Mörderische Jagd. Klaas de Groot

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Название Mörderische Jagd
Автор произведения Klaas de Groot
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742757302



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einen geräumigen Treppenabsatz mit Eingangstüren rechts und links. Ein Fenster spendete Licht. Die helle Beleuchtung ließ nirgendwo eine dunkle Ecke erkennen.

      „Hattest Du schon aufgeschlossen? fragte er über die Schulter, wandte sich aber sogleich der Eingangstür der linken Wohnung zu. Nirgends war eine Beschädigung zu erkennen. Prüfend fuhr er mit der Hand über die Türfüllung. In Kopfhöhe entdeckte er eine Vertiefung, ein kleines Loch, in das er mit dem Finger nicht hinein kam.

      „Hast Du ein Taschenmesser dabei?“ fragte er Michael.

      „Nein“, antwortete dieser. „Wir können ja drinnen mal nachsehen.“

      Er schloss die Tür auf und ging zögernd hinein. Es roch staubig und ungelüftet, und er erwartete nicht, dass sein Bruder in der Wohnung war. Dennoch rief er laut: „Hallo! Richard, bist Du da?“

      Als er keine Antwort bekam, ging er weiter und öffnete eine Tür. Ein ordentlich aufgeräumtes Wohnzimmer war dahinter. Michael ging schnell zum Fenster und zog die Gardinen zurück. Ein kleiner Park, der sich hinter dem Haus hinzog, kam zum Vorschein. Regentropfen benetzten das Fenster. Er hörte Nilsson, der von Raum zu Raum ging, alle Türen öffnete und in jedes Zimmer prüfend hineinsah.

      „Hier ist er jedenfalls nicht“, bemerkte Nilsson. Er ging in die Küche, die peinlich sauber war, öffnete einige Schubladen, bis er eine mit Besteck fand, und nahm ein kleines Küchenmesser heraus. Damit ging er zur Eingangstür und betrachtete prüfend das Loch im Rahmen. Vorsichtig begann er, das Holz um das Loch herum weg zu schneiden. Nach kurzer Zeit sah er einen dunklen Gegenstand, der im Rahmen steckte.

      „Dachte ich mir`s doch“, murmelte er.

      Michael, der hinter ihn getreten war, wusste sofort, um was es sich handelte.

      „Sag mal, wie hast Du gestanden, als Dich der Schlag traf“, fragte Nilsson.

      Michael trat vor die Tür, nahm die Schlüssel in die Hand und tat so, als stecke er den ihn ins Schloss.

      „So etwa“, erklärte er. „Ich habe mich etwas zum Schloss hin gebückt, als es passierte.“

      Nilsson schlug ihm auf die Schulter. „Das hat Dir das Leben gerettet, alter Junge. Jetzt lass uns mal sehen, ob da drin das ist, was ich denke.“

      Er schälte das Holz um das kleine Loch noch großflächiger weg und drückte mit dem Messer vorsichtig auf den dunklen Gegenstand. Eine nur leicht verformte Kugel fiel in seine darunter gehaltene Hand.

      „Neun Millimeter“, sagte er mit belegter Stimme.

      Michael sah sich betroffen und verwirrt um. „Ich habe keinen Schuss gehört“, flüsterte er.

      „Ob da ein Schalldämpfer im Spiel war, lässt sich ja feststellen“, sagte Nilsson. Unschlüssig bewegte er die Kugel in seiner Hand. „Was machen wir jetzt damit?“

      Michael sah ihn fragend an.

      „Wenn ich die jetzt in die KTU gebe, dann dauert das. Komm mal wieder rein, wir müssen das ja nicht hier im Treppenhaus diskutieren.“

      Sie gingen beide ins Wohnzimmer, wo Nilsson sich vor das Fenster stellte und hinaussah.

      „Angenommen, Du hättest die Kugel erst morgen oder übermorgen gefunden, was macht das für einen Unterschied?“ sinnierte er.

      „Warum das denn?“ entgegnete Michael, doch dann verstand er plötzlich. „Du meinst, wir sollten die Kugel in meinem Labor zuerst untersuchen? Also… ja, na klar, der Polizei kann ich sie immer noch übergeben.“

      „Ich habe nichts gehört“, entgegnete Nilsson, wobei er die Kugel auf den Tisch legte. „Die Kugel liegt hier, Du hast sie gefunden. Was Du damit machst, kann ich nicht wissen.“

      „Natürlich nicht“, grinste Michael. Er packte die Kugel vorsichtig in ein Papiertaschentuch und steckte sie in seine Jackentasche. „Lass uns noch einmal durch die Wohnung gehen, ob wir irgendetwas finden, dann fahren wir zu Hess.“

