Menosgada. Werner Karl

Читать онлайн.
Название Menosgada
Автор произведения Werner Karl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738084931



Скачать книгу

in seinen Schoß hinein. »So sind wir wieder vereint. Ich werde dafür sorgen, dass sie uns füttern werden … dich mit Fleisch … und mich mit ihren Seelen.«

      Während er die Schlange streichelte, murmelte er uralte Worte, die sich zu einem schwarzen Schemen verdichteten und grob die Gestalt eines Mannes annahmen. Als Mahiman verstummte, sprach der Schemen mit kaum wahrnehmbarer Stimme.

      »Was befiehlst du, Meister?«

      »Geh hinab in das nächste Dorf und töte alle, die du dort findest! Lasse niemanden entkommen! Und achte auf ihre Kinder, sie verstecken sich in allen möglichen Löchern. Ganz besonders verlange ich ihren Tod.«

      »Ganz wie du es wünscht, Meister«, sagte der Schemen und ging auf unsichtbaren Füßen davon.

      Kapitel VII: Der Tod ist schwarz

      Der Fischer war noch jung, vielleicht 16 oder 17 Sommer alt, aber er warf das Netz schon mit geübtem Schwung in den See. Mit Genugtuung verfolgte er dessen Flug und die perfekte Ausbreitung. Mit leisem Klatschen fiel es ins Wasser und sank – von ein paar kleinen Gewichten gezogen – rasch nach unten. Er wartete nicht lange, sondern zog mit gleichmäßigen Bewegungen an den Leinen, um das Netz unter Wasser zu schließen, langsam wieder nach oben und zu sich ans Ufer zu ziehen. Das zunehmende Gewicht verriet ihm, dass er einen guten Fang machen würde.

      Zwei Frauen standen hinter ihm mit Körben bereit, um die Fische aufzunehmen und gleich, nachdem sie erstickt waren, mit dem Ausnehmen und Einsalzen beginnen zu können. Einen Teil würden sie aber für das heutige Abendessen behalten und am offenen Feuer rösten. Er glaubte den Geruch des abendlichen Feuers bereits jetzt riechen zu können, als er das Netz zur Hälfte aus dem Wasser gezerrt hatte, so freute er sich über den erfolgreichen Fang.

      Die Sonne stand zwar noch am Himmel, aber der Tag war schon weit vorangeschritten. Er blickte zum Horizont und schätzte, dass er noch zwei oder drei Würfe schaffen könnte, bevor die Sonne hinter dem Waldrand verschwinden würde.

      Rings um ihn zeigten auch andere Dorfbewohner, dass sie mit ihrem Tagwerk zu Ende kamen und manche luden schon geschlagenes Holz auf Karren, schöpften noch einmal ihre Krüge voll Wasser und wechselten frohe Sprüche mit den anderen, die noch nicht soweit waren.

      Der Fischer stemmte seine Füße in den Boden und mit einem letzten Ruck hatte er das Netz komplett an Land gezogen. Er drehte sich um, weil er die Frauen zur Eile auffordern wollte. Als er aber ihre Gesichter sah und gleichzeitig wirklich den Geruch von Rauch wahrnahm, ließ er die Fangleinen sinken. Das Entsetzen in den Augen der Frauen, ihre zu starren Säulen verkrampften Körper und ihr offensichtliches Unvermögen Angst- oder Hilferufe auszustoßen, ließen ihm selbst die Gänsehaut aufsteigen und sich langsam wieder umdrehen.

      Zunächst sah er den Grund für ihr Verhalten nicht und vermutete schon, dass sie ihm einen Streich spielen wollten.

      Doch dann sah er ihn.

      Den Schatten am anderen Ufer.

      Seine Arbeit mit dem Netz hatte den jungen Fischer abgelenkt, denn der Schemen stand in gerader Linie dort, wo sein Blick gelandet wäre, hätte er nicht aufs Wasser gesehen.

      Zwischen den Bäumen ragte ein Wesen auf, das er erst auf den zweiten Blick als Pferd und Reiter erkannte. Wobei erkennen nicht der richtige Ausdruck war. Das dunkle Wabern hatte keine festen Konturen. Nur die groben Umrisse formten ein riesiges Streitross und einen ebenso mächtigen Krieger, der auf ihm saß. Auf dem Kopf drohte ein Helm, finster wie die Nacht, zwei große Hörner krümmten sich zu beiden Seiten nach unten.

      Der junge Fischer schluckte und konnte fast nicht atmen. Mit jedem Heben und Senken seiner Brust wurde der Brandgeruch stärker, der über den See wie ein unsichtbarer Vorbote kroch. Doch die Gestalt brannte nicht.

       Woher kommt also der Qualm?

      Als hätte der Krieger seinen Gedanken vernommen, glommen plötzlich anstelle von Augen kleine Flammen in dem schwarzen Gesicht auf. Gelbe, züngelnde Lichter, die nicht Wärme versprachen, sondern Leid und Tod.

