INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier. Eberhard Weidner

Читать онлайн.
Название INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия Inquisitor Michael Institoris 1
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847665816



Скачать книгу

werden wollte.

      Wolfgang beobachtete, wie die beiden Fahrgäste ausstiegen und im Eingang des Hotels verschwanden. Institoris trug den länglichen Koffer und hielt Marcellas Hand, die sich fügsam führen ließ und mit der freien Hand ihre Handtasche umklammerte. Kaum waren die beiden im Innern verschwunden, fuhr das Taxi davon.

      Wolfgang legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Zum ersten Mal, seit der Knall der ersten Explosion ihn aus Goethes Italienischer Reise gerissen hatte, konnte er sich entspannen und die Erregung der Flucht und der anschließenden Verfolgung abschütteln. Er überlegte, was er tun sollte, da er sich unter Umständen auf einen längeren Aufenthalt gefasst machen musste. Wenn der Inquisitor und die Hexe die Nacht im Hotel verbrachten, war es besser und vor allem bequemer, er nahm sich ebenfalls ein Zimmer. Andererseits konnte er die beiden dann nicht konsequent genug überwachen. Wie sollte er etwa mitbekommen, wenn sie das Hotel mitten in der Nacht verließen? Ihm kam der Gedanke, einfach bei den beiden anzuklopfen und wahrheitsgemäß zu sagen, er habe es ebenfalls geschafft, den Eindringlingen zu entkommen. Er könnte ihnen anbieten, weiterhin seine Dienste und das Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Dadurch hätte er sich eine gute Möglichkeit verschafft, in ihrer unmittelbaren Nähe zu bleiben und sie gleichzeitig im Auge behalten zu können. Außerdem könnte er leichter dafür sorgen, dass Institoris in wenigen Stunden seine wichtige Verabredung am Portal der Vatikanstadt einhielt. Aber wie sollte er dem stets misstrauischen Inquisitor erklären, wie er sie gefunden hatte, ohne zugeben zu müssen, dass er ihnen heimlich gefolgt war. Ein Umstand, der nicht gerade vertrauenerweckend war, vor allem, da er ohnehin das Gefühl hatte, dass Institoris ihn weder mochte noch vertraute. Daher war es vermutlich besser, er hielt sich weiterhin unauffällig im Hintergrund und behielt den Eingang des Hotels im Auge, auch wenn das bedeutete, dass ihm eine lange und schlaflose Nacht bevorstand.

      Immerhin konnte er einen Teil der Zeit dazu nutzen, Butcher anzurufen und über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Warum sollte er als Einziger auf seinen wohlverdienten Schlaf verzichten. Außerdem hatte der Rudelführer in dieser Phase der Operation gewiss Verständnis, um diese Zeit geweckt zu werden, wenn er erst erfuhr, was sich Überraschendes getan hatte. Der Ausfall des Nekromanten dürfte Butcher interessieren, aber keineswegs beunruhigen, da für die weitere Entwicklung Neros Mitwirkung ohnehin nicht zwingend erforderlich war. Aber darüber, dass der Inquisitor und die Hexe dem Angriff der Inquisition entgangen waren und ein neues Quartier bezogen hatten, wollte Butcher bestimmt umgehend informiert werden.

      Wolfgang holte sein Mobiltelefon aus der Hosentasche, wo er es stets bei sich trug, andernfalls würde es jetzt in dem verlassenen Apartment über der Garage liegen, und wählte Butchers Handy-Nummer, die er auswendig kannte.

      Die Warterei dauerte dann doch nicht so lang, wie Wolfgang anfangs befürchtet hatte.

      Er hatte neue Instruktionen von seinem Boss erhalten und das Telefonat mit Butcher rasch beendet. Seitdem wünschte er sich, er hätte bei seiner Flucht wenigstens das Goethe-Buch mitgenommen, da die Müdigkeit ihn ständig zu überwältigen drohte und es nichts gab, was er tun konnte. Zum Lesen hätte er allerdings die Innenbeleuchtung anmachen müssen und womöglich unnötige Aufmerksamkeit erregt – unter anderem bei den Nutten. Also wartete er im Dunkeln und warf in regelmäßigen Abständen aus müden Augen prüfende Blicke zum Hoteleingang. Auszusteigen, um sich durch Bewegung wachzuhalten, wagte er ebenfalls nicht, weil er befürchtete, der Inquisitor könnte ausgerechnet dann aus dem Hotel kommen oder aus einem der Fenster schauen und ihn entdecken. Allerdings hatte er das Fenster heruntergekurbelt, um wenigstens frische Luft schnappen zu können.

      Er hatte soeben die Uhrzeit überprüft und wusste daher, dass es exakt 2:33 Uhr war, als hinter ihm ein Auto vorbeifuhr und vor dem Hotel hielt. Er sah hin und bemerkte, dass es sich erneut um ein Taxi handelte. Nur Sekunden später erschienen der Inquisitor und die Hexe und bestiegen das wartende Taxi. Institoris hatte wieder den Metallkoffer bei sich, während Marcella ohne ihre Handtasche unterwegs war.

