Satire satt 1. Wolf Buchinger

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Название Satire satt 1
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752901832



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      wird tagsüber wie ein Kanarienvogel

      vors Fenster gehängt

      und nachts mit einem Tuch zugedeckt.

      La Grande Nation und das Grand Lit

      Als Mitteleuropäer ist jeder sein eigenes Bett gewohnt; allein kann man darin gegen den Rest der Nacht kämpfen, sich umdrehen und wälzen, ganz wie es das Unterbewusstsein verlangt. Der Ehepartner kann im Nebenbett dasselbe tun; man ist sich nah, ohne sich nahe kommen zu müssen.

      Im Urlaub in Frankreich jedoch wird in etlichen Nächten der eheliche Konsens hart auf die Probe gestellt: Der warme Sommerabend, das ausgezeichnete Essen mit fünf Gängen und der süffige Rotwein lassen den Gang ins Bett oft früher notwendig werden als in unseren Breiten.

      Doch jetzt, ausgerechnet jetzt, unterscheiden sich unsere Gewohnheiten total von denen unseres miteuropäischen Nachbarn: zwei von drei Hotelbetten sind das so genannte Grand Lit - in der wörtlichen Übersetzung Großes Bett, – in der Realität aber kürzer und für zwei Personen kaum größer als unser heimisches Bett.

      Daran entzündet sich der Kampf der Geschlechter: Nehmen wir an, dass die Frau beim nächtlichen Schönheitsritual im Bad länger braucht als der Mann, so kann dieser erst einmal vom ganzen Grand Lit Gebrauch machen. Er legt sich in die Mitte, benutzt die ganze Bettdecke und ist, dank des besonderen Abends, schon am Einschlafen, wenn die Ehefrau mit sichtbar bösem Blick ihre fünfzig Prozent des sogenannten Großen Bettes in Beschlag nehmen will.

      Jetzt gibt es zwei verbale Kampfmöglichkeiten: Die Frankreich-erfahrene Frau wird es mit einem knappen »Rutsch rüber!« versuchen, die Frankreich-unerfahrene wird einen längeren Exkurs über das Ferienziel mit einem Bettenvergleich von Europa bis nach Tahiti anstellen.

      Der Grand Lit-erfahrene Mann darf sich von keiner Variante beeindrucken lassen, denn jedes freiwillige Zur-Seite-Rutschen würde bis zum Morgen einen gewaltigen Platzverlust zur Folge haben.

      Der Kampf tritt bald in die entscheidende Phase! Die Frau lässt sich mehr oder weniger geschickt in den verbleibenden kleinen Rest des Bettes mit einem Zipfelchen Decke fallen, in der Hoffnung, einen Teil davon ohne weiteres zu bekommen. Je nach Qualität ihres Beckenstoßes erreicht sie einen Platzgewinn von vier bis acht Zentimetern, der Rest ist in der Regel eine recht unerfreuliche Diskussion:

      Sie: »Ich habe zu wenig Platz!«

      Er: »Ich schlafe schon.«

      Sie: »Rutsch rüber!«

      Er: »Du könntest wenigstens ›bitte‹ sagen!«

      Sie: »Oh – rutsch bitte rüber!«

      Er: »Schrei doch nicht so! Es ist Nacht!«

      Sie: »Ich will auch schlafen!«

      Er: »Dann schlaf doch und lass mich in Ruh.«

      Sie: »Rutsch rüber!«

      Er: »Gute Nacht!«

      Der Rest der Diskussion läuft, je nach Zustand der Ehe, minutenlang weiter, deutlich hörbar in den nächsten drei bis sechs Zimmern, was wenig stört, denn entweder finden dort die gleichen Szenen unter Touristenpaaren statt oder ein französisches Ehepaar träumt bereits engumschlungen im Grand Lit in Morpheus Armen.

      Küssen müssen

      Damals, noch vor kurzen Jahren, waren die Frauen noch mäßig erfahren:

      Sie wollten heiraten und Kinder kriegen,

      sich an den Mann fürs Leben schmiegen;

      sie waren gut erzogen, leicht gehemmt,

      im Bett und im Leben etwas verklemmt.

      Sie konnten schmusen, streicheln, betören,

      wollten kochen, nähen, ja sogar zuhören.