      Wieder schluckte der Fischer und fand endlich seine Stimme wieder. Aber anstatt eines Warnrufes verließ nur ein grauenvoller Schrei seinen Mund und er wandte sich zur Flucht.

      Nur weg vom See, dachte er und ahnte nicht, dass dies die einzige Chance gewesen wäre, sein Leben zu retten. Auch alle anderen um ihn herum nahmen die Flucht auf. Die erfahreneren und älteren Männer ahnten, dass sie es nie ins Dorf zurückschaffen würden. Also schnappten sie sich alles, was sie als Waffe benutzen konnten. Viel war es nicht. Zwei Jagdspeere, eine Handvoll Messer - eher zum Ausweiden von Beute gedacht, denn zum Kampf -, eine klägliche Anzahl von Äxten zum Baumfällen, dazu ein paar Heugabeln. Mehr nicht.

      Die Frauen und einige größere Kinder ließen alles stehen und liegen und flohen Richtung Dorf. Dort würden sie sicher die anderen Männer alarmieren. Doch auch sie waren nur Bauern und Handwerker, keine Krieger.

      Die Männer am See wussten dies und formierten sich in einer Linie, ängstlich ihre kümmerlichen Waffen umklammernd.

      Die Gestalt am anderen Ufer schien dies aus flammenden Augen zu beobachten und rührte sich erst, als einer der Männer einen als kämpferisch gedachten Ruf ausstieß, dem sich die anderen ebenso erfolglos anschlossen.

      Es war für sie grässlich mitanzusehen, wie sich nun Pferd und Reiter bewegten. Kein Hufschlag war zu hören, kein Schnauben aus hinter finsteren Schwaden sich blähenden Nüstern. Nur ein Fauchen wie aus einem Blasebalg, der ein Feuer anfachte. Anstelle von Waffengeklirr drang ein schreckliches Knistern zu ihnen, das sich anhörte als würden Scheiterhaufen zusammenrutschen und zu Kohle verbranntes Fleisch sich in unsagbarer Qual bewegen. Sie konnten nicht ahnen, dass sie damit der Wahrheit sehr nahe gekommen wären. Mit fliehenden Sprüngen schoss das Pferd um den See herum, peinlich den Abstand zum Wasser wahrend. Als das schreckliche Paar die Hälfte des Sees umrundet hatte, zog der Reiter eine Klinge. Noch nie hatte einer der Kelten des Dorfes eine abscheulichere Waffe gesehen.

      Lang und mit breiter Klinge aus pechschwarzem Eisen. Beide Kanten zeigten eine Vielzahl von Kerben, die von häufigem Gebrauch kündeten. Aber das war noch nicht das Schlimmste an ihr. Dies waren die Flammen, die heftig loderten und Schwaden beißenden Rußes von sich stießen. Der Reiter hielt die Waffe lässig in seiner Rechten und setzte – ob nun mit Unbedacht oder voller Absicht – einen Baum nach dem anderen in Brand. Die Spur aus brennenden Bäumen schuf ein feuriges Gegenstück zur Sonne, die nun den See in blutrotes Licht tauchte.

      Die Männer sahen es als böses Omen an.

      Und hatten Recht damit.

      Drei der Bauern wandten sich zur Flucht, als der Krieger sie erreichte, ein anderer stand still und pisste sich ein. Dann trennte ein flammender Hieb seinen Kopf von den Schultern und er sackte in seine eigene Pisse. Zwei Holzfäller hackten nach der Stelle, an der sie ein Bein des Reiters vermuten durften. Denn sehen konnten sie es nicht. Alles nur schwarz und verschwommen. Rasende Schatten, die den Tod mit jedem Streich verteilten. Die Bauern und Handwerker fielen wie Halme unter der Sichel. Keiner hatte auch nur den Hauch einer Chance, den dunklen Krieger zu verletzen, geschweige denn, ihm eine tödliche Wunde zuzufügen.

      Der junge Fischer starb als letzter und seine gebrochenen Augen starrten den fliehenden Frauen und Kindern hinterher, die allesamt Bekanntschaft mit der Feuerklinge machten.

      Die anderen Dorfbewohner hörten zwar ein paar Schreie aus der Ferne. Aber bis sich einige entschlossen, zum See zu eilen und dort nach dem Rechten zu sehen, war der schwarze Krieger schon da. Er brauchte für das ganze Dorf gerade so lange, bis die Sonne endgültig versank und das gnädige Tuch der Nacht über das Gemetzel fiel.

      Ein Junge war in die Nacht gerannt und wollte zu seinem kleinen Boot am Fluss fliehen. Er erreichte es zwar, doch dem Reiter entkam er nicht …

      Kapitel VIII: Im Tal des Menos

      Der Fluss strömte ruhig durch sein Bett, das in sanften Mäandern die Landschaft