INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier. Eberhard Weidner

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Название INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия Inquisitor Michael Institoris 1
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847665816



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liebe dich wirklich, Michael. Von ganzem Herzen, auch wenn es dir schwerfällt, das zu glauben. Aber genau deshalb, weil ich dich so sehr liebe, muss ich nun schweigen, auch wenn es mir beinahe das Herz zerreißt. Doch es geht nicht anders. Also tu, was du glaubst, tun zu müssen, aber lass es uns wenigstens rasch beenden!«

      Michael musste angesichts dieser Worte sichtlich schlucken. Trotz des nachvollziehbar schlechten Images seines Berufsstandes in Luziferianerkreisen war er alles andere als ein kaltblütiger Killer. Doch offenbar konnte er nicht anders handeln, weil die Situation es erforderte und er letztendlich zu dem konditioniert worden war, was als Nächstes geschah.

      »Dann bleibt mir wirklich nichts anderes übrig, Marcella. Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Vorzeichen kennengelernt. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass es mir leidtut, doch du lässt mir gar keine andere Wahl.«

      »Man hat immer die Wahl, Michael. Erinnere dich an diese Worte: Man hat immer die Wahl!« Marcellas eindringliche Worte wirkten wie ein Versprechen und schienen unterschwellig noch eine tiefere Bedeutung zu haben, die aber allenfalls von ihr und dem Inquisitor, nicht aber von dem heimlichen Beobachter richtig interpretiert werden konnte. Dann verstummte die Hexe und schloss schicksalsergeben die Augen vor dem Kommenden.

      Michael zögerte. Die Hand mit der Waffe, die sonst so ruhig ihr Werk verrichtete, zitterte deutlich erkennbar. Für einen Moment sah es so aus, als würde sie langsam nach unten sinken, weil das Gewicht der Waffe immer größer wurde – zu groß, um sie noch länger in der Waagerechten zu halten und die Mündung auf die wehrlose Frau am Ufer des Tiber zu richten. Doch dann trat erneut der entschlossene Ausdruck in seine Augen. Alle Bedenken wurden beiseite gewischt, und die gewohnte Kompromisslosigkeit und Härte im Kampf gegen das Böse kehrten zurück. Mit nun wieder ruhiger Hand richtete er die Mündung der Pistole auf das Herz der Hexe – denn trotz allem würde er es wohl nicht über sich bringen, ihr in den Kopf zu schießen und sie dadurch über den Tod hinaus zu verunstalten – und drückte ein einziges Mal ab.

      Marcella schrie schmerzerfüllt, als die Kugel sie traf, und griff sich an die Brust. Karmesinrotes, sauerstoffreiches Arterienblut quoll zwischen ihren zitternden Fingern hervor, lief über ihren Handrücken und färbte den Stoff ihrer Bluse dunkel. Das Projektil hatte sie mit der Wucht eines Fausthiebes getroffen und ließ sie nach hinten taumeln. Sie balancierte am Rand des Ufers, und es sah aus, als könnte sie das Gleichgewicht halten. Doch da trat ein Fuß ins Leere. Ihr Schrei war verstummt. So stürzte sie lautlos, Mund und Augen vor Entsetzen und Qual weit aufgerissen, nach hinten und fiel rücklings in den Fluss, sodass das Wasser klatschend aufspritzte und anschließend über ihr zusammenschlug.

      Der Inquisitor ließ die Pistole sinken, als könnte er ihr enormes Gewicht nicht länger halten. Er wirkte wie betäubt, als wäre er fassungslos über das, was er getan hatte, und als hätte er bis zuletzt selbst nicht daran geglaubt, dass er tatsächlich dazu fähig wäre.

      Er stürzte nach vorn, zum Rand des Uferstreifens, und blickte nach unten ins Wasser. Es war sogar für den heimlichen Beobachter zu dunkel, um Einzelheiten erkennen zu können, doch für den Bruchteil eines Augenblicks war die leblose Gestalt der Hexe zu erkennen, die wie schwerelos im Wasser trieb und langsam tiefer in den dunklen Wogen versank. Ihre Arme waren wie bei einem schwebenden Engel ausgebreitet, ihr langes Haar bildete einen wogenden Kranz um ihren Kopf, und ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten zu ihrem Mörder empor. Ein Versprechen schien in diesen Augen zu stehen, doch ehe es entschlüsselt werden konnte, rissen die Fluten des Tiber den Leichnam mit sich in die Finsternis. Es war vorbei! Marcella Perini war verschwunden, und nur noch das dunkle, rasch dahinströmende Wasser war zu sehen.

      Der Inquisitor schloss die Augen. Seine Lippen bebten, als er ihren Namen flüsterte oder stumm ein kurzes Gebet sprach – wenn, dann nicht nur für die verdammte Seele der Hexe, sondern zweifellos auch, um für sich selbst und seine Tat um Vergebung zu bitten. Er fröstelte und zog die Schultern hoch, als ihm bewusst zu werden schien, dass er in dieser fremden Stadt mutterseelenallein war, jetzt sogar von dem letzten Menschen verlassen, von dem er geglaubt hatte, er könnte ihm vertrauen. Er zitterte leicht, als ein kühler Windstoß vom Fluss heranwehte und einen seufzenden Laut erzeugte, der sich anhörte wie das Stöhnen einer Toten. Erneut fröstelte er. Allein! Das Wort schien anklagend von den Wänden der Brücke widerzuhallen und ihn dadurch noch mehr zu quälen.

