Mörderische Jagd. Klaas de Groot

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Название Mörderische Jagd
Автор произведения Klaas de Groot
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742757302



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früh war er auf die schiefe Bahn geraten. Es begann mit kleineren Diebstählen und setzte sich fort mit Einbrüchen, Hehlerei und Zuhälterei. Den Gipfel seiner Karriere erklomm er, als er die rechte Hand einer bekannten Rotlichtgröße wurde. Robby hatte eine athletische Figur, die er zu pflegen wusste. Er war geübt in Kampfsportarten und als Schläger gefürchtet. Da blieb es nicht aus, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam. Zu Anfang bekam er Bewährungsstrafen, doch dann musste er eine Gefängnisstrafe absitzen. Da es häufig um Bandenkriminalität ging, war das Landeskriminalamt für ihn „zuständig“, und dort hatte er es wiederholt mit einem Kriminalrat namens Bernhard Nilsson zu tun. Nilsson erkannte sehr schnell, dass sein Gegenüber bei den Verhören im Grunde ein armer Kerl war, der bisher nur keine Chance gehabt hatte, aus dem kriminellen Milieu herauszukommen. Er vermittelte ihm eine Stelle auf einem Schrottplatz, doch dort schien er vom Regen in die Traufe gekommen zu sein, denn kurze Zeit später hatte er ein Verfahren wegen Hehlerei am Hals. Schließlich wandte sich Nilsson an seinen Freund Michael Tegmark, der sich allerdings wenig begeistert zeigte, einen Gewohnheitskriminellen einzustellen. Schließlich gab er nach, und er sollte es nicht bereuen. Er stellte Robby als Pförtner ein, doch schon bald wurde er das „Mädchen für Alles“ des Labors. Er leistete Fahrdienste, war als Bürobote zu gebrauchen, kümmerte sich um die Fahrzeuge, und wurde so etwas wie der Werksschutz des Betriebes.

      Robby bedankte sich für die ihm gewährte Chance mit absoluter Treue. Er bewachte die Mitarbeiter des Labors wie ein Schäferhund seine Herde. Kam jemand in Schwierigkeiten, bekam der Verursacher es mit Robby zu tun. Als Michaels Sekretärin einem Heiratsschwindler auf den Leim gegangen war, dem sie einige tausend Euro lieh, die dieser zwar nahm, kurz darauf aber verschwand, brachte Robby die Sache wieder in Ordnung. Der Heiratsschwindler zahlte freiwillig, nachdem er nach dem Verlassen einer Kneipe eine Begegnung mit Robby gehabt hatte.

      Nun also stand er mit sorgenvoller Miene vor Michaels Schreibtisch und wartete auf die Antwort seines Chefs.

      „Was soll mir denn auf der Insel schon passieren“, sagte Michael lahm.

      Robby schüttelte den Kopf. „Wir wissen nicht, warum Ihr Bruder verschwunden ist. Man hat auf Sie geschossen. Wir können nicht ausschließen, dass Ihr Bruder in irgendeiner kriminellen Sache drinhängt“, zählte er auf. „Da ist schon zu befürchten, dass es gefährlich wird.“ Er beugte sich zu Michael hinüber. „Und, glauben Sie mir, Chef, ich kann mit solchen Leuten besser umgehen als Sie.“ Michael musste lachen. „Das glaube ich allerdings auch.“

      Er stand auf und schlug Robby auf die Schulter. Also, wir machen das so: Ich fahre erst einmal hin und sehe nach, ob er überhaupt da ist oder war. Wenn es brenzlig wird, rufe ich sofort an und Du kommst hoch.“

      Robby war nicht überzeugt, doch er nickte ergeben.

      „Tank den BMW auf, ich fahre morgen“, sagte Michael entschlossen.

      „In Ordnung, Chef“, antwortete Robby ergeben.

      6

      Zögernd folgte Michael dem heftig gestikulieren- den Einweiser und lenkte seinen Wagen in die schmale Nische auf dem Parkdeck der Borkumfähre „Ostfriesland“. Er kam der Stahlwand gefährlich nahe, doch es ging alles gut. Was für ein Aufwand, dachte er. Wenn Richard nun bloß ein paar Tage Auszeit genommen hat? Ist ihm klar, welche Aufregung und hektische Aktivität er damit ausgelöst hat? Nein, das würde Richard niemals tun. Sein Verschwinden kann nur mit Gewalt erfolgt sein.

