Analyseträume. Walter Pollak

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Название Analyseträume
Автор произведения Walter Pollak
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738001556



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zu reparieren oder zumindest das Malheur zu kaschieren. Anschließend kommen zahlreiche Leute, die mir unbekannt sind. Mein Begleiter und ich gehen.

      Es läuft nicht alles so wie geplant: der Freund, der eingeladen hatte, ist nicht zu Hause, kommt offenbar auch nicht mehr. Dafür ist eine Frau in seinem Zimmer, und es bleibt unklar, welche Rolle sie spielt. Sie zeigt zumindest gastfreundliche, bewirtende und somit auch mütterliche Eigenschaften. Die Einrichtung ist etwas „kitschig“, also nicht sehr geschmackvoll, und die Stofftiere erinnern an kindlich Regressives. Der „Mensch aus Stein“ scheint nicht sehr stabil zu sein und geht schon kaputt, wenn man ein wenig mit ihm spielt. Ich versuche, es ungeschehen zu machen, es ist mir peinlich.

      Eine Deutung erscheint zunächst schwierig. Beschränken wir uns in diesem Fall auf das Subjektstufige, so wären mein Begleiter und ich das Selbst, die Frau eine Animafigur mit mütterlichen, nährenden Qualitäten. Die Anima ist das innere Bild des Weiblichen, herausgelöst aus dem Bild der Großen Mutter, die als Mittlerin zwischen dem Ich und dem Selbst und als Führerin auf dem Weg nach innen, zum Unbewussten, überlebenswichtige Botschaften zu verkünden hat. Es gibt etwas zu essen: man lässt sich gern von der Mutter verwöhnen, und die Forelle ist etwas Besonderes, Festliches. Sie drückt auch den Wunsch nach Lebensfreude aus und könnte einen Seelenanteil symbolisieren, der mit Springlebendigkeit zu tun hat und dem Einklang zwischen Verstand und Gefühlswelt. Der Fisch hat zudem archetypisch mit dem Großen Weiblichen zu tun als im Wasser lebend. Er symbolisiert das Kind und den Phallus und wird hier verspeist. Das Kitschige und die Stofftiere verweisen auf die Kindheit und drücken regressive Wünsche aus, die gleichzeitig mit etwas unguten Gefühlen verbunden sind. Das Doppelbett symbolisiert die Paarbeziehung, also etwas Reiferes, mag aber auch mit dem Ehebett der Eltern zu tun haben und so nochmals auf die Kindheit verweisen. Von besonderer Bedeutung ist sicherlich der „Mensch aus Stein“. Er könnte einen Selbstanteil darstellen, der versteinert ist und zerbrechlich. Wenn man beginnt, sich mit ihm zu beschäftigen, dann kann schnell etwas kaputtgehen. Es ist also Vorsicht geboten! Zur weiteren Symbolik des Steines siehe weiter unten. Der Kopf ist zwar normalerweise der Ort des Verstandes, des Intellekts, aber in diesem Zusammenhang bietet es sich an, ihn als Symbol der „oberen Männlichkeit“ anzusehen und die Beschädigung mit dem Kastrationskomplex in Verbindung zu bringen, wobei hier symbolisch eine Selbstverstümmelung zum Ausdruck kommt, die man aber gleich reparieren möchte. Die innere Fragilität hätte demnach mit der Kastrationsangst zu tun, mit einer Bedrohung oder schon erfolgten Beschädigung der „oberen“, „solaren“ Männlichkeit, mit der man sich in wiederherstellender Weise zu beschäftigen hat. Die anderen sollen dies möglichst gar nicht bemerken, es handelt sich um eine eher peinliche Angelegenheit. Der abgefallenen Kopf erinnert aber auch an Mythologisches, und zwar an das Medusenhaupt. In dem Fall hätte der Traum mit dem Heldenmythos zu tun und mit Perseus. Er bekommt den Auftrag, das Haupt der Medusa abzuschlagen, was er dann auch tut, und dabei entspringt das geflügelte Pferd Pegasos, Symbol des Schöpferischen und der Transzendenz, sowie der befreiten, zum Geistigen aufsteigenden Libido. Es handelte sich um den notwendigen Kampf gegen die furchtbare Große Mutter, die Übermacht des Unbewussten. Auch da geht es um Versteinerung, allerdings beim Helden, falls er das Haupt der Gorgo ansehen sollte. Nach der Tat muss Perseus fliehen, da er von den Grayen verfolgt wird. Vielleicht aus diesem Grund aber auch weil nun viele fremde Menschen eintreten (die Grayen?), wird es Zeit zu gehen. Soziale Kontakte sind gut, aber es kann schnell auch zu viel und zu anstrengend werden, und man muss sich dem nicht unbedingt aussetzen.

      Im nächsten Traum geht es möglicherweise auch wieder ums Essen, da ich an einem Tisch sitze und Christus anwesend ist. Es gibt Leute, die nicht am Tisch sitzen wollen, wegen mir. Es ist eine seltsame Zeichnung zu sehen.

      Christus erinnert natürlich an meine religiöse Zeit, an die Zeit im Orden. Der Tisch verweist möglicherweise auf das Abendmahl, die Kommunion. Die Leute, die mich meiden, lassen an soziale Ängste denken, an Zurückweisung, Ächtung. Die Zeichnung erinnert an Kinderzeichnungen, denen schon immer mein besonderes Interesse galt.

