Analyseträume. Walter Pollak

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Название Analyseträume
Автор произведения Walter Pollak
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738001556



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eigenes schlechtes Gewissen, also um das Über-Ich, repräsentiert in zweifacher Ausfertigung durch die gestrengen Damen, die mich zur Rede stellen. Es spielte aber wohl auch das Bedauern eine Rolle, dass aus der Sache nichts geworden war, was eine narzisstische Kränkung für mich bedeutete, und der Traum könnte implizieren, dass die Lehrkräfte von der Sache Wind bekommen, auf die junge Frau Druck ausgeübt hatten und dass dadurch kein Treffen zustande kam.

      Und nun zu dem Traum vom bissigen Hund. Ich bin mit dem Auto in der Dunkelheit unterwegs, und ein Lastwagen verfolgt mich, ohne Scheinwerfer. Als ich nach links abbiege, fährt er ebenfalls nach links. Ich komme auf einem Campingplatz an, und es nähert sich ein Hund, der mich in die Hand beißt. Ich rufe um Hilfe. Da kommt noch ein weiterer Hund, und ich denke an ein großes Messer, das man jetzt haben müsste, stelle mir vor, wie ich die Hälse der Hunde durchtrenne.

      Zweifellos handelt es sich um einen Verfolgungstraum. Die Dunkelheit steht für das Unbewusste, das Auto für das Unterwegssein. Der LKW ohne Licht für eine Bedrohung, die aus demselben auftaucht und sich an mich hängt, nicht mehr locker lässt. Er erinnert an den Film „Duell“ von Steven Spielberg (1971), den ich damals wahrscheinlich schon gesehen hatte. Die linke Seite steht für Vergangenes und wiederum für das Unbewusste. Der Campingplatz erinnert eher an etwas Angenehmes, an Urlaubsfreuden, an Zelte und Wohnwagen, also an Schutz und Geborgenheit. Aber nichts da: es kommen die beißenden Hunde. Man hatte zwar einen gewissen Respekt zumindest vor größeren Hunden, war aber doch noch nie von einem gebissen worden.

      Der Lastwagen und auch die Hunde symbolisieren männliche Macht und Aggressivität, und ich wünsche mir selbst ein großes Messer (Penis), um mich wehren zu können und die angreifenden Hunde in Notwehr zu töten, zumal mein Hilferuf offenbar keine Wirkung zeigt und ich allein zurechtkommen muss. Das Halsabschneiden könnte eine Kastration symbolisieren und im Umkehrschluss die Angst davor, wie auch der Biss in die Hand. Es ist also die Furcht vor dem Verlust der Männlichkeit, die da aus dem Unbewussten mit Macht nach oben drängt, wie auch eigene ungelebte männlich-aggressive Wünsche und Bedürfnisse. Oder es handelt sich gar um den „Höllenhund“, den Kerberos, welchen der Gottheros Herakles bei seiner Hadesfahrt zu besiegen hatte, eine der zahlreichen Aufgaben, die es zu bewältigen galt und die alle einen gemeinsamen Nenner haben: den Kampf gegen den Tod. Der Hund ist symbolisch auch mit Mond und Sonne verbunden und betrifft deren jeweils dunklen Aspekt. Der Mond, der mit dem Großen Weiblichen verbunden ist (Hekate, Artemis), wird als weibliche Hündin („canicula“, Sirius, der Hundsstern oder Großer Hund als „Mondhündin“), die Sonne als männlicher Hund gesehen. Andererseits wird der Hund als „Hundesohn“ (Alchemie) auch als Symbol des „Lapis philosophorum“, der „aqua permanens“ und Christi gesehen, wobei es um deren dunkle Seiten geht. Positive Aspekte des Hundes wurden im 1. Kapitel geschildert. Es bleibt offen wie der Traum weitergeht, und wie so oft bei Albträumen kam das Erwachen oder das Ende des Traumes vor dem „Show down“. Man kann nur spekulieren oder besser den Traum als Anreiz verstehen, sich mit dieser Problematik intensiver auseinander zu setzen. Notfalls kommt alles noch mal, in ähnlicher Form: der Wiederholungszwang! Das Unbewusste birgt Gefahren, das Instinktive, Triebhafte, Unkontrollierte, aber der Hund ist darüber hinaus auch Hüter des Schatzes, also der Geheimnisse im Zusammenhang mit der Individuation.

      Im nächsten Traum befinde ich mich in einer Bibliothek und treffe einen ehemaligen Freund. Ich lächle ihn an, aber er reagiert abweisend. Ein unbekannter Mann schaut mich an und beginnt eine Konversation, legt mir später die Hand auf den Oberschenkel. Ich schiebe sie weg. Er spricht mit englischem Akzent, sei aber polnischer Herkunft und arbeite mit Hühnern. Auffällig sind seine drakulaartigen Zähne. Später bin ich beim Arzt wegen eines Pruritus, also eines Juckreizes, und es ist die Rede von sexuellen Problemen.

