Menosgada. Werner Karl

Читать онлайн.
Название Menosgada
Автор произведения Werner Karl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738084931



Скачать книгу

lang gezogene Gebäude bestand aus einem einzigen Innenraum, den man aber durch einige Behänge aus Stoffen und Fellen geschickt unterteilt hatte. Von seiner Position aus konnte der Germane den hintersten Teil nicht einsehen, vermutete daher dort die Schlafstätten der Fürstenfamilie. Zwei mit reichen Verzierungen ausgestattete Sitze dominierten den Raum. Mächtige Rückenlehnen aus massivem Holz dienten wohl nicht nur der Stütze, sondern auch als Schutz vor Meuchelmördern. Fürst Alaric und seine Gemahlin Brianna saßen darauf und ließen ihm Zeit sich umzusehen.

      Vor den beiden war ein Tisch aufgestellt, an dem mehr als zehn Personen Platz gehabt hätten, an dem jetzt aber nur noch zwei Kinder saßen. Ihre Tochter Kyla und ein etwas jüngerer Knabe, der sicher der Sohn der beiden war, denn er war Alaric wie aus dem Gesicht geschnitten.

      Zu beiden Seiten stützten Holzpfosten das Dach. An jedem waren Halter mit Kerzen angebracht, die ein überraschend helles Licht in der Mitte des Raumes verbreiteten. Arwed sah auch zwei große Feuerstellen, eine direkt vor ihm und eine weitere, die er zwischen den Herrscherstühlen hindurch erkennen konnte. Sie würden den Raum gut wärmen können, waren aber jetzt nicht entzündet.

      An den Wänden hingen mehrere Schilde, Speere, Äxte und Schwerter. Alles blitzte und schimmerte und zeugte von reger Pflege … und sicher auch vom Gebrauch. Schwere Truhen säumten die Wände und kündeten vom Reichtum des Herrschers und seiner Frau.

      Arwed hätte noch länger seinen Blick schweifen lassen können, weil er noch viele Dinge sah, die er gerne genauer betrachtet hätte, aber er wollte nicht unhöflich sein. Er verbeugte sich deutlich, aber nicht zu tief und wandte sich an das Paar.

      »Es erfüllt mich mit großer Freude, Fürst Alaric und Fürstin Brianna, dass Ihr mir die Ehre erweist, mit Euch ein Mahl einnehmen zu dürfen, da ich nur ein einfacher Händler bin.« Er warf einen Blick auf den reichlich gedeckten Tisch, auf dem eine riesige Schüssel stand, aus der es dampfte und verführerisch duftete. Brot, Käse und Krüge mit unbekanntem Inhalt warteten auf Zugriff und erst jetzt nahm er vier junge Mädchen wahr, die sich im dämmrigen Bereich hinter den Pfosten und Kerzen still verhalten hatten und nun auf ein geheimes Zeichen hin einen Schritt vortraten. Jede hatte eine Platte mit weiteren Speisen in den Händen.

      »Wir haben nicht oft Gelegenheit … Gäste zu uns an den Tisch einladen zu können, Bernsteinhändler«, begann Alaric und schien seine Schroffheit vom Vortag abgelegt zu haben. Er wies ihm mit einer Geste einen Platz am Ende der Tafel zu. »Es sind unruhige Zeiten und oft genug muss ich … Ankömmlinge mit Eisen in den Händen begrüßen. Somit ist die Freude auch auf unserer Seite, jemanden in unserer Stadt und unserem Haus zu empfangen, der sich mit schönen Dingen beschäftigt … und nicht mit Streit und Blut.«

      Brianna verzog bei diesen Worten fast unmerklich den Mund, aber Arwed war es trotzdem aufgefallen, weil er sich Mühe geben musste, sie nicht unentwegt anzustarren und dem Herrn der Kelten den ihm gebührenden Respekt zu zollen. Arwed nahm auf dem Stuhl Platz, auf den der Fürst deutete und nickte dabei seinem Gastgeber zu. Dann warf er einen kurzen Blick auf die Kinder.

      »Da Ihr es ansprecht, möchte ich mich erkundigen, ob Ihr Euch schon einen Reim auf … meinen Fund machen konntet?« Er hätte es nicht gewagt in Anwesenheit der Kinder die Sprache darauf zu bringen. Aber wenn ihr eigener Vater damit offenbar kein Problem hatte, warum sollte er sich dann zurückhalten? »Seid Ihr der gleichen Meinung wie der Anführer Eurer Reiter, dieser Wolfried?«

      »Ich würde es begrüßen, wenn wir dieses Thema nach dem Essen behandeln würden«, warf Brianna rasch ein und bedachte ihren Mann mit einem tadelnden Blick. »Lasst uns die Speisen und Getränke genießen. Die Kinder brennen darauf, das Haus zu verlassen und endlich wieder die Sonne genießen zu können.«

      Arwed sah, dass Alarics Blick auf seine Frau nur wenig dessen Unmut verbergen konnte. An seinen Gast gewandt, sagte er aber:

      »Brianna hat recht, Händler. Essen wir zunächst.«

      Geraume Zeit und einen vollen Bauch später sah Arwed den beiden Kindern nach, die mit einer Zofe und einer Sklavin das Haus verließen. Kyla mit einem neuen Armband aus einem Dutzend länglicher Bernsteine an der rechten Hand. Das Kind hatte sich wirklich über die Kette gefreut, dabei aber keinen unbeschwerten Ausdruck gezeigt, wie man es von einem reich beschenkten Kind hätte erwarten können.