      Michael warf die Autotür zu und ging über das Deck zur Treppe, die zu dem Passagierdeck führte. Er ist in Gefahr, anders kann es nicht sein. An die Möglichkeit, dass er vielleicht schon nicht mehr lebte, wollte er gar nicht erst denken. Ich muss so schnell wie möglich herausbekommen, wo er ist. Wenigstens einen Hinweis auf den Grund seines Verschwindens muss ich finden. Michael seufzte. Er ging durch die Reihen mit Tischen und Stühlen in Richtung Bug, am Restaurations-Tresen vorbei, setzte sich auf die Bank eines am Fenster stehenden Tisches und sah sich um. Nicht viele Passagiere hatte die Fähre. Für einen Tag mitten in der Woche im Februar wahrscheinlich nicht ungewöhnlich, dachte er. Es war keine Ferienzeit, und die Saison war noch in großer Ferne. Er stand auf, ging zum Tresen, ließ sich einen Cappuccino geben und bestellte ein Seelachsfilet mit Kartoffelsalat. Der Kassierer gab ihm einen Bon. „Die Nummer 86“, erklärte er, „sie werden aufgerufen.“ Michael kehrte zu seinem Tisch zurück und trank langsam seinen Cappuccino. Gelangweilt betrachtete er seine Umgebung. Am Tisch neben ihm hatte ein geschäftig wirkender Mann seinen Laptop ausgepackt und starrte nun auf den Bildschirm. Weiter hinten saß ein älteres Ehepaar. Zu der jungen Frau mit zwei Kindern, die zwei Tische weiter saß, hatte sich ein südländisch aussehender Mann gesellt. Er schäkerte mit den Kindern. Wohl der Ehemann, dachte Michael uninteressiert. Niemand interessierte sich für ihn.

      „Die 85 und die 86“, tönte es aus dem Lautsprecher. Sein Essen war fertig. Er holte es vom Tresen, kehrte zu seinem Tisch zurück und begann zu essen. Schnellimbissqualität zu Restaurantpreisen dachte er missmutig. Er aß die Hälfte und schob es dann weg. Der Mann am nächsten Tisch hämmerte hektisch auf die Tastatur seines Laptops. Die Kinder quengelten. Der Mann des Ehepaares hatte sich auf die Bank gelegt und schlief, seine Frau las. Michael machte es ihm nach, rollte seinen Mantel zusammen, legte sich auf die Bank und streckte die Beine aus. Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.

      Bogdan Romanov war wütend. Er stand mit seinem Leihwagen in der Autoschlange am Borkum Kai in Emden und wartete auf die Fähre. Was soll ich hier, dachte er, wenn der Kerl nicht in Frankfurt war, wo dann? Der verkriecht sich doch nicht auf einer Insel, da wäre er ja schön blöd. Er sah sich um. Die Schlange war kurz, nicht viele Leute fuhren zu dieser Jahreszeit nach Borkum. Bloß ich Idiot muss da hin, erregte er sich wieder. Gewohnheitsmäßig beobachtete er die Autos. Zwei LKW, ein Transporter einer Sanitärfirma, einige Kleinwagen mit Nummernschildern aus Leer und Aurich, ein großer Dunkelblauer BMW mit Düsseldorfer Kennzeichen, ein Motorrad.

      Der Fahrer des BMW stieg gerade aus. Moment, ist das nicht…? Romanov war sofort hellwach. Natürlich, kein Zweifel, das war der Bruder! Er rutschte in seinen Sitz, denn der Mann ging nicht weit von seinem Auto entfernt zum Abfertigungsgebäude. Romanov wartete. Zehn Minuten später kam der Mann zurück und setzte sich in sein Auto. Kurz darauf begann die Verladung. Romanov fuhr vor dem BMW auf das Schiff, ihm wurde ein Platz ganz vorne zugewiesen. Im Rückspiegel sah er, dass der BMW in eine Nische dirigiert wurde. Er blieb sitzen, bis der Bruder ausgestiegen war, dann verließ er sein Auto und folgte ihm in einigem Abstand. Er sah, wie er einen Tisch im vorderen Abteil wählte, sich setzte, dann aber zum Restaurations-Tresen ging. Als der Bruder sich zur Kasse wandte, ging Romanov hinter ihm vorbei und betrat das Abteil. Er sah einen jungen Mann, der gerade eine Tasche aufmachte, eine Frau etwa Mitte dreißig mit zwei kleineren Kindern, sowie ein älteres Ehepaar an einem der hinteren Tische. Fieberhaft überlegte er. Dann ging er wie zufällig an der Frau mit den Kindern vorbei. „Ihr seid ja zwei Süße“, sagte er zu den Kindern. Die Frau hob überrascht den Kopf. Romanov wandte sich der älteren der beiden Mädchen zu. „Wie alt bist Du denn?“ fragte er sie.

      „Ich gehe schon in die Schule“, antwortete das Mädchen stolz.

      „Kannst Du auch schon schreiben?“ fragte Romanov

      „`’türlich“, antwortete sie, „willst Du mal sehen?“ Romanov blickte zu der Frau und deutete auf einen Stuhl „Ist der Platz noch frei?“

      Die Frau zögerte. Sie sah den groß gewachsenen Mann prüfend an. Er sah gut aus mit seinen wilden kurzen Haaren, seinem dunklen Teint und seinem sinnlichen Mund.

      Sie deutete auf den Stuhl. „Bitte“, krächzte sie und räusperte sich.

      Romanov setzte sich und wandte sich der anderen Tochter zu, der Kleineren von den Beiden.

      „Und Du, kannst Du auch schon schreiben?“

      „Ich kann schon rechnen“, krähte sie. „Eins und Eins ist zwei“. Ihre Augen triumphierten.

      In dem Moment kam der Bruder wieder herein, ein Tablett in der Hand. Romanov beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er sah, wie der Mann herüberblickte und wandte sich