Название | ALLES für NICHTS |
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Автор произведения | Volker Bauch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738014020 |
Völlig erschlagen setzte ich mich auf die Pritsche. Viel war auf mich eingeprasselt in den letzten Stunden. Gegessen hatte ich am Morgen das letzte Mal etwas. Aber ich verspürte keinen Hunger. Ich wollte rauchen und betätigte die Rufanlage, damit man mir Feuer bringt. Es dauerte über eine Stunde bis jemand kam.
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und die Ereignisse der letzten Monate und Jahre überrollten mich geradezu.
„Sollte alles umsonst gewesen sein? Alle Risiken, die ich einge gangen war? Die ganzen Entbehrungen? Alles für die Katz?“
An Schlaf war nicht zu denken. Beate würde sich bestimmt die Finger wund wählen, um mich zu erreichen. Aber wie sollte ich sie informieren? Ich musste rauchen und ging auf die Rufanlage. Wieder eine Stunde warten. So lief es die ganze Nacht bis zum Morgen.
Ich weiß nicht mehr wie spät es war, als die Tür aufging und man mir zwei Scheiben Brot und etwas Marmelade gab. Etwas musste ich essen, auch wenn mein Magen wie zugeschnürt war und ich keinen Hunger hatte.
Der Beamte, der mir circa eine Stunde später die Tür öffnete, war ein anderer als am Abend zuvor.
„Was ist mit meiner Aussage bei dem Wirtschaftsdezernat?“
Der Beamte reagierte mit Schulterzucken. „Davon weiß ich nichts! Sie werden jetzt mit dem Transport nach Moabit in die JVA gebracht. Ich nehme Ihr Anliegen auf und leite es an die Kollegen weiter. Die werden Sie dann in der JVA aufsuchen. Im Übrigen wartet man in Kassel schon sehnsüchtig auf Sie.“
„Bis dahin wird es zu spät sein“, entgegnete ich. „Bitte veranlas sen Sie sofort, dass Ihre Kollegen benachrichtigt werden.“
Den Raum, in den man mich brachte, kannte ich schon. Auch die verschiedenen Gestalten vom Vortag waren zum Teil die gleichen.
Mein Nachbar versuchte mir ein Gespräch aufzuzwingen:
„Weißt du Alter, es ist alles halb so wild. Mich haben sie mit ein paar Gramm Kokain erwischt. So ein Drecksbulle, als Junkie ver kleidet, hat mich hochgehen lassen. Kenne das Spielchen schon. Wird nicht viel geben, Allerhöchstens zwei Jahre. Haste mal was zum Drehen?“
Ich gab ihm eine von meinen letzten drei Zigaretten, damit er mich in Ruhe lässt. Nach weiteren drei Stunden des Wartens, hatte er meine Allerletzte auch noch erbettelt.
Endlich ging die Tür auf. Im Entenmarsch liefen wir durchs Gebäude zu einem bereitstehenden Bus, der keine Fenster hatte. Eingezwängt mit jeweils vier Mann in Zellenkabinen, fuhren wir circa eine Stunde durch Berlin.
Schemenhaft konnte ich erkennen, wie sich ein großes Tor öff nete. Langsam bewegte sich der Bus die letzten Meter.
„Nur raus hier“, dachte ich, „sonst erstickst du noch!“
Ein kurzer Blick verschaffte mir einen Eindruck über die Lage. Rundherum dicke Mauern und ein altertümliches Gebäude, schätzungsweise aus dem 18. Jahrhundert.
Wieder ging’s im Gänsemarsch in einen Sammelraum. Die Si tuation erinnerte mich zwangsläufig an einige Szenen aus dem
Film Papillon. Hier fehlten jetzt nur noch die Fußfesseln. Doch was spielt das für eine Rolle, ob man sich nur drei Meter oder nur 30 cm bewegen kann. Eingesperrt ist eingesperrt!
Je länger ich in der Sammelzelle saß, desto mulmiger wurde mir.
Knast kannte ich bisher nur aus den zwei Tagen in der Schweiz. Aber das hier würde wohl ein längerer Aufenthalt werden.
Ich hatte keinerlei Ahnung, was auf mich zukommen würde. Wie die meisten Leute, die noch nie mit Gefängnis in Berührung gekommen waren, bezog auch ich meine Informationen darüber aus diversen Medienberichten. Schlagzeilen, wie 5 Sterne hinter Gittern, Hotelvollzug, Ausgänge, Entlassung nach 2/3 der Zeit, prägten bisher mein Bild vom Knast. Ich sollte mich gründlich irren.
