Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk

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Название Für Freiheit, Lincoln und Lee
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738064353



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werden würden, musste zwangsläufig dazu führen, dass der sklavenfreie Norden immer stärker wurde und sich das Stimmenverhältnis immer weiter gegen den Süden verlagern musste. Da jeder neue Mitgliedsstaat der Union in Senat und Kongress vertreten war, würde der Norden dadurch in die Lage versetzt, Gesetze zu verabschieden, die von den Staaten des Südens nicht verhindert werden konnten.

      Im Jahr 1854 war es allerdings noch so, dass der Senat der Vereinigten Staaten von Nordamerika die Stimme von wenigstens sechs Repräsentanten der Südstaaten benötigte, um die Besiedlung der Territorien und den Bau der transkontinentalen Eisenbahn beschließen zu können. Um die geplante Ausdehnung der Union in den Westen zu ermöglichen, kam es zu einem neuerlichen Kompromiss, welcher den Missouri-Beschluss aufweichte. Das Leibeigenschaftsverbot für die neuen Gebiete wurde aufgehoben, und Sklavenhalter wie Nichtsklavenhalter wurden gleichberechtigt auf eine Stufe gestellt.

      Der Süden war mit dieser Regelung zufrieden, doch bei den Gegnern der Sklaverei löste der erneute Kompromiss einen wütenden und emotional geführten Proteststurm aus. Angeheizt wurde die Stimmung durch leidenschaftliche Reden und den Nachdruck den Buches „Onkel Toms Hütte“. Zudem herrschte in diesen Monaten auch noch Wahlkampf.

      Abraham Lincoln kam aus ärmlichen Verhältnissen und war in Kentucky aufgewachsen. Er schaffte es, Rechtsanwalt zu werden und war ein leidenschaftlicher und durchaus schlagfertiger Redner. Lincoln war ein ausgesprochener Gegner der Sklaverei, die er für menschenunwürdig hielt, doch zugleich ein fast schwärmerischer Verfechter des Gedankens der Union. Wenn er in seinen Reden leidenschaftlich gegen die Sklaverei auftrat, suchte er zugleich nach einem Weg, die Wogen zwischen Norden und Süden zu glätten, um die Gemeinschaft der Union zu beschwören.

      Abraham Lincoln war der Auffassung, die Gründerväter der Vereinigten Staaten hätten sich gegen die Sklaverei ausgesprochen. In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung habe man festgelegt, dass alle Menschen gleich seien. Auch wenn viele Gründerväter selbst Sklaven besessen hätten, so vertraten sie doch eine grundsätzliche Ablehnung der Sklaverei. Darum habe man in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Nordamerika auch nie von Sklaven, sondern von gedungenen Personen gesprochen. Lincoln argumentierte, die Gründerväter der Union hätten sich 1807 immerhin für das Verbot des afrikanischen Sklavenhandels eingesetzt. Er vertrat vehement den Standpunkt, dass die Versklavung eines Menschen niemals gerechtfertigt sein könne.

      Dem Abgeordneten Lincoln war klar, dass er mit dieser Auffassung, entgegen seiner Absicht, eine Lunte an die Gegensätze zwischen Norden und Süden legte. Da dies seinem Ziel, die Union zu erhalten, entgegen lief, versuchte er eine Brücke zu den Sklavenstaaten zu bauen. Er bekannte, dass die Sklavenhalterstaaten für den Ursprung der Sklaverei nicht verantwortlicher seien, als die Staaten des Nordens. Und dass die Abschaffung dieser Institution, auf der ein großer Teil der Wirtschaftskraft des Südens beruhe, sehr schwierig sei. Lincoln musste eingestehen, dass er für die Lösung der Sklavereifrage keine Antwort wusste.

      Was hätte man mit befreiten Sklaven anfangen sollen? Sie politisch und gesellschaftlich mit Weißen gleichzustellen, wäre selbst von der großen Mehrheit im Norden nicht akzeptiert worden. Die Mehrheit der Bevölkerung im Norden mochte durchaus für die Befreiung der Schwarzen vom Joch der Sklaverei sein, doch es gab keine einheitliche Vorstellung, was die Farbigen mit ihrer Freiheit anfangen konnten und sollten. Die Palette der Meinungen erstreckte sich von Gleichgültigkeit über Gleichberechtigung, hin zu gerechter Entlohnung oder der Deportation in die Ursprungsländer.

      Lincoln vertrat allerdings klar die Meinung, dass die Sklavenfrage niemals die Angelegenheit eines einzelnen Mitgliedsstaates der Union sein könne. Sie sei immer auch eine moralische Frage der gesamten Gesellschaft und somit der Union. Er machte die Frage der Sklaverei zu einer moralischen Angelegenheit der Nation und trieb, wohl ohne dies zu wollen, einen weiteren Keil zwischen die unterschiedlichen Auffassungen.

