Satire satt 1. Wolf Buchinger

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Название Satire satt 1
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752901832



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ich bin stolz auf mich und meinen Erfolg, ich sehe Allah schon, ich bin schön geschminkt, ich …“

      Der Empfangschef

      Er muss wohl schon lange diese von ihm erfundene Rolle spielen, denn sein Sessel in der Eingangshalle des Altenwohnheims ist abgewetzt und der Lack an den Armlehnen ab. Er hat kein Zeitgefühl mehr, aber irgendwie kriegt er oben im dritten Stock mit, dass um Punkt acht Uhr für Besucher geöffnet wird, und spätestens nach einer Viertelstunde sitzt er auf seinem Logenplatz und überblickt den Eingang mit der behäbigen automatischen Tür, den Aufenthaltsraum und den Eingang zur Küche. Jeder, der bei ihm vorbeikommt, wird mit einem freudigen „Grüezi wohl!“ und einem jovialen Heben des Armes begrüßt. Menschen, die um ihn wissen, gehen zu ihm hin, schütteln die zittrigen Hände und stellen immer wieder die erwartete Frage: „Wann geht’s los?“ Dann leuchten seine Augen. Er setzt sich augenblicklich grade und sagt immer denselben Satz: „Am Samstag, ins Bündnerland geht’s nur am Samstag!“

      Besucher, die ihn nicht kennen, erfahren drei Sätze mehr: „Ich bin der Theodor. Ich komme aus Goldach. Ich habe am Rosenberg gewohnt.“ Recherchen haben ergeben, dass es in Goldach gar keinen Rosenberg gibt, in St.Gallen hat er auch nicht gelebt, also muss durch irgendeine für ihn wichtige Adresse seine Vergangenheit verändert worden sein.

      Theodor hat den ganzen Tag zu tun, denn viele Menschen kommen vorbei und seine ewigen Wiederholungen fallen ihm nicht auf, er hat trotz seines hohen Alters eine beachtliche Kondition und schafft an einem Morgen ohne Probleme 60 bis 80 Kontakte. Wenn es ruhiger wird, blitzt manchmal ein bubenhafter Blick in seinen Augen auf, er rutscht geschmeidig von seinem Sessel, geht leicht gebückt die acht Schritte zum Geschirrbuffet, tauscht in Sekunden Teetassen gegen Kaffeetassen um, huscht zum Sessel zurück und ruft der nächsten Angestellten mit spitzbübischem Ernst zu: „Ordnung machen!“ Man macht das Spiel mit und ruft zurück: „Wir werden uns bessern!“ Dann freut er sich, juchzt kurz vor Freude auf und stellt immer wieder fest: „Im Bündnerland wäre das nicht vorgekommen!“

      Wieso er dorthin fahren will, ob er dort jemanden kennt oder ob eine Jugendsehnsucht aus der Tiefe der Erinnerungen hochgedrungen ist, konnte man nicht feststellen, Theodor war immer Junggeselle und von seiner Familie gab es niemanden mehr. Die erwartete Reise in die Berge wird von den Pflegerinnen pragmatisch genutzt: Wenn es zum Essen, zum Schlafengehen oder zur Toilette geht, protestiert er nicht mehr vehement gegen das Verlassen seines Platzes als Empfangschef, man sagt ihm freundlich und bestimmt: „Es geht ins Bündnerland!“, und ohne Probleme folgt er den Anweisungen. Nach jeder Mahlzeit ist er der erste, der aufsteht und agil zu seinem Logenplatz zurück-kehrt, denn „man weiß nie, wann der Bus kommt!“

      Theodor war nur kurze Zeit krank. Im Bett liegen und nicht mehr seiner selbsternannten Aufgabe nachgehen können, nahm ihm zusehends die Kraft zu leben und sehr bald kam das schwarze Auto und holte ihn ab zu seiner letzten Reise.

      Im Foyer des Altersheimes fehlte nun den Besuchern Theodors Begrüßungszeremonie, also ließ man den Sessel stehen und stellte darauf ein großes Schild in gut lesbarer Computerschrift mit einem skizzierten Reisebus darunter: „Bin im Bündnerland.“

      Ganz stille Örtchen im Süden

      Fernab des Massentourismus, rustikale Einsamkeit mit Restaurants und Hotels wie zu Großmutters Zeiten sind ein aktueller Modetrend und lassen sich vor allem in südlichen Ländern finden. Nach der ruhigen Nacht mit Katzengeschrei und Vogelgesang ab vier Uhr, verlangen die hausgemachten, besonders gewürzten Speisen und ungewohnten Alkoholika des Vorabends eine Entlastung. Man sucht und findet im Hinterhof das überraschend moderne WC mit allem, was unsere Zeit zu bieten hat.