      »Ich danke Euch, Fürst und Fürstin von Menosgada für Speise und Trank und den großzügigen Betrag für das Armband.« Er wandte sich Brianna zu. »Es tut mir leid, dass es Eure Tochter nicht gänzlich glücklich macht. Ich hätte noch wertvollere Stücke mit mir nehmen sollen. Aber dies ist meine erste Reise in dieses Land und daher wählte ich meine Ware wohl mit zu viel Bedacht.«

      »Es liegt nicht an Eurem Schmuck, Händler Arwed«, entgegnete die Fürstin und ließ sich von einer Sklavin nachschenken. »Er ist wunderschön und es dauert sicher eine Weile, bis die Tränen der Götter Kylas Gemüt erwärmen.« Sie nahm einen Schluck und zeigte wieder den traurigen Ausdruck, den sie schon bei ihrem ersten Treffen erkennen ließ. »Meine … unsere Tochter leidet unter Visionen …«

      »Träumen, Frau.«

      »Visionen!«

      Anstelle darauf einzugehen, wandte sich Alaric an Arwed. »Zu welchem Germanenstamm gehört Ihr, Händler?«

      »Zu den Friesen, Herr«, log er. »Wir leben an der Küste zum Nordmeer und pflegen regen Handel mit den Rus. Von ihnen stammt der Bernstein, den unsere Handwerker zu Schmuck verarbeiten.«

      »Eure Geschäfte führen Euch weit weg von der Heimat. Und dazu noch ganz allein«, fuhr Alaric fort, leerte seinen Krug und lehnte ab, als eine Sklavin ihn wieder füllen wollte. »Dazu seid Ihr eben Germane … die mit vielen Kelten nicht gerade in allerbester Freundschaft stehen.«

      »Nun, mein Stamm und natürlich ich selbst schon, Herr. Und wie Ihr sagt … mit vielen Kelten … aber nicht mit allen! Ich hörte, dass auch germanische Siedlungen ihre Probleme mit einfallenden Keltenstämmen hatten … und haben.« Dann versuchte er sich an einem verschwörerischen Lächeln. »Außerdem macht man gerade dort die besten Geschäfte, wo noch kein anderer war.«

      »Damit mögt Ihr Recht haben, Händler.« Alaric schien für einen Augenblick mit sich zu ringen, dann traf er sichtlich eine Entscheidung. »Nun, wir haben auch unsere Schwierigkeiten mit einigen unserer Nachbarn. Nicht mit jedem Stamm erheben wir die Krüge.«

      »Es kommt also auch unter den Kelten zu kriegerischen Handlungen, Herr«, resümierte Arwed. »Das überrascht mich nicht. Soweit ich gehört habe, scheinen sich hier Kelten und Germanen ähnlicher zu sein als die Römer.«

      »Es ist lange her, seit die Römer versucht haben, in dieses Land einzudringen. Bisher ist es ihnen nicht gelungen. Und auch Römer sind vor Verrat und Streitigkeiten nicht gefeit. Kaiser steigen und fallen durch Mord aus den eigenen Reihen, sogar aus der eigenen Familie.«

      Das letzte Wort stieß er so heftig hervor, dass sich Arwed fragte, ob Alarics Abscheu dem Meuchelmord an sich oder dem Verrat innerhalb der Familie galt. Wahrscheinlich beidem. Und in beidem musste er ihm zustimmen.

      Aber du bist nicht meine Familie, dachte der Germane. Unweigerlich fiel sein Blick auf die Gemahlin des Fürsten. Die missverstand seinen Blick als Aufforderung.

      »Ich bewundere Euren Mut, Arwed. Nicht nur, dass Ihr allein durch ein fremdes Land reist, bepackt mit wahren Schätzen. Dazu umgeben von Völkern und Stämmen, die euch töten könnten, bevor Ihr auch ein Wort erheben könntet. Nein, Ihr wagt euch sogar mit der Leiche eines Kindes zu uns!« Sie warf einen kurzen Blick zu ihrem Mann, dann fügte sie hinzu: »Dabei habt Ihr die verräterische Spur an der Wunde übersehen … und schon gar nicht deren Bedeutung gekannt. Oder irre ich mich?«

       Endlich kommen wir zur Sache.

      »Weder das eine noch das andere. Und zu meinem Mut kann ich nur wiederholen, was ich Wolfried antwortete: Es macht keinen Sinn, die Kinder seiner Kundschaft abzuschlachten, nicht wahr?« Als beide nicht darauf reagierten, wagte er die Frage, die ihm beinahe schon die Zunge verbrannte. »Was hat es mit den Schwarzen Kriegern auf sich, die Wolfried erwähnte? Zu welchem