      Es handelt sich um einen archetypischen Traum, denn Christus symbolisiert die transzendente Funktion des Selbst, das Ideal-Ich, und er verkörpert auch eine Heldenfigur, einen Erlöser und Heilbringer, den „Pantokrator“, und personifiziert somit die Libido, die Lebensenergie und Lebenskraft, sowie das Selbst in seiner Totalität, die „übergeordnete Persönlichkeit“. Als vereinigendes Symbol ist er somit der Ausdruck einer wirksamen Ganzheitskonstellation des Selbst. Er ist der „große Mann“ der Naskapi-Indianer (Labrador-Insel), der innere Begleiter und Seelenführer („Psychopompos“), der uns aus dem Dunklen der Unterwelt ins Licht bringt oder uns ins Jenseits geleitet. Ich darf mit ihm am Tisch sitzen und möglicherweise das Abendmahl mit ihm teilen. Dieses und die Kommunion sind wiederum Initiationsrituale, die den Übergang von einer Lebensphase zur nächsten symbolisieren und speziell die Vereinigung mit dem Göttlichen, Kosmischen. Es geht darum, über sich selbst hinauszuwachsen und die geistigen Kräfte zu aktivieren, hin zu einer größeren Ganzheit und Reife. Die Leute, die sich nicht dazu setzen wollen, sind von mir vielleicht auch gar nicht erwünscht, denn es spielt sich da etwas ab zwischen Christus und mir, in einer Eigendynamik des Selbst, bei der andere, auch die Apostel, nichts verloren haben. Die seltsame Zeichnung symbolisiert Erinnerungen, auch aus der Kindheit, und Inhalte des Unbewussten, die zwar sonderbar erscheinen mögen, die aber von großer Bedeutung sind, gerade auch in Anwesenheit des Göttlichen, und die es zu deuten, zu verstehen und umzusetzen gilt. Das Ganze hat natürlich gar nichts damit zu tun, in eine infantile Form von Religiosität zurückzufallen, sondern es zeigt die inneren Ressourcen, die zu mobilisieren sind, die aus dem Unbewussten im Traum aufleuchten und Hinweise für den weiteren Lebensweg geben. Man hatte vielleicht in einem gewissen Sinn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, als man sich krampfhaft und radikal vom Glauben lossagte, als einer Art Illusion und Elternersatz, von der man sich jetzt lösen musste. Nun galt es aber, die wahre „religiöse“ Einstellung zu erhalten, also die Offenheit für das Transzendente, das Streben nach der eigentlichen Ganzheit und Vollkommenheit, die insbesondere darin besteht, eine Integration und ein gelingendes Zusammenspiel zwischen dem persönlichen und kollektiven Unbewussten und dem Ich-Bewusstsein zu erreichen. Es geht letztlich um die Selbstwerdung! Ein anderer möglicher „Erlöser“ könnte auch der Psychoanalytiker sein, der im Traum als Christus erscheint und mit dem ich allein bin. Die Übertragungskomponente darf bei Analyseträumen wie auch bei Träumen während einer Psychotherapie nie aus den Augen verloren werden!

      Der nächste Traum handelt von der Arbeit als Psychologe und Psychotherapeut in einer Sonderschule für Kinder mit Sprachbehinderung. Es war meine erste Stelle als Psychologe. Ich befinde mich in einer der Schulklassen und diskutiere mit der Lehrerin wegen eines Jungen, dem es schlecht geht und der weint. Ich sage, dass er nicht zufrieden ist und dass ich mit ihm und mit der Lehrerin sprechen müsse. Danach muss ich warten und bin zusammen mit Kindern. Man macht mir Vorwürfe wegen eineinhalb Tagen pro Woche, die ich nicht in der Schule bin, sondern in Lausanne. Man vermutet, dass ich dort mit Schwestern (Klosterschwestern?) zusammen bin. Ich rechtfertige mich und verweise auf fehlende Informationen und Gerüchte.

      Konflikte gab es dort zu Hauff. Die Lehrerinnen verweisen auf die eigene Schulzeit, Kindheit, auch die „Schwestern“ (Schulschwestern?) Die Zeit in Lausanne war vorgesehen für die psychotherapeutische Weiterbildung. Ich hatte mir ausbedungen, dafür freigestellt zu werden, mit Bezahlung für eine volle Stelle, nutzte diese Zeit aber auch für einen Nebenjob, um die Analyse bezahlen zu können. Nicht ganz korrekt, aber von mir gerechtfertigt, da es ja ebenfalls der Fortbildung diente und diese ermöglichte.

      Die Lehrerin könnte erneut eine Animafigur verkörpern, wobei die strengen und kontrollierenden Aspekte hervortreten. Ich selbst bin wohl das Schulkind, das unzufrieden ist und weint, vermutlich wegen der Lehrerin. Man sollte sich darum kümmern und sich beide vorknöpfen, um Genaueres zu erfahren. Die Vorwürfe sind Selbstvorwürfe, vom Über-Ich ausgehend, da die Angelegenheit nicht ganz in Ordnung war. Die Schwestern haben wahrscheinlich mit der Zeit im Internat bei Klosterschwestern zu tun, wo eine Schulschwester aus Bayern in lebhafter Erinnerung geblieben ist. Sie war sehr streng und fordernd, mochte mich aber auch. Hinter ihrer unnahbaren Fassade (Persona) verbarg sich vermutlich sogar eine recht warmherzige und sensible Frau. Auf jeden Fall bemühten sich die Schwestern insgesamt, mich „auf Vordermann“ zu bringen und natürlich auch, meine Frömmigkeit zu fördern,