Blutige Nordlichter. Julia Susanne Yovanna Brühl

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Название Blutige Nordlichter
Автор произведения Julia Susanne Yovanna Brühl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741895944



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Tochter, den falschen Mann zu heiraten,

      oder die Erkenntnis, keinerlei Macht über deren Entscheidung zu haben – war völlig unwesentlich.

      Fazit war, dass diese Furie jegliche Haltung verloren hatte und das letzte Restchen Tochterliebe, das die Blonde mit dem Pferdeschwanz noch irgendwo in ihrem Herzen für sie empfunden haben mochte, soeben mit einer handbemalten Meißener Porzellantasse in tausend Stücke zersprungen war.

      Die Tochter der „Gräfin“ warf einen letzten Blick auf den Scherbenhaufen zu ihren Füßen, ließ ihre Augen nach oben zu der wutverzerrten Fratze mit verrutschter Perücke wandern, drehte sich auf dem Absatz um und ging.

      Mit weit ausholenden, schnellen Schritten und ohne einen Abschiedsgruß an ihre ungeliebte Erzeugerin, die gerade eine der etwas massiveren Teekannen in die Hand genommen hatte und zum Wurf ausholte, ging sie fort.

      Als sie am Porträt ihres Vaters vorbeikam, hielt sie kurz an und schaute zu seinem gutmütig auf sie herabblickenden Gesicht auf. Sie verabschiedete sich im Stillen von ihm und bedauerte zum wohl einhundertsten Mal, dass er und nicht die tobende Alte in der Küche viel zu früh an Herzversagen verstorben war. Sie schämte sich auch heute nicht für diesen Gedanken.

      Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie ihren Vater vergöttert.

      Dann verließ sie die Villa mit stolz wiegenden Hüften auf Nimmerwiedersehen.

      Die Gräfin hatte sich so in Rage gewütet, dass es einen Moment dauerte, bis sie bemerkte, dass sie alleine gelassen worden war.

      Sie hatte gerade eine mit balzenden Pfauen verzierte Zuckerdose in der erhobenen Rechten, als ihr auffiel, dass es verdächtig ruhig im Zimmer geworden war. Sie hielt verblüfft inne, drehte sich dann um und gewahrte überrascht, dass sie mit der Zerstörung dieses einzigartigen Kunstwerkes niemanden beeindrucken würde.

      Sie zögerte kurz und stellte das Gefäß dann vorsichtig wieder an seinen Platz zurück.

      Nachdenklich geworden, schob sie mit den Schuhen die Scherben ein wenig zusammen. Schade um das schöne Porzellan.

      Nun war sie weg, ihre nichtsnutzige Tochter, dabei hatte sie bis eben noch einen Funken Hoffnung gehabt, dass sie zur Vernunft kommen würde!

      Dass man auf ihren Taugenichts von Sohn nichts geben konnte, war ihr bereits vor Jahren klar geworden, als dieser ihr verkündet hatte, er wollte Florist werden.

      „Florist?“, hatte sie entgeistert wiederholt. „Was soll denn das sein?“ Sie hatte damals bereits Schlimmes geahnt.

      „Na Gärtner“, hatte er stolz verkündet. „Mutter, ich werde Gärtner und bitte dich um eine kleine finanzielle Hilfe, damit ich meine eigene Gärtnerei eröffnen kann!“

      Die Gräfin war ausgerastet. Ähnlich wie heute, mit dem Unterschied, dass sie damals noch weicher gewesen war und ihr Sohn letzten Endes, nach langem Hin und Her, doch bekam worum er gebeten hatte.

      Aber die Hoffnung, dass aus ihm einmal ein Geschäftsmann werden würde, der das Familienerbe fortführen würde, das ihr so am Herzen lag, diese Hoffnung wurde begraben.

      Zum Glück gab es noch ihren Neffen, Olaf.

      5.) Zurück in Oslo

      Die Gestalt, die aus dem Flieger stieg, wirkte ausgezehrt, daran änderte auch das eigentlich so hübsche Gesicht der jungen Frau nichts. Ihre braunen Augen schauten traurig drein und die Locken, die sich sonst immer lustig um ihren Kopf in alle Richtungen ringelten, hingen platt herunter.

      Janinas Gehirn lief auf Autopilot.

      Seit dem Frühstück, mit dem die liebevolle Krankenschwester sie nahezu gefüttert hatte, hatte sie nichts mehr gegessen, die Snacks im Flieger hatte sie ignoriert, ihren schmerzenden Magen bemerkte sie nicht. Sie fühlte einen viel tieferen Schmerz in ihrem Herzen.

