Kleine Frau im Mond. Stefan Boucher

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Название Kleine Frau im Mond
Автор произведения Stefan Boucher
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754174128



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war mehrdeutig.

      »Herr Graf, wenn Sie entschuldigen würden«, lächelte Hippler dem anderen zu und wandte sich jetzt ganz nüchtern und geschäftsmäßig an den Händler. »Haben Sie es?«

      Wilhelm nickte, griff unter den Tresen und zog einen Umschlag hervor, den er ihm reichte. Hippler gab im Gegenzug einen großen Geldschein, für den ihm mit einer angedeuteten Verbeugung gedankt wurde.

      Der andere lüpfte kurz seinen Hut, grüßte den Grafen und gab Herrn Darburg die Hand. Dann verabschiedete er sich und ging. Von der Schulenburg schnaufte angestrengt.

      »Du nimmst ihm das russische Drecksloch übel, Fritz?«

      Der lachte böse. »Nein, für seine Ignoranz und Dreistigkeit kann er wohl nichts. Ich nehme ihm übel, was er und seine Auftraggeber uns Deutschen alles noch einbrocken werden. Er ist doch selbst in Ungnade gefallen. Und nicht einmal jetzt steigt er von seinem hohen Ross herab.« Er schwieg einen Moment. »Alwine geht es absolut nicht gut, Wilhelm. Ich habe gelogen, aber ausgerechnet den Hippler geht das überhaupt nichts an. Es geht ihr sehr, sehr schlecht. Sie trinkt und legt sich mit jedem an. Sie streitet sich mit Fräulein Höppner schon um eine Flasche Cognac und wirft Gegenstände aus dem Fenster auf die Straße.«

      »Ist das dein Ernst? Fritz …«

      »Leider. Der Polizei sagte sie, alles sei für die Sammlung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt vorgesehen gewesen. Durchs Fenster auf die Straße. Alles kaputt, natürlich. Demnach hat sie die NSV verunglimpft. Ich bin vorgeladen worden und muss sie heute wieder in die Wittenauer Heilstätten bringen.«

      »Meine Güte, wie kann denn …«

      »Die Einsamkeit, der Alkohol. Wilhelm, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Sie erzählt auch, dass ich ihr monatlich eine Apanage von 600 Mark versprochen habe und ihr aber nur 100 Mark gebe. Sie verdreht vollkommen die Tatsachen. Ich gehe jetzt schnell wieder zu ihr. Sicher hat sie weder gepackt noch sich vorbereitet. Um der guten Zeiten willen sage ich lieber nichts mehr.«

      »Wir hatten gute Jahre in Persien, wir hätten dort bleiben sollen.« Darburg war ernst.

      Der Graf lachte, als fiele für einen Moment die Spannung von ihm. »Ja, Wilhelm, die hatten wir. Aber dort bleiben? Manchmal denke ich, ich hätte besser in Moskau bleiben sollen.«

      Sie gaben sich stumm die Hand und gingen auseinander. Dann drehte sich der Händler um und kramte im hinteren Bereich des Ladens. Mara wagte es nicht, ihn nach einem Heft zu fragen. Das Gespräch hatte sie ebenfalls belastet und ihn sicher noch viel mehr.

      Sie stahl sich leise hinaus und nahm sich vor, morgen wiederzukommen und sich zu entschuldigen. Seit sie glaubte, Olga Tschechowa bis zum Bahnhof verfolgt zu haben, sah sie sich immer wieder aufmerksam um. Auch auf dem Heimweg hielt sie die Augen offen, aber sie bemerkte weder die Tschechowa noch irgendeinen anderen Star. Nur hastende Menschen, die versuchten, ihre Besorgungen zu machen oder zu ergattern, was es überhaupt gab.