Die Aufnahmeprozedur lief wie am Fliessband:
Fotos machen, Fingerabdrücke geben, dann zurück in die Sam melzelle und ... warten. Und immer dieses Geräusch des Auf und Zuschließens und Riegelns von Türen.
Das Erfassen aller neuen Häftlinge dauerte bis zum späten Nachmittag. Danach bekam ich eine Zelle in der Aufnahmestation zu gewiesen, die ich mit einem weiteren Neuinhaftierten zu teilen hatte.
Ich kannte diesen Mann nicht und sollte nun die nächsten Tage und Nächte auf engstem Raum mit ihm verbringen. Ich hatte keine Ahnung, was für einen Hintergrund dieser Typ besaß, warum und weshalb er hier war, und ich fragte ihn auch nicht.
Von seiner Statur her wirkte er eher schmächtig. Ich tippte ihn auf etwa 30 Jahre.
Ich befand mich in einer Art Schockzustand durch die Erlebnisse in den letzten 48 Stunden. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Das Drumherum registrierte ich nur am Rande. Tisch, Stühle, Bett und eine total verdreckte Toilette nebst einer nicht minder versifften Waschgelegenheit nahm ich zwar wahr, aber mehr auch nicht.
Was ich sah, war das schwere Gitter vor dem Fenster. Das war er also: Der Blick von drinnen nach draußen. Für unbestimmte Zeit
auf ein paar Quadratmetern, zusammen mit einem wildfremden Menschen.
Das Abendbrot, das man uns reichte, rührte ich nicht an. Dafür hatte mein Zellengenosse umso größeren Appetit und aß meine Portion gleich mit.
„Wir sind viele draußen! Ganz viele!“ begann er zu erzählen.
„Sie werden kommen und mich rausholen. Jeden einzelnen wer den sie zur Verantwortung ziehen. Wart’ s nur ab!“
Er redete und redete und hörte nicht auf. Er merkte gar nicht, dass mich das alles überhaupt nicht interessierte.
Ich hatte mich inzwischen in die untere Etage dieses wackligen, doppelstöckigen Gestells, das sie Bett nannten, verkrochen. Mei ne Gedanken liefen im Kreis und irgendwann fiel ich in einen kurzen festen Schlaf.
Es war mitten in der Nacht, als ich unsanft wieder aufwachte. Der Typ über mir wälzte sich im Schlaf von einer Seite auf die andere. Das Bett war förmlich am Beben, Sein lautes Schnarchen hallte durch den ganzen Raum. Bis zum Morgen bekam ich kein Auge mehr zu.
Der neue Tag brachte eine weitere Prozedur: Der medizinische Check. Blutabnahme, Röntgen der Lunge, ärztliche Untersuchung und die Kontrolle sämtlicher Körperöffnungen auf Drogen. Die Sanis gingen dabei nicht gerade zimperlich vor. Es war demüti gend und schockierend für jemanden wie mich, der so etwas noch nie mitgemacht hatte.
Die Aktion dauerte den ganzen Tag, denn überall gab’s nur eins: Warten!
Ich hörte, dass ein Sozialarbeiter nach spätestens zwei Tagen die Neuaufnahmen zu einem Gespräch holen würde. Man brachte mich in sein Büro.
Von dort konnte ich zum ersten Mal nach meiner Festnahme mit Beate telefonieren. Ich musste mich kurz fassen und schilder te in Abrissen meine Situation und wo ich mich befand. Ich ver sprach, ihr zu schreiben. Am anderen Ende der Leitung hörte ich sie weinen.
In der Berliner Ferienwohnung, die ich gemietet hatte, befan den sich noch meine kompletten Sachen. Der Sozialarbeiter sagte
zu, sich darum zu kümmern. Ich hatte das Gefühl, dass alles ir gendwie endgültig war.
„Wie geht’s nun weiter?“ fragte ich den Sozialarbeiter.
„Wie ich den Unterlagen entnehmen kann, werden Sie mit dem nächsten Transport nach Kassel gebracht. Die gehen immer mitt wochs.“
Das hieß, circa eine Woche warten.
Ein Beamter holte mich ab und brachte mich auf die Kammer
„Wollen Sie Anstaltswäsche oder haben Sie private