      Sie lasen die „Bunte“ und die „Praline“,

      spielten Blockflöte, Klavier und Violine.

      Sie hielten ihren Mann stets gut im Futter und reisten auch allein mit den Kindern zur Mutter.

      Heut’ sind die Frauen total egoistisch,

      nur sie selbst, ihr Körper, der Rest nihilistisch.

      Sie wollen Karriere und keine Kinder,

      sie sehen kalt aus, das merkt selbst ein Blinder.

      Man streichelt ihre Haare und sticht sich daran,

      sie geben sich overcool und wirken profan:

       Ich möchte keine moderne Frau küssen müssen.

      Sie wollen auf dem Motorrad vorne sitzen

      und auch den neusten Computer besitzen.

      Sie lesen den „Spiegel“, die „Zeit“ und „Cash“,

      sie duzen den Chef und sind zu ihm frech.

      Sie gehen allein zum Juwelier,

      sie rauchen und kiffen und trinken Bier.

      Sie selbst bringen einen Flirt ins Rollen

      und sagen klar, wann sie wollen wollen.

      Im Bett sind sie dominante Amazonen

      definieren sofort erogene Zonen.

      Man wird verglichen mit Ex-Lover sieben und zu horrenden Höchstleistungen getrieben

      Allahs Gröβe

      „Ihr werdet stolz auf mich sein. Ich bin neunzehn und wollte eigentlich nie zwanzig werden. Ich möchte mit spätkindlichem Eifer diese Welt verlassen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, von Männern betatscht zu werden, mit ihnen Geschlechtsverkehr zu haben oder gar Mutter zu werden. Ich werde als Jungfrau die Ewigkeit betreten und Vorbild für alle sein. In Hunderten von Jahren wird man noch von mir sprechen. Mein Gedenkstein wird vor meinem Elternhaus stehen, alle werden kommen und sich an mich erinnern. Meine Eltern sind stolz. Meine Brüder wollten es auch tun, doch die Kommission hat mich ausgewählt, weil ich eine Frau bin und deshalb eine größere Chance hätte, durchzukommen. Es soll überhaupt nicht wehtun, hat mir der Ausbildner versprochen, man würde so erschrecken, dass man wie gelähmt nichts spürt. Ich mime eine Frau, die auf den Markt geht, traditionell wie meine Großmutter gekleidet. Meine Jugend sieht man mir nicht an, ich habe gelernt, gebeugt zu gehen. Nur in einem Punkt habe ich nicht gehorcht, und Allah möge mir in seiner Größe verzeihen: Ich habe mein Gesicht stark geschminkt, denn mein schöner Körper wird in kleinste Details zerfetzt werden, doch der Kopf wird wie ein Champagnerkorken weggesprengt und bleibt mehr oder weniger erhalten, irgendwo liegen. Und dann werden die Leute schauen, wie ich ausgesehen habe, Fotografien werden um die Welt gehen und mich berühmt machen.

      Und jetzt gehe ich die 388 Schritte, die ich in den letzten Wochen jeden Morgen zur genau gleichen Zeit gegangen bin, zum letzten Mal, um die Wachen an mich zu gewöhnen. Ich gehe eigentlich wie sonst. Unauffällig, doch etwas gespannter wegen der Freude, für unsere Gesellschaft etwas ganz Wichtiges tun zu können und Allah zufrieden zu stellen.

      Zwei meiner Brüder stehen bereits in sicherer Entfernung, um meine glanzvolle Tat ganz nah zu erleben. Das tut gut, sie noch einmal zu sehen.

      Tja Welt, adieu. Ich war nie so richtig auf dieser Erde, ich hatte immer das Gefühl, nur auf einem Bein zu stehen und mit dem anderen bald losspringen zu müssen.

      Jetzt ist es soweit. Noch sieben Schritte, ich nehme den Auslöser ganz langsam in die Hand, noch sechs Schritte, ich zwänge mich durch die Menge nach vorne, noch fünf, aua, das wäre beinahe schief gegangen, weil mir einer unabsichtlich in den Arm gegriffen hat, noch vier, ich muss noch etwas warten, noch drei, noch zwei - und jetzt geht es ab nach oben in den ewigen Himmel. Ich schwebe, ich bin