      Sie verließ den Bahnhof und ging links ein paar Meter die Joachimstaler Straße hinauf, bis sie die Schemen des L-Turms der Zoobunker-Anlage erkennen konnte. Der Turm vermittelte Schutz. Und die Peilschüssel oben … Seit Wochen war sie nicht mehr mit der Bahn daran vorbei gefahren, aber auf einmal war die Faszination wieder da. Die Gedanken kamen wie von selbst, als müssten die Sorgen aus dem Gespräch eben fortgespült werden. Es war keinerlei Anstrengung vonnöten, um sich wahrhaft Fantastisches vorzustellen: Die beiden Männer hatten von Persien gesprochen. Weit, weit, weit entfernt. Es würden dereinst solche Türme sein, die die Verbindung in die Hauptstädte der Welt ermöglichten und sogar zu den Sternen hinauf. Sie hätte nur zu gerne einen phantastischen Roman gekauft, aber sie wollte Herrn Darburg lieber alleine lassen. Sie konnte ja auch in diesem Anblick schwelgen. Ungarn war gestern durch die Wehrmacht besetzt worden, hatten die Herren besprochen. Davon hatte sie heute Morgen bereits in der Dienststelle gehört.

      Plötzlich zog es sie heim. Sie hatte Hunger und Durst, aber vor allem sehnte sie sich nach ihrem Vater. Sie lief wieder zurück, passierte den Bahnhof und bemerkte gar nicht, wie Herr Darburg vor seinem Laden stand und ihr nachsah.

      Dann eilte sie über die Kreuzung und bewunderte abermals den immensen Krater, an dessen tiefster Stelle sich eine Wasserpfütze gebildet hatte – für das Grundwasser war er nicht groß genug, eher hatte sich Regenwasser darin gesammelt. Und mitten in der Pfütze dümpelte eine einsame Flasche, die jemand dort hineingeworfen haben musste. Wie eine Flaschenpost ohne Inhalt.

      Den lärmenden Kurfürstendamm ließ sie hinter sich und bald war sie am Fasanenplatz. Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie auf Hausnummer 60 zuging. Von oben unter dem Dach hörte sie Klavierspiel, das hinabrollte bis zu ihr und sich die Fasanenstraße hinauf und hinunter erstreckte. Einen Augenblick blieb sie stehen und schaute hinaus. So sah Mara nicht, wie sich von der Rinde eines Baumes auf der anderen Seite ein Schatten löste und sich aufrecht hinstellte, als gelte es, sie genau zu mustern und im Blick zu behalten.

      Das Stück war zu Ende und der Pianist spielte kein neues. Da sich auch sonst nichts tat, flanierte sie die paar Schritte bis zu ihrer Haustür und schloss auf. Vater müsste zu Hause sein, aber vielleicht schlief er, daher lief sie leise die nur spärlich erleuchtete Treppe hinauf.

      Auf halber Höhe vor dem dritten Stock über der Wohnung des Professors und der Bibliothekarin erschrak sie.

      Oben stand Heinz. Er tat nichts. Starr wie eine Salzsäule glotzte er bloß die verschlossene Tür der Nachbarn an, die man lange nicht gesehen hatte.

      »Du hast mich erschreckt, Heinz. Was machst du hier?«

      Erst reagierte er nicht, dann drehte er seinen Kopf und lächelte sie freundlich an. Abrupt lief er die Treppe hinab und stampfte dabei wie ein Berserker.

      Mara blinzelte irritiert und ging zögerlich zu der großen hölzernen Tür, die ebenso mit geschliffenem Milchglas eingelegt war wie die ihrige und deren Türknauf aus gewundenem Metall geschmiedet war. Leise und vorsichtig legte sie die Hand auf den Knauf und drehte ihn, mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, als wollte sie einbrechen – andererseits aber auch aufgeregt. Die Tür war verriegelt, so wie sie immer verschlossen gewesen war, so lange sie dieses Haus kannte. Seitdem sie hier wohnten. Heimlich schalt sie sich selbst. So etwas machte man nicht. Hastig lief sie nach oben und fand ihren Vater in der Küche sitzend. Betrunken, mal wieder. Kirchenlieder summend und singend.

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