INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier. Eberhard Weidner

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Название INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Vier
Автор произведения Eberhard Weidner
Жанр Языкознание
Серия Inquisitor Michael Institoris 1
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847665816



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Hund und Herrchen ihm dort oben begegnen und auf seine Anwesenheit reagieren müssen. Vermutlich hätte der Hund Institoris angebellt und wäre nicht auf Wolfgangs Versteck aufmerksam geworden.

      »Ich wollte wissen, was mit der Hexe geschehen ist und wie es dem Hexenjäger geht«, rief Butcher seinem Untergebenen in Erinnerung.

      »Richtig. Du wirst es nicht glauben, aber es war der Inquisitor, der die Hexe tötete. Er muss – vermutlich während der Flucht vor seinen Kollegen aus Neros Villa – herausgefunden haben, dass sie in Wirklichkeit zu uns gehört und ihn die ganze Zeit über getäuscht hat. Er brachte sie ans Ufer des Tiber und erschoss sie dort vor meinen Augen.«

      Kurzzeitig herrschte am anderen Ende der Verbindung tiefes Schweigen, als hätte diese Nachricht Butcher tatsächlich überrascht und ihm die Sprache verschlagen. Falls dem so war, dann aber nur kurz. »Hat sie ihm vorher etwas von den Dingen verraten, die sie wusste?«, fragte Butcher und sprach gezielt den Punkt an, der für ihn und seine Pläne von entscheidender Bedeutung war. Das Schicksal der Hexe war demgegenüber nachrangig.

      »Nein, kein Wort. Sie beteuerte mehrere Male, dass sie ihn lieben würde. Deshalb wunderte es mich, dass sie ihm nicht alles brühwarm erzählte. Aber sie blieb standhaft bis zum Ende, faselte nur etwas davon, dass sie ihm nichts sagen könne, weil sie ihn liebt. Irgend so ein Scheiß eben, den Verliebte und andere Bekloppte normalerweise von sich geben. Keine Ahnung, was sie damit meinte.«

      »Marcellas Tod ist nicht beklagenswert«, sagte Butcher. »Sie war eine Zeit lang sehr nützlich, weil sie Einfluss auf den Inquisitor nehmen und ihn in unserem Sinne lenken konnte, doch insgeheim hegte ich längst Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit. Ihre Beteuerungen – sogar im Angesicht des bevorstehenden Todes –, sie würde den Hexenjäger lieben, überzeugen mich jetzt zumindest davon, dass ich mit meinen Befürchtungen nicht ganz unrecht hatte. Sie wäre in Kürze ohnehin beseitigt worden. Nero wollte sie für sich haben und mit ihrem Leichnam die Schauspielerin ersetzen, die er vor Jahren zum Zombie machte, derer er aber mittlerweile überdrüssig war. Nachdem Nero den Angriff der Inquisition wohl nicht überlebte, hätten wir uns für Marcella sowieso eine andere Lösung einfallen lassen müssen. Das können wir uns jetzt sparen. Allerdings wäre es mir lieber gewesen, sie hätte vor ihrem Ableben noch dafür gesorgt, dass der Hexenjäger seine Verabredung an der Vatikanpforte tatsächlich einhält. Wo befindet sich ihre Leiche jetzt?«

      »Sie stürzte in den Tiber und versank im Wasser. Wahrscheinlich wurde sie durch die Strömung schon ein ganzes Stück abgetrieben und wird in ein paar Tagen flussabwärts als aufgeschwemmte Wasserleiche aus den Fluten gefischt.«

      »Okay. Und wenn sie dem Inquisitor nichts erzählt hat, ist wenigstens noch nicht alles verloren. Alle Einzelheiten kannte sie ohnehin nicht. Wo bist du jetzt?«

      »Das weiß ich selbst nicht so genau. Ich folgte dem Taxi bis hierher, kenn mich in dieser Gegend aber nicht aus. Es ging auf jeden Fall nach Süden und ans Tiberufer. Direkt neben mir führt eine Brücke über den Fluss.«

      »Und wo steckt Institoris?«

      Wolfgang zuckte mit den Schultern. Das hätte er ebenfalls gern gewusst, schon allein aus Gründen der persönlichen Sicherheit. »Ich habe leider keine Ahnung«, räumte er widerwillig ein. »Vorhin war er noch hier, aber mittlerweile dürfte er auf dem Weg zum Vatikan sein. Zumindest sagte er der Hexe vor ihrem Tod, dass er die Verabredung dort einhalten wolle. Ich musste mich verstecken, sonst wäre er auf mich aufmerksam geworden. Deshalb konnte ich ihn nicht länger im Auge behalten. Aber wir wissen ja, wo wir ihn in Kürze finden können.«

      »Das mag richtig sein. Dennoch wäre es mir lieber gewesen, jemand hätte ein Auge auf ihn gehabt und dafür gesorgt, dass er sein Rendezvous mit dem Schweizergardisten tatsächlich einhält.«

      »Ich hätte ihn ohnehin nur beschatten können«, rechtfertigte sich Wolfgang, der spürte, dass sein Rudelführer mit dieser Entwicklung nicht zufrieden war. »Nachdem er herausfand, dass seine kleine Freundin eine Hexe war, sieht er mich jetzt vermutlich ebenfalls mit anderen Augen. Und dabei waren wir auch so schon nicht gerade die besten Freunde.«

