Название | ALLES für NICHTS |
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Автор произведения | Volker Bauch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738014020 |
Ich erhielt die so genannte Erstausstattung, bestehend aus Tel ler, Schüssel, Besteck, Tasse, Decke, Bettwäsche. Alles war zu ei nem Bündel zusammengeschnürt. Weiter ging’s zum Aufnahme büro.
Mir kam es vor, als ob ich schon zig Kilometer durch die langen Gänge zurückgelegt hätte, um die jeweiligen Stellen zu erreichen. Immer wieder traf ich auf Gefangene, die irgendwelchen Tätigkei ten nachgingen.
Neugierig bemusterte man mich von oben bis unten. Andere taten vollkommen desinteressiert, als gäbe es mich gar nicht.
Irgendwie sahen alle gleich aus: Die Haare meist kurz gescho ren, nicht wenige waren glatzköpfig und hatten auffällige Täto wierungen an beiden Armen.
„Das Geld, das Sie bei sich hatten, wird auf ein Konto einge zahlt. Sie erhalten eine GefangenenNummer unter der Sie hier registriert sind. Sie können zwei Päckchen Tabak und Blättchen bekommen. Das buchen wir von Ihrem Konto ab. Bargeld dürfen Sie hier nicht bei sich haben“, erklärte der Beamte sachlich.
Ich nickte und steckte den Tabak ein.
Weiter ging’s durch unzählige Gänge, immer begleitet von neugierigen Blicken.
Ich versuchte, mir irgendwie eine Orientierung zu verschaffen. Alles sah gleich aus. Die einzelnen Flure mit den Zellentrakts, gingen sternförmig von einem zentralen Rund, in der Mitte des
Gebäudes, auseinander. Dies war die so genannte Zentrale. Jeder Zellentrakt bestand aus mindestens drei Etagen.
Mich brachte man in den Trakt für Untersuchungshäftlinge und Transporter. Der Gang war ebenerdig, Die vorletzte Zelle auf der rechten Seite sollte meine nächste Station werden.
Ich war froh, den Typen von den vergangenen zwei Tagen los zu sein. Doch ich sollte ihn noch mal wieder sehen.
Die Zellen schienen alle gleich zu sein. So auch meine Neue. Und sie war schon mit einem Mann belegt. Hinter mir fiel die Eisentür ins Schloss. Ich hörte, wie der Schlüssel sich drehte und der Riegel vorgeschoben wurde.
Etwas verschlafen drehte sich der Typ aus dem unteren Bett und kam auf mich zu.
„Ich heiße Michael“, und reichte mir die Hand.
„Volker! Hallo!“
Er hatte fast die gleiche Statur wie ich. Etwa 1,90 m groß, schlank und schwarze Haare. Er wirkte durchtrainiert.
„Du kannst das Bett oben nehmen. Unten bin ich schon. Für deine Sachen ist noch ein bisschen Platz im Schrank. Ist etwas eng, aber es geht schon. Willst du einen Kaffee? Ich habe noch heißes Wasser von heute morgen.“
Kaffee hatte ich seit Tagen nicht mehr getrunken.
Ich verstaute meine wenigen Utensilien, die ich hatte und machte das Bett.
Es war eng an dem Tisch mit den zwei kleinen Hockern. Vor mir dampfte eine Tasse mit löslichem Kaffee und ich nahm einen großen Schluck. Es tat gut.
„Nimmst du Zucker?“
„Ja bitte. Zwei Löffel.“
Nach Jahren drehte ich wieder mal eine Zigarette und bot Mi chael den Tabak an. Mir war kalt.
Ich blickte mich um. Dreckig und versifft war es hier. Die Klo schüssel hatte etliche Risse und das Waschbecken, das so klein war, dass gerade mal zwei Hände rein passten, hatte auch lange keinen Putzlappen mehr gesehen.
Das Mobiliar musste aus dem 2. Weltkrieg sein. Hinter mir war das Fenster mit dicken Gitterstäben gesichert und draußen zwit
scherten Vögel. Ich hatte das Gefühl, einen imaginären Strick um den Hals zu haben, der sich immer enger zuzog.
Nun war ich also ein Gefangener. Unterstes Glied in der Gesell schaft. Dieser Absturz war grandios.