      Doch stimmte das? War er tatsächlich allein?

      Ein Knirschen auf der Treppe, die nach oben führte, ließ den Inquisitor herumwirbeln.

      Mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit hatte Wolfgang mit angesehen, wie der Inquisitor die Hexe erschossen hatte und die Frau daraufhin ins Wasser gefallen und untergegangen war. Er hatte mehr als genug gesehen und wollte verschwinden, bevor der Inquisitor sich besann und wieder diesen Weg nach oben zur Straße nahm.

      Er wandte sich um und eilte die Stufen nach oben, so rasch und lautlos, wie es die Umstände und die eingeschränkten Sichtverhältnisse zuließen. Seine Augen hatten genug Zeit gehabt, sich der Finsternis anzupassen, und die überlegene Nachtsichtigkeit der Bestie in seinem Inneren half ihm zusätzlich, sich zurechtzufinden, ohne zu straucheln. Doch nach wenigen Stufen übersah er in seiner Eile einen unscheinbaren, kieselsteingroßen Gegenstand, der unter seiner Sohle leise knirschte. Das Geräusch wäre tagsüber im Umgebungslärm untergegangen und nicht zu hören gewesen, doch in der Stille der Nacht, die nur vom stetigen, flüsternden Rauschen des Flusses im Hintergrund durchbrochen wurde, wurde das schabende Geräusch weit getragen und musste auch dem Inquisitor zu Ohren gekommen sein.

      Entgegen seiner Gewohnheit fluchte Wolfgang jetzt doch lautlos und rannte los, ohne sich noch länger darum zu kümmern, wie viel Lärm er dabei verursachte. Zum zweiten Mal in dieser Nacht war Schnelligkeit entscheidender als Lautlosigkeit, da es darauf ankam, dass der Inquisitor seinen heimlichen Verfolger nicht entdeckte und Wolfgang rasch ein Versteck fand, in dem er sich vor Institoris verbergen konnte.

      Erst als Wolfgang die obersten Stufen erreichte, die vom Licht der Straßenbeleuchtung erhellt wurden, wagte er es, einen Blick über die Schulter zu werfen und nach unten zu sehen. Doch vom Inquisitor war nichts zu sehen. Die Finsternis war wieder wie eine Wand, die er nicht mit Blicken durchdringen konnte und in der sich alles Mögliche verbergen konnte. Gut so!, dachte Wolfgang, zufrieden über seinen Vorsprung, und hetzte weiter. Nachdem er die Stufen hinter sich gelassen hatte, sah er sich fieberhaft um und suchte in unmittelbarer Nähe nach einem geeigneten Versteck. Doch in dieser Gegend gab es keine Büsche oder Bäume, hinter denen er sich verbergen konnte. Er rannte zur Straße, die über die Brücke führte, und überquerte sie, um auf die andere Seite der Brückenzufahrt zu gelangen, da ihm eingefallen war, dass sich auch dort ein Abstieg zum Fluss befinden musste. Als er die Böschung erreichte, sah er sich bestätigt, doch ehe er die Stufen nach unten stieg, blickte er noch einmal zurück.

      Der Inquisitor war noch nicht auf der anderen Seite aufgetaucht, aber gewiss würde es nicht mehr lange dauern, bis er kam. Deshalb durfte Wolfgang nicht länger zögern, wollte er unentdeckt bleiben, und rannte die Treppe nach unten. Erst nach einem guten Dutzend Stufen kam er zum Stehen. Fast wäre er gestrauchelt, doch es gelang ihm, sich mit der linken Hand an der Wand neben sich festzuhalten. Schwer atmend blieb er stehen und schnappte nach Luft. Gleichzeitig bemühte er sich, zu lauschen, um gegebenenfalls die Schritte des anderen Mannes hören zu können. Doch er konnte nichts Derartiges wahrnehmen, da sein eigenes Schnaufen und das Pochen seines hämmernden Pulsschlags in den Ohren zu laut waren und jedes andere Geräusch übertönten.

      Wolfgang ging davon aus, dass der Inquisitor mittlerweile ebenfalls das Niveau der Straße erreicht hatte. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie Institoris sich in alle Richtungen umsah. Als er nichts Verdächtiges bemerkte, kam er unweigerlich zu dem Schluss, dass niemand in der Nähe gewesen sein konnte. Möglicherweise dachte der Inquisitor, dass das Knirschen einen anderen Grund haben musste und vielleicht von einem nachtaktiven Tier stammte. Vor Wolfgangs innerem Auge zuckte Institoris mit den Schultern und ging eilig davon, weg vom Tatort seines feigen Mordes, um seine Verabredung mit dem Gardisten an der Pforte der Vatikanstadt nicht zu versäumen.

      Wolfgang konnte dem Inquisitor jetzt natürlich nicht länger auf den Fersen bleiben, aber das