      Machen die sich etwa schon auf den Weg zum Vatikan?, fragte sich Wolfgang. Seiner Meinung nach war es dazu noch zu früh. Aber vielleicht wollten sie auf keinen Fall zu spät kommen und vorher in Ruhe die nähere Umgebung des Treffpunkts kontrollieren. Er zuckte mit den Schultern und startete den Motor. Nachdem er den Jaguar rückwärts auf die Straße gelenkt hatte, folgte er erneut einem Taxi durch das nächtliche Rom. Und schnell wurde ihm klar, dass nicht der Vatikan das Ziel ihrer Fahrt war, sondern dass die Reise woanders hinging. Ans Ufer des Tiber inmitten eines verlassenen Gewerbegebiets, wo das Taxi seine beiden Fahrgäste absetzte und davonfuhr.

      Erst als die Rücklichter des Taxis hinter einer Abzweigung verschwunden waren, packte der Inquisitor die Hexe am Oberarm und zog sie über die Straße in Richtung Fluss.

      Wolfgang kam dies merkwürdig vor. Von Zärtlichkeit oder Zuneigung war im Verhalten des Inquisitors nichts zu entdecken. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, Marcella wäre mittlerweile eine Gefangene des Mannes und würde nur widerstrebend mit ihm gehen. Aber falls das zutraf, wie war es dann zu diesem Sinneswandel gekommen? Hatte Institoris etwa herausgefunden, wer oder besser was Marcella in Wirklichkeit war? War er dahintergekommen, dass sie ihn die ganze Zeit nur belogen und hinters Licht geführt hatte und für Butcher arbeitete, einen der erbittertsten Feinde der Inquisition?

      Wolfgang war klar, dass er keine Antworten auf seine Fragen erhalten würde, wenn er im Wagen sitzen blieb und dort auf die Rückkehr der beiden wartete. Außerdem interessierte ihn brennend, was der Inquisitor mit der Hexe um diese Zeit an diesem gottverlassenen Ort vorhatte, und wollte sie schon aus diesem Grund nicht aus den Augen verlieren.

      Er beobachtete, wie Institoris die Hexe zu einer nahen Brücke führte, die sich über den Fluss bis zum jenseitigen Ufer spannte. Doch nicht die Brücke war ihr Ziel, sondern ein Treppenabgang unmittelbar daneben, der hinunter zum Ufer führen musste und nach wenigen Stufen in der Dunkelheit verschwand. Der Inquisitor und die Hexe folgten der Treppe und waren alsbald seinen Blicken entschwunden.

      Erst jetzt stieg Wolfgang aus dem Wagen und rannte dorthin, wo die beiden vom Erdboden verschluckt worden waren. Er hielt sich zunächst hinter der hüfthohen Steinbrüstung der Brücke verborgen und spähte vorsichtig daran vorbei nach unten. Allerdings sah er niemanden, da diejenigen, denen er folgte, schon ein gutes Stück in die Tiefe gestiegen und im Dunkeln verschwunden waren. Von unten war die Stimme des Inquisitors zu hören, doch Wolfgang konnte nicht verstehen, was der Mann zu seiner Begleiterin sagte.

      Da die Finsternis nicht nur die Zielpersonen vor seinen Blicken verbarg, sondern gleichzeitig auch ihn vor einer Entdeckung schützte, nahm Wolfgang die Stufen in Angriff. Vorsichtig und möglichst lautlos folgte er ihnen durch die Dunkelheit. Schon nach wenigen Stufen gewöhnten sich seine Augen an die dürftigen Lichtverhältnisse, sodass er mithilfe seiner verbesserten Nachtsichtigkeit vage Umrisse erkennen konnte. Von Institoris und Marcella sah er jedoch nichts, da diese bereits das Ende der Treppe unten am Fluss erreicht haben und unterhalb der Brücke verschwunden sein mussten. Er hörte allerdings ihre Stimmen, die deutlicher wurden, je näher er ihnen mit jedem Schritt kam. Und je tiefer er stieg, desto vorsichtiger wurde er. Behutsam setzte er den Fuß auf die jeweils nächste Stufe, um keinen herumliegenden Gegenstand – eine weggeworfene Flasche oder einen herumliegenden Kieselstein – loszutreten, der die übrigen Stufen hinunterrollen, Lärm verursachen und seine Gegenwart verraten könnte.

      Schließlich erreichte auch er das Ende der Treppe. Er blieb auf der letzten Stufe im Schatten der Brückenmauer stehen und spähte um die Ecke. Die Hexe und der Inquisitor waren so nah, dass er die Worte, die sie wechselten, über das beständige Rauschen des Wassers hinweg gut verstehen konnte. Und der Schein einiger heller Lichter vom jenseitigen Ufer und ihre Reflexionen auf dem Wasser ließen ihn die beiden Personen erkennen, denen er bis an diesen einsamen Ort gefolgt war.

      Marcella und Institoris standen auf einem schmalen Streifen festgestampfter Erde, der an dieser Stelle das erhöhte Ufer des rasch dahinströmenden Flusses bildete und unter der Brücke hindurchführte, und befanden sich etwa auf halber Höhe zur anderen Seite. Der Ort war höchstwahrscheinlich auch bei Tage verlassen und bot die ideale Kulisse für eine ungestörte Unterhaltung. Doch was hatten die beiden zu besprechen, was sie nicht auch in der Abgeschiedenheit ihres Hotelzimmers hätten bereden