Die Vorstellung, so die nächsten Jahre meines Lebens verbrin gen zu müssen, ließ mich erschaudern.
Ich dachte an die Kripo, die noch kommen wollte und etwas Hoffnung keimte in mir auf.
„Wie lange musst du hier bleiben?“
Michaels Frage riss mich aus meinen Gedanken.
„Ich weiß es nicht. Ich warte auf den Transport nach Kassel und auf die Kripo. Ich hoffe, dass ich in einer Woche hier weg bin.“
Ich konnte ein kleines Schmunzeln im Gesicht meines neuen Zellenkollegen erkennen.
„Rechne mal lieber mit zwei bis drei Wochen. Wenn du erst mal eingefahren bist, hat’s keiner mehr eilig.“
Wie Recht er doch behalten sollte!
„Bist du zum ersten Mal im Knast?“
„Absolut!“
„Und warum bist du hier?“ fragte Michael weiter.
Ich schilderte in kurzen Abschnitten meine Geschichte. Micha el nickte und drehte sich zwischendurch immer wieder eine Ziga rette.
„Ich bin seit drei Tagen hier und warte auf meinen Prozess. Der ist in 10 Tagen. Ich habe aber schon sieben Jahre in Frankfurt/ Oder gesessen.
Die haben noch eine alte Sache ausgegraben. Deshalb bin ich nach hier hin verlegt worden.“
Mehr wollte er nicht erzählen und mehr wollte ich auch gar nicht wissen.
Ich verzog mich erst mal auf das Bett und schloss die Augen. Die Nachmittagssonne schien direkt in mein Gesicht. Ich musste an Beate und die Kinder denken.
„Bleib liegen! Ich hole das Abendbrot rein“, sagte Michael als am späten Nachmittag die Tür aufgeschlossen wurde.
„Diese Zelle hat keinen Strom. Deshalb müssen wir uns mor gens und mittags bei der Essensausgabe heißes Wasser besorgen“, erklärte Michael. „Eine Thermoskanne habe ich.“
Niemand hatte mich bisher über die Abläufe hier informiert. Als Knastprofi entwickelte sich mein Zellenkollege langsam zu einer großen Hilfe.
„Freistunde ist täglich von 11 –12 Uhr. Den Rest des Tages sind wir eingeschlossen. Frühstück gibt es um 6 Uhr 30, Mittagessen um 12 Uhr, Abendbrot um 16 Uhr. Morgens ist immer ein Wa gen dabei, der Briefpapier, Umschläge und Formulare hat.
Wenn du etwas von den Vollzugsstellen willst, musst du das auf einem AnliegenFormular aufschreiben und morgens beim Früh stück abgeben.
Wenn du Geld hast, kannst du einmal in der Woche von einer Liste etwas einkaufen. Die muss bis donnerstags abgegeben werden und man bringt dir dann in der Woche darauf die Sachen in die Zelle. Duschen ist einmal in der Woche für die ganze Stati on.“
Duschen hatte ich bitternötig, aber dieser Tag war schon vorbei. Den Einkauf zu bestellen ging auch erst in der nächsten Woche. Rasierer und Zahnbürste hatten sie mir nicht gegeben. An Klei dung besaß ich nur das, was ich am Leibe trug.
Ich zog mich aus und wusch mich von Kopf bis Fuß. Das eiskal te Wasser kostete mich Überwindung.
Michael borgte mir ein Sweatshirt und hatte auch noch einen Nassrasierer und eine Zahnbürste übrig.
Unter kaltem Wasser schruppte ich meine Unterwäsche, Socken und Pullover. Bis morgen, so hoffte ich, würden die Sachen auf der Heizung getrocknet sein.
Ich musste auf die Toilette. Dafür gab’s als Sichtschutz eine auf klappbare Holzwand, die man vor sich stellte.
Als ich den Deckel hochklappte, verging mir fast alles. Das Ding war anscheinend seit Monaten nicht mehr gereinigt worden. Au gen zu und durch.
Die Sache war mehr als unangenehm. Nicht nur die Umstände, sondern auch die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum, sorgten für ein beklemmendes Gefühl.
Mein Leben hatte