      »Dann können wir nur hoffen, dass Institoris noch immer exakt so handelt, wie es von uns geplant wurde. Hoffentlich haben ihn der überraschende Überfall auf Neros Villa und die Offenbarung, dass seine hübsche römische Geliebte in Wahrheit zu seinen Feinden gehörte, nicht dazu bewogen, seine Pläne komplett zu ändern.«

      »Was bleibt ihm denn anderes übrig, als wie geplant vorzugehen«, fragte Wolfgang. »Bei der Inquisition steht er dank deines genialen Einfalls, ihm die Morde im Glaspalast in die Schuhe zu schieben, auf der Abschussliste. Die fackeln wahrscheinlich gar nicht lange, sobald sie ihn zu Gesicht bekommen, und knallen ihn ab wie einen räudigen Köter. Das haben sie doch bei dem Vorfall in der Tiefgarage und durch den Angriff heute Nacht bewiesen. Wenn er seine Warnungen rechtzeitig dem richtigen Adressaten zu Gehör bringen und gleichzeitig mit dem Leben davonkommen will, bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, sich unmittelbar an die höchste kirchliche Instanz zu wenden.«

      »Du hast vermutlich recht, Wolfgang«, stimmte Butcher zu. »Aber es ärgert mich dennoch maßlos, dass ich in diesem wichtigsten Stadium der Operation nicht die absolute Kontrolle über alle Ereignisse habe, sondern zum hilflosen Zuschauer degradiert wurde. Wenn Marcella noch am Leben und in der Nähe des Hexenjägers wäre, könnte ich mich wenigstens der Illusion hingeben, sie würde nach meinen Weisungen handeln und dafür sorgen, dass der Inquisitor exakt so agiert, wie wir es wollen. Aber jetzt müssen wir blind darauf vertrauen, dass wir die Weichen im Vorfeld korrekt gestellt haben und Institoris nicht doch noch aus der Reihe tanzt. Aber was soll’s. Lamentieren hilft uns in dieser Situation auch nicht weiter. In weniger als einer Stunde wissen wir, ob alles nach Plan verläuft. Jetzt muss ich unser Gespräch aber beenden, da ich habe noch etwas zu erledigen. Wir sprechen uns später wieder. Bis dann.«

      »Wird schon schiefgehen. Bis später, Butcher.«

      Wolfgang beendete das Gespräch und steckte das Handy weg. Das Telefonat mit Butcher hatte nahezu seine volle Konzentration erfordert, schließlich hatte er sich gegenüber seinem Rudelführer nicht um Kopf und Kragen reden wollen. Erst jetzt konnte er sich wieder ganz auf seine Umgebung konzentrieren und auf verdächtige Geräusche in seiner unmittelbaren Umgebung horchen. Er hörte zwar nichts, doch unvermittelt schlug sein empfindlicher Geruchssinn Alarm. Gleichzeitig warnten in seine Instinkte vor einer Gefahr, und seine Nackenhärchen stellten sich auf. Er wollte blitzschnell herumwirbeln, doch bevor er reagieren konnte, spürte er den Druck kühlen Metalls an seiner Schädelbasis.

      »Hallo, Wolfgang. So ein Zufall, dass wir uns ausgerechnet hier begegnen. Was hat Sie denn an diesen verlassenen Ort verschlagen, noch dazu mitten in der Nacht? Ich denke, wir beide sollten uns ein wenig unterhalten, finden Sie nicht auch?«

      Es bedurfte keiner besonders scharfsinnigen Überlegungen, um Wolfgang sogleich erkennen zu lassen, dass er die Stimme des Inquisitors hörte und die todbringende Mündung einer Pistole von hinten schmerzhaft gegen seinen Schädel gepresst wurde.

      Entsetzen erfüllte den Gestaltwandler, als er erkannte, wie sehr er sich getäuscht und irrtümlich in Sicherheit geglaubt hatte. Institoris war gar nicht verschwunden, sondern hatte Wolfgangs Abgelenktheit während des Telefonats mit Butcher eiskalt ausgenutzt, um sich auf dieser Seite der Brücke vom unteren Ende der Treppe langsam und geräuschlos anzuschleichen.

      Und gleichzeitig wurde Wolfgang schlagartig bewusst, wie tief er wirklich in der Klemme saß, da der Inquisitor von ihm gewiss all das in Erfahrung bringen wollte, was die Hexe ihm vor ihrem Tod nicht verraten hatte. Und ebenso selbstverständlich war es, dass Wolfgang ihm ebenfalls nichts davon sagen durfte. Ein Dilemma, bei dem für Wolfgang wohl einzig die Aussicht auf einen sicheren und schmerzhaften Tod bestand. Und Institoris würde definitiv weniger Bedenken als zuvor bei der Hexe haben, ihm wehzutun oder ihn zu töten. Wolfgangs einziger Trost – wenn es denn tatsächlich einer war – bestand in der Tatsache, dass der Inquisitor nicht mehr viel Zeit zur Verfügung hatte, wenn er die Verabredung mit dem Schweizergardisten einhalten wollte. Eine langwierige Folter würde ihm also erspart bleiben. Dennoch sah seine Zukunft alles andere als rosig aus, doch was konnte er schon dagegen tun?

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