      Der Freund verweist auf eine komplizierte und nicht nur angenehme Beziehung, aber ich bin dennoch freundlich zu ihm, er hingegen nicht, was wie eine Bestätigung erscheint. Die Bibliothek erinnert ans Studium, an intellektuelle, geistige Tätigkeit. Der andere Mann ist fremdartig und rätselhaft, unsympathisch, was durch die bedrohlichen Zähne noch verstärkt wird. Er könnte ein Vampir sein! Die Hühner erinnern an Heinrich Himmler, der studierter Agrarwirt war und nebenbei eine Hühnerzucht betrieb, aber das wusste ich zum damaligen Zeitpunkt wohl nicht. Passend ist es allemal. Auch Adolf Eichmann betätigte sich interessanterweise vorübergehend als Hühnerzüchter, und zwar nach dem Krieg, inkognito. Der Arzt signalisiert Hilfe und Heilung. Vom Pruritus hatte ich schon gelesen, dass er unter Umständen als psychosomatisches Symptom mit unbefriedigten sexuellen Bedürfnissen zu tun haben kann: „es juckt mich.“ Objektstufig verweist der Freund auf eine zurückliegende, unbefriedigende sexuelle Beziehung und das zeitweilige Gefühl, ausgenutzt (ausgesaugt?) zu werden, und dieser Aspekt erscheint auch bei dem Unbekannten, wegen seiner Vampir-Zähne. Vorsorglich weise ich ihn ab. Subjektstufig könnten beide Gestalten Schattenfiguren sein, die kompensatorisch auf eigene oral-aggressive Tendenzen hinweisen und auf den ungelebten Wunsch, ebenfalls gelegentlich andere auszunutzen oder zumindest auch mal an den eigenen Vorteil zu denken, was im Gegensatz zu gelebten, überwiegend altruistischen Verhaltensweisen steht (Reaktionsbildung). Der Arzt symbolisiert die selbstheilenden Kräfte, die hier im Hinblick auf möglicherweise vorhandene sexuelle Störungen und Schwierigkeiten zur Anwendung kommen könnten. Ein Pruritus kann eine quälende Angelegenheit sein und soll mit infantil-unreifen Einstellungen zusammenhängen. Diese wären demnach zu untersuchen und zu heilen, im Sinne einer Nachreifung.

      4. Kapitel: Der Analytiker auf dem Schoß und die Übertragung

      Ein wichtiger Übertragungstraum aus der Anfangszeit der Analyse verlief wie folgt: Ich komme zur Analysesitzung und schaue mir an, was an den Wänden des Zimmers hängt, die Bilder usw. Vor mir war ein anderer Patient dran, der sich seltsam verhält und „agiert“. Als er gegangen ist, beklagt sich der Analytiker bei mir über ihn und äußert den Wunsch, diese Behandlung zu beenden. Ich liege diesmal nicht auf der Couch, sondern nehme auf einem Sessel Platz. Der Analytiker kommt und setzt sich auf meinen Schoss.

      Das Ende des Traumes lässt eine Kindheitserinnerung in mir hochkommen, als ich auf dem Schoß eines schon etwas älteren Mannes saß. Es handelte sich um den Sohn der damaligen Hausbesitzerin, und er galt als Junggeselle. Ich war damals froh über jede Art von männlicher Zuwendung, und der Mann mochte offenbar Kinder und schien ein netter, warmherziger Mensch zu sein. Man erzählte mir damals, dass ich in noch früheren Jahren, an die es keine bewusste Erinnerung mehr gab, auf dem Schoß eines „Uronkels“ saß, der mir die „goldene Uhr“ ans Ohr hielt und ich diese mit „Ticktack“ benannte. Es war wohl die erste Begegnung mit der Zeit und mit ihrer „Bemessung“, die für diesen alten Mann eine besondere Bedeutung hatte, da er kurze Zeit danach verstarb. Später erbte ich diese Uhr und bewahrte sie sorgfältig auf.

      Objektstufig handelt es sich um eine Umkehr der Rollen. Der Therapeut zieht mich ins Vertrauen und beklagt sich über einen andern Patienten, den er nicht mehr weiterbehandeln möchte. Ich sitze, wie der Analytiker sonst, und er setzt sich bei mir auf den Schoß, wie ein Kind auf den Schoß seines Vaters. Es entsteht dadurch eine große Nähe und Vertrautheit, im Gegensatz zu der ansonsten üblichen Distanz und Professionalität. Die Gemälde an der Wand symbolisieren wie schon in einem zuvor geschilderten Traum die Bilder aus dem Unbewussten, aus der Vergangenheit, auch aus der Kindheit, die es noch zu betrachten und zu deuten gilt. Im Traum bin ich groß und mächtig, väterlich, während sich der Analytiker in einer kindlichen Rolle befindet. Kehrt man die Dinge um, so liegt es nahe, dass ich ebenfalls der vorherige, abgelehnte Patient bin, der sich sonderbar verhält und „agiert“, also eine Art Schattenfigur, deren negative Eigenschaften den Unmut des Therapeuten hervorrufen und sogar den Wunsch, die Behandlung zu beenden. Dahinter steckt die Angst vor einer zurückweisenden Haltung des Analytikers, bis hin zum möglichen Abbruch der Therapie, also Trennungsangst. Im Gegensatz dazu stehen die Nähe und Vertrautheit der kontrastierenden Szenerie im Behandlungszimmer. Dort kann man wiederum in Umkehrung mich auf den Schoß des Analytikers versetzen, was den Wunsch nach kindlicher Abhängigkeit und Zutraulichkeit gegenüber einer väterlichen Person zum Ausdruck brächte. Eine solche Sehnsucht wäre vor dem Hintergrund der „vaterlosen“ Vergangenheit auch durchaus plausibel und verständlich. Dieser Wunsch wird allerdings durch eine Reaktionsbildung in eine reifere Form umgewandelt,