmachte über der Hundertprozentgrenze zu agieren, stellte sich von allein ein. Diese Gabe hatte er schon immer, mit den Jahren wurde sie ihm aber erst bewusst. Rolf Witten merkte, jetzt war es wieder so weit, an dem Fall musste er dranbleiben, irgendetwas stimmte nicht, das Sichtbare war nur Schein.

      Er saß in seinem Dienstwagen und beobachtete Tür und Fenster zu Konrad Nordens Appartement. Er sah einen dunklen Wagen vor der Eingangstür des Hauses halten und ein kleiner Mann stieg aus. Nach etwas Suchen betätigte dieser einen der Klingelknöpfe. Die Gegensprechanlage krächzte etwas, dann hörte er den Mann reden.

      „Hallo Herr Norden, Berner hier“.

      Der elektrische Türöffner wurde betätigt und die Person, Berner, verschwand im Treppenhaus.

      Rolf Witten wusste jetzt sicher, er war im Spürmodus.

      40

      Der Fremde sitzt in seinem Hotelzimmer und überlegt sich seinen nächsten Schritt. Sein Plan ist gut, wenn nicht sogar perfekt. Der Entwurf stammte vom Auftraggeber, er hatte ihm genau gesagt, was alles passieren soll. Aber das wie, das hat er ihm überlassen.

      Sein Auftraggeber vertraute ihm, nicht umsonst, denn sie kannten sich seit vielen Jahren und es war nicht der erste Auftrag, den der Fremde zur vollsten Zufriedenheit seines Klienten erfüllte.

      Er schaut zufrieden vom Display seines Handys auf und lächelt. Die Beute ist in der Falle.

      Bis gleich, du dummer Tropf, denkt er.

      Wie angenehm, es regnen zu sehen, ohne nass zu werden.

      So lautet ein Sprichwort aus seiner Heimat.

      41

      Berner erscheint in ungewohnt legerer Kleidung. Blaues T-Shirt und Jeans. Ich glotze ihn erstaunt an, habe ein anderes Abbild von ihm gespeichert. Er lässt seinen Blick kommentarlos durch mein Appartement schweifen.

      „Herr Norden!“, sagt er nur und schaut mich an.

      „Ist in Ordnung, Berner. Jetzt fangen sie schon an zu reden“, entgegne ich.

      „Der geplatzte Korea-Auftrag ist nicht das einzige Problem, welches wir haben. Die Verträge mit den anderen Firmen, die unsere Software nutzen, laufen im nächsten Jahr aus. Ich habe mit all unseren Geschäftspartnern Verbindung aufgenommen. Und alle halten sich bedeckt mit ihren Aussagen. Niemand ist momentan zur unbedingten Vertragsverlängerung bereit.“

      Das kann nur bedeuten, dass unseren Kunden die Software, die angeblich besser und billiger sein soll, angeboten wurde. Vertragsverlängerungen gingen bis jetzt reibungslos über die Bühne, wenn sie fällig waren. Irgendjemand gräbt uns gewaltig das Wasser ab. Wenn wir unsere Verträge nicht verlängern oder neue Kunden finden, stehen wir bald ohne Aufträge da. Wir haben kein neues Produkt, keine neuen Ideen.

      „Sicherheitsupdates und Systemwartungen