      Für die deutschen Demokraten, wie Carl Schurz und Friedrich Baumgart, stellte sich die eigentümliche Erkenntnis, dass die demokratische Partei im Parlament, nach ihrer Auffassung, überwiegend antidemokratische Grundeinstellungen hatte. In ihr sammelten sich die Sklavereibefürworter, wohingegen Lincolns republikanische Partei gegen die Sklaverei eintrat. Dabei waren die Grenzen durchaus fließend. Es gab etliche Republikaner, die im Grunde nichts gegen die Sklaverei hatten. Bei den Republikanern wurde allerdings deutlich, dass der Erhalt der gemeinsamen Union für sie im Vordergrund stand, wohingegen die Demokraten dies nicht unter allen Umständen wollten. Das Wohl der Gemeinschaft traf auf das Recht des Einzelnen.

      Die Mehrheit der Wähler im Norden schien die Auffassung Abraham Lincolns zu teilen. Die Demokraten mussten bei den Wahlen des Jahres 1854 empfindliche Verluste hinnehmen, während die Republikaner, mit zwei Ausnahmen, die Wahlen in den sklavenfreien Staaten der Union für sich entschieden.

      Kapitel 7 1855 - Neue Leben

      Friedrich betrachtete die Brille prüfend. Der Rahmen war in Ordnung, aber einer der Bügel war abgerissen und das rechte Glas hatte einen Sprung. Er blickte den Kunden an. „Lässt sich durchaus reparieren, mein Herr. Aber es würde sich vielleicht eine neue empfehlen.“

      Neben ihm blickte Fürchtegott Trautmayer kurz auf und lächelte kopfschüttelnd. Der Kunde bemerkte es. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

      Fürchtegott klemmte sein Monokel vor das Auge und sah den Mann treuherzig an. „Ich denke, mein Geselle hat Recht, Sir. Eine neue Brille täte da wohl schon richtig sein.“

      Fürchtegott war ein waschechter Bayer und nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Außer vielleicht, wenn ein Preuße in den Laden gekommen wäre. Fürchtegott kämpfte einst noch für den Bayernkönig gegen die Preußen und empfand sofort Sympathie für Friedrich, als er erfuhr, dass auch dieser gegen den preußischen König gekämpft hatte. Friedrich hatte es nicht als passend empfunden, ausdrücklich zu erwähnen, dass sein Kampf eher aus einer raschen Absetzbewegung ins Ausland bestanden hatte. Immerhin hätte er ja tatsächlich fast gegen die königlichen Truppen gekämpft. Fürchtegott war nicht unbedingt ein Demokrat und Revolutionär. Er konnte die vollständige Ahnenreihe bayerischer Herzoge, Fürsten und Könige im Schlaf herunterleiern und Friedrich hatte den Verdacht, dass sein Meister dies gelegentlich auch tat. Aber Fürchtegott Trautmayer war ein feiner Kerl. Etwas verschroben, aber auf seine Art liebenswert. Er hatte Friedrich bei sich aufgenommen und ihn sein Handwerk als optischer Schleifer gelehrt.

      Der Kunde zuckte die Achseln. „Nun, ich denke, ich nehme eine Neue.“

      Fürchtegott erhob sich von seinem Schemel und trat vor. „Wenn ich dem Herrn ein paar ausgesuchte Exemplare zeigen darf? Soll es eine metallene sein oder eine aus feinem Schildpatt?“

      Der Kunde wollte lieber eine Brille aus Schildpatt. Es gab auch solche aus Hornmaterial, die Friedrich bevorzugte, da sie sich etwas leichter bearbeiten ließen, als die aus Schildpatt. Der Mann ließ sich eine Auswahl zeigen. Eigentlich gab es keine großen Unterschiede. Die Größen variierten ein wenig, doch die Form war bei allen Rund. Kreisrund oder oval. Der Mann begutachtete einige Exemplare und Fürchtegott Trautmayer bemerkte die Probleme, welche der Mann beim Lesen hatte.

      „Die Arme werden schon ein wenig kurz, nicht wahr?“ Fürchtegott lächelte gewinnend. „Bei mir ist es ja das Alter, aber bei Ihrer Jugend, gnädiger Herr, wird es wohl die viele Arbeit sein.“

      Der Mann lachte. „Ja, es ist ein Kreuz mit den Augen. Sie wollen mir wohl eine zweite Brille aufschwatzen? Eine zum Schauen und eine zum Lesen? Tüchtig, tüchtig, ihr Deutschen.“

      Fürchtegott hob abwehrend die Hände. „Aber nein, mein Herr. Übrigens, da habe ich etwas ganz neues für Sie. Eine Brille, mit welcher man gleichermaßen in der Ferne und der Nähe schauen kann.“

      „Wie soll das gehen?“ Der Mann sah ihn verwundert an.

      Der grauhaarige Bayer beugte sich leicht vor, nahm die beschädigte Brille des Kunden auf und hielt sie hoch. „Sehen Sie hier den Sprung im Brillenglas, Euer Gnaden? Stellen Sie sich den Sprung einmal längs vor, über das ganze Glas gehend. Nur, dass es kein Sprung ist, sondern zwei halbe Gläser. Mit dem unteren Glas seht Ihr