      Janina bemerkte nicht, dass sie die ganze Zeit von allen Seiten beobachtet wurde. Es entging ihr sogar das kleine Mädchen, das auf sie gezeigt hatte, als sie an der Gepäckausgabe die Rucksäcke geholt hatte. Das Kind hatte seine Mutter am Ärmel gezupft und ihr viel zu laut mitgeteilt, dass „die Frau da“ aber ganz schön traurig aussähe. „Pssst“, hatte die Mama gezischt und dabei mahnend den Zeigefinger auf die Lippen gelegt. Doch das war gar nicht nötig gewesen. Janina hätte es nicht einmal bemerkt, wenn sie von der Queen persönlich am Schalter nach ihrem Ausweis gefragt worden wäre.

      Das „Drama von Lomsdal - Visten“, dem „wohl wildesten, gefährlichsten Nationalpark Norwegens“, war in aller Munde. Es gab anscheinend sogar in einem Kaff wie Mosjøen einen Journalisten, der es verstand, eine Sensation aus einem solch tragischen Ereignis zu machen. Dabei dürfte ihm dies nicht allzu schwergefallen sein. Hatte doch die verschwundene Leiche eines eigentlich topfitten Bergsteigers etwas Mysteriöses. Dieser Meinung waren auch die vielen Zeitungsleser in Norwegen. Hätte sich der Unfall in Schottland am Loch Ness und nicht hier abgespielt, hätte wohl sofort wieder jemand das Märchen von Nessie ausgegraben ...

      Selbstverständlich musste erst noch ein wenig Zeit vergehen, bis Hendrik Hendriksen für tot erklärt wurde, doch inoffiziell glaubte niemand mehr daran, dass er lebendig gefunden wurde.

      Die Zeitung ergötzte sich ausgiebig darüber, dass der Unfall bereits vor drei Tagen geschehen sei und der Verschwundene „ohne medizinische Versorgung und Nahrung quasi keine Überlebenschance hätte“. Ein journalistisches Highlight. Es fehlte nur noch die Verwendung des Wortes „Fischfutter“ in dem reißerischen Artikel. Doch so weit zu gehen, traute sich die örtliche Presse dann doch nicht.

      Wie gut, dass Janina von alldem nichts wusste. Der Gedanke, sich eine Zeitung zu kaufen, um zu lesen was über dieses Ereignis geschrieben wurde, kam ihr gar nicht in den Sinn.

      Sie hing in Gedanken irgendwo im Nationalpark zwischen der Idylle der letzten Tage mit Hendrick, ihrer Gewalttour nach Mosjøen und den ergebnislosen Ermittlungen, herum.

      Da sie einen starken Widerwillen dabei verspürte, jetzt alleine in die Wohnung zu fahren, rief sie ihre ehemalige Vermieterin an, bei der sie ihr erstes Semester verbracht hatte, bevor sie mit Hendrik zusammen gezogen war. Die Nielsens waren sehr großzügige Leute, die Janina gern hatten und selbstverständlich wurde ihr sofort Unterkunft gewährt.

      Sie hatte Glück, dass die Wohnung im Moment ohnehin leer stand. Sie sollte im kommenden Monat renoviert werden, erzählte Frau Nielsen ihr am Telefon. Aber bis dahin wäre sie herzlich willkommen. Leider könnte sie Janina jedoch nicht abholen, da sie wegen eines verstauchten Fußes nicht Auto fahren konnte und ihr Mann in der Arbeit sei.

      Janina hörte dies alles mit Erleichterung. Für sie war es die Hauptsache, ein Dach über dem Kopf zu haben.

      Die Taxifahrt würde ihr noch ein wenig Zeit geben, sich wieder zu sammeln und auf die Ankunft bei den Nielsens vorzubereiten.

      Sie bedankte sich herzlich und gab eine Schätzung ab, wann sie ungefähr bei der Wohnung sein könnte. „Ich werde die Zeit nutzen, und noch einmal oben nach dem Rechten sehen!“ Frau Nielsen meinte mit „oben“ die kleine Wohnung im ersten Stock.

      „Bitte machen Sie sich keine Mühe, ich bin einfach nur froh, dass ich vorerst wieder bei Ihnen einziehen darf“, erwiderte Janina, die sich sicher war, dass bei der ordentlichen Frau Nielsen alles in bester Ordnung war.

      „Ach Kindchen, ich möchte doch, dass Sie es so schön, wie möglich hier haben ... ich glaube, ich werde Jan noch anrufen und bitten, dass er für heute Abend etwas vom Supermarkt mitbringt ...“ Janina musste lachen. Sie hätte fast vergessen, wie wahnsinnig fürsorglich die gute alte Frau Nielsen war. „Nein, das braucht es wirklich nicht, Frau ...“

      „Keine Widerrede! Sie sind heute zum Abendessen eingeladen! Das sind Sie uns schuldig, wo wir Sie doch so spontan hier wieder aufnehmen.“

      Janina konnte das Augenzwinkern in ihrer Stimme heraushören und sie gab sich geschlagen.

      „Na gut, vielen Dank. Bis später dann.“

      „Bis später, Janina.“