      Nur das große Schild mit der mehrsprachigen Information ist anders als bei uns daheim im „Rössli“: „Bitte legen Sie Ihr Klopapier in den danebenstehenden Behälter!“ Aha, ein Preis der Ursprünglichkeit, denn ihre Abflussrohre sind wahrscheinlich zu eng. Ja, der Reiseführer hatte vorgewarnt, aber gehofft hatte man, dass es einen selbst nicht trifft und erinnert sich nun an den heißen Tipp: „Legen Sie erst zwei saubere Blatt WC-Papier vor sich auf den Boden, kleben Sie das Ihrige Lage über Lage sorgsam darüber, knicken das fertige Ensemble zusammen und legen Sie es in den dafür vorgesehenen Behälter! So wird es eine saubere Sache.“

      Radikalpazifismus

      Unsere Welt ist friedlich. Zumindest im historischen Vergleich der letzten Jahrhunderte: Heute gibt es mindestens zwölf Prozent weniger Kriege und bei der verbalen Friedensbereitschaft wurden noch höhere Werte ermittelt.

      Gleichzeitig wächst die Zahl der Friedensaktivisten: Das sind Menschen, die konkret gegen den Krieg kämpfen. Auf Sitzungen. In Konferenzen. Mit Tagungen und Straßenumfragen. Selbst im Internet ist eine Friedensseite zu finden:

      Unter einer weißen, flatternden Taube mit Ölzweig im Schnabel steht der Anfang eines alten Kinderliedes: „Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, dein Vater ist in Afghanistanland, Syrienland, Judenland, Somalialand, Ukraineland; Maikäfer flieg und sag allen, dass wir Frieden wollen.“

      Ja, wir wollen ihn ganz fest. Wir haben uns vereinigt zu den weltoffenen und weltweiten Pazifisten! Wir sind überall, wir kämpfen überall für den Frieden. Wir kämpfen an allen Fronten: Für den Frieden. Wir kämpfen radikal. Für den Frieden. Wir sind die Radikalpazifisten. Ja, radikal setzen wir den Frieden durch: In einem Land helfen wir der Opposition, in einem anderen drohen wir mit der Atombombe, in einem weiteren Land bezahlen wir die Untergrundkämpfer; manchmal organisieren wir Streiks, manchmal sprengen wir Brücken; Aug‘ um Aug‘, Zahn um Zahn, Mann gegen Mann, Bomben für den Frieden. Immer nur kurzfristig, - der Zweck heiligt die Mittel, - höchstens fünf Jahre, selten länger.

      Radikal und pazifistisch werden wir den Frieden schon kriegen!

      Anti-Energy-Drink

      Die Wespe mag’s verwegen

      und rennt und rast entgegen

      aller Logik hoch nach oben,

      um sich am Flaschenkopfe auszutoben.

      Dank süßem Coca-Cola

      macht sie mit sich selbst La Ola,

      energetisch überladen

      in drogennahen Nebelschwaden.

      Sie dreht sich und dreht sich

      und merkt nicht und spürt nicht

      die Tiefe der Flasche von innen,

      und peng ist die gefangen da drinnen.

      Die Wespe ist von wegen

      Intelligenz sehr unterlegen:

      Sie müsste schnell nach oben krabbeln,

      doch sie will den Rest von Cola schnabbeln.

      Sie säuft und leckt und wird

      vom Coffein aggressiv verwirrt.

      Sie sollte schnell nach oben fliegen

      und bleibt stattdessen auf dem Rücken liegen.

      Sie strampelt wild und nippt das letzte Cola,

      sie wird schlapp, keine Kraft mehr für La Ola,

      sie ahnt das Ende und den Garaus

      summt nur noch: „Ich will raus, ich will raus!“

      Aus!

      Die Buddelbrocks

      „Schön Baby, dass wir uns hier getroffen haben, der Zufall spielt auf Glück. Also, ich bin der Hans-Peter. Du darfst aber auch Hampi sagen, das macht die Sache einfacher und vor allem schneller. Du trinkst sicher ein Glas Schampus mit mir! Nein! Das ist mir nicht zu teuer. Nein! Für dich ist mir nichts zu teuer. Du siehst blendend aus.