      Während Nilsson in der Küche mit seiner Suche begann, ging Michael in das an das Wohnzimmer angrenzende Arbeitszimmer. Auch hier war alles aufgeräumt. Auf dem Schreibtisch lag nur ein unbeschriebener Block, neben ihm ein Stift. Er drückte die Wahlwiederholungstaste am Telefon. Brigittes Nummer. Zögernd öffnete er die Schubladen des Schreibtisches. Er fand das übliche Büromaterial, Scheckhefte, Notizen, Briefmarken. Nichts, was irgendwie ungewöhnlich gewesen wäre. Unter dem Schreibtisch, vor den Rollen des Stuhls, lag ein kleiner Zettel. Als er ihn aufhob, sah er, dass es ein Stück eines zerrissenen Computerausdrucks war. Es war eine reine Auflistung von Zahlen, der einzige Text, der noch erkennbar war, war ein durchgerissenes Wort: „…undung“. Wo war der Rest? Er sah im Papierkorb nach, doch der war leer. Es hatte sicher nichts zu bedeuten, aber einer Eingebung folgend, steckte er den Ausriss in seine Jackentasche.

      Er sah über die Regale, an denen nichts Auffälliges zu erkennen war und ging dann weiter ins Schlafzimmer. Auch hier war alles sauber. Er muss eine gute Putzfrau haben, dachte er zerstreut. Er hob die Decken des Doppelbettes hoch, doch außer einem gefalteten Schlafanzug war nichts zu sehen. Auf dem Nachttisch lag nichts außer einem Buch mit Lesezeichen. Zögernd ging er in den Flur, wo er auf Nilsson traf.

      „Küche, Bad, Toilette, Abstellraum, alles sauber, nichts zu finden“, berichtete dieser.

      „Ich habe auch nichts gefunden, unwahrscheinlich, dass er in den letzten Tagen hier war“, entgegnete Michael. „Lass uns zu Hess fahren.“

      3

      Der Bereichsvorstand Dr. Norbert Hess, ein kleiner Mann mit Halbglatze, saß in einem Ledersessel seines großen, mit modernen Stahlmöbeln eingerichteten Büros und nippte an einem Glas mit Mineralwasser.

      „Keine Ahnung, wo der abgeblieben sein könnte. Mit uns, das heißt mit der Bank, hat das jedenfalls nichts zu tun. Er ist nicht auf Dienstreise, soweit mir das bekannt ist.“

      Michael Tegmark setzte die Kaffeetasse ab. „Ich bin auch nur deshalb vorbeigekommen, weil ich gerade in Frankfurt bin“, sagte er. „Wir hätten das auch telefonisch besprechen können. Es hätte ja sein können, dass es einen dienstlichen Grund für sein Verschwinden gibt. Seine Frau macht sich jedenfalls große Sorgen.“

      „Das kann ich mir denken“, antwortete Hess, der seinen Arm lässig auf die Sessellehne legte und die Beine übereinander schlug.

      In großer Sorge ist er jedenfalls nicht, dachte Michael. „Wann haben Sie denn das letzte Mal mit ihm gesprochen?“, fragte er.

      Hess seufzte. „Tja, das kann ich im Moment gar nicht so genau beantworten. Ich glaube, so vor ein, zwei Tagen. Nein, warten Sie, jetzt fällt es mir wieder ein, es war Ende letzter Woche, also am Freitag. Wir sprachen über die Fortschritte eines neuen Buchungsprogramms. Reine Routine.“

      „Klang er irgendwie anders als sonst? War er aufgeregt, hat er irgendetwas Außergewöhnliches gesagt?“

      Hess trank noch einen Schluck Wasser. „Nein, absolut nicht. Es war alles so wie immer.“

      „Na, dann wollen wir Sie nicht länger stören.“ Michael stand auf. Nilsson folgte ihm, wandte sich aber noch einmal an Hess.

      „Wissen Sie, von wo er Sie letzte Woche angerufen hat?“

      „Hess sah ihn verdutzt an. „Na, von Düsseldorf doch wohl. Woher sonst?“

      „Aber Sie wissen das nicht mit Bestimmtheit“, hakte Nilsson nach.

      „Äh, nein, ich habe ihn nicht danach gefragt. Natürlich nicht.“

      „Ja danke, das wäre es schon“, sagte Nilsson und reichte ihm die Hand.

      „Was wollen Sie denn nun unternehmen?“ fragte Hess in oberflächlichem Ton, während er zur Tür ging.

      Michael blieb stehen. „In seiner Frankfurter Wohnung waren wir schon, da war er die letzten Tage offensichtlich nicht. Ich werde mich die nächste