Der Agentenjäger. Peter Schmidt

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Название Der Agentenjäger
Автор произведения Peter Schmidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654704



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Hand wechselnder Chefs, die so unnahbar wie Kometen an ihm vorübergezogen waren, schätzte Ross es nicht sonderlich, wenn man Sonderwünsche äußerte. Er bereitete sich darauf vor, die höchste Stufe in der Hierarchie zu erklimmen – vergeblich, wie man in der Organisation mit gewohnter Schadenfreude orakelte –, und auf diesem dornenreichen Weg erschien ihm selbst der harmlos gemeinte Vorschlag eines Auslandsauftrags als Einmischung in die Planungen der Führungsspitze. Das galt noch strikter für Aufträge, die wie dieser so weit außerhalb von Fabers gewohnten Aufgaben lagen.

      Ross und Marten hatten ihn nach allen Regeln der Kunst davon zu überzeugen versucht, dass ein Geheimnisträger seines Ranges besser im eigenen Land blieb. Deshalb hatte Ross‘ plötzliches Einlenken zwei Tage nach dem ergebnislosen Treffen mit Leas Anwalt in Faber sofort den Verdacht erregt, sie seien ihm auf der Spur.

      Aber genaugenommen gab es dafür keine Beweise. Er versuchte sich auszumalen, wie sie reagieren würden, wenn sie entdeckten, dass er sich schon ziemlich weit vorgewagt hatte – vorgewagt ohne Ergebnis für Lea … Es fiel nicht zu seinen Gunsten aus. Er war dankbar für die Ablenkungen der Reise.

      Einer der Indios im Bus bekreuzigte sich, und die anderen stimmten in sein Gebetsmurmeln ein. Der Mischwald war unvermittelt zum Regenwald geworden …

      «Was ist los?», fragte Faber.

      «Sie glauben, dass im Dschungel dvendes hausen, kleine, über und über mit grauem Haar bedeckte Männchen, die jedem den Daumen abschneiden, der nicht achtgibt.»

      «Den Daumen?», fragte er verständnislos. «Wozu?»

      «Ich weiß nicht … vielleicht, weil sie selbst keinen haben.»

      Fabers Blick streifte skeptisch die wie in Erwartung kommenden Unheils dasitzenden Gestalten. «Deshalb verstecken sie ihre Hände in den Hosentaschen?»

      «Man kann nie wissen.»

      «Ist das nicht reichlich abwegig? Wenn man bedenkt, wer ihre wirklichen Feinde sind?»

      «Wen haben Sie denn da im Auge?»

      «Die Militärs zum Beispiel. Oder die Amerikaner. United Brands, Castle & Cook, Del Monte, die Nachfolger der United-Fruit-Company.»

      «Das sagen Sie – als Mitarbeiter eines westlichen Geheimdienstes?»

      «Sie werden mich doch deswegen nicht bei Ihrem Vorgesetzten anschwärzen?»

      «Hängt ganz von Ihren Manieren ab.»

      Die Landschaft nahm unvermittelt das Aussehen eines schmierigen braunen Sandkastens an.

      Baril lag in einer Senke, es war nicht mehr als eine Ansammlung verstreuter ein- und zweistöckiger Häuser, zum Zentrum hin etwas dichter, mit der Maisbierbrauerei und dem zerschossenen Kirchturm inmitten eines vertrockneten Parks, um den sich sonnendurchglühte Gassen gruppierten; streunende Hunde, so gelb wie der Straßenstaub, schienen ihre einzigen Bewohner zu sein.

      Doch dann öffnete sich für Sekunden der Blick auf den im Schatten großer Hallen liegenden Marktplatz, und sie sahen, dass sich dort zwischen schwerbeladenen Obst- und Gemüseständen halb Baril ein Stelldichein gab.

      Am Ortseingang, vor der einzigen Erhebung, die für den Kampf gegen die Guerillas strategisch bedeutsam war – einem etwa fünfzehn Meter hohen Basaltstein –‚ wurden sie von der üblichen Zivilpatrouille gestoppt.

      Indios mit den Gesichtern früh gealterter Kinder sammelten ihre Pässe und Papiere ein. Sie stiegen aus und vertraten sich die Füße unter der Felswand.

      Das Ganze kam Faber wie die Aufführung eines schäbigen Hinterhoftheaters vor. Er war ziemlich sicher, dass niemand in der Zivilpatrouille einwandfrei lesen konnte; die dunkelhäutigen Gestalten in ihrer zerlumpten Kleidung ließen sich nur von den amtlich aussehenden Stempeln ihrer Pässe beeindrucken.

      Keiner der Einheimischen war ohne Genehmigung unterwegs, und Gringos betrachtete man offenbar immer als Touristen, wenn sie nicht gerade der kommunistischen Untergrundtätigkeit verdächtigt wurden. Diesmal winkte man sie durch.

      «Goldstein arbeitet drüben in dem Projekt hinter den Hügeln», sagte Corinna, als sie neben der Post hielten. «Von hier aus ist es nicht zu sehen.»

      «Und Reubens Hotel?», fragte er.

      «Das Gebäude neben dem Wollbaum.»

      Fabers Blick folgte ihrer ausgestreckten Hand. Der zweistöckige Bau besaß eine umlaufende Holzgalerie, die momentan zum Trocknen von weißen Bettlaken zweckentfremdet wurde und dem Dachgeschoss das Aussehen eines in Tücher gehüllten, überdimensionalen Sitzmöbels verlieh.

      Sie betraten das Hotel nicht durch die große dunkle Halle, weil dort gesägt und gehämmert wurde, sondern über den Eingang der cantina. Der Wirt war damit beschäftigt, die Außenseite eines schmierig aussehenden Glaskastens zu polieren. Faber fragte ihn nach Zimmern.

      «Doppelzimmer?»

      «Zwei Einzel», sagte Corinna.

      «Hier nimmt‘s niemand wegen des Trauscheins so genau», meinte der Wirt und wischte mit einer Armbewegung über die am Tisch sitzenden Einheimischen hinweg, als seien es Gespenster. «Erst recht nicht bei Fremden. Wenn Sie ein Doppel wünschen …?»

      «Geht in Ordnung», nickte Faber.

      «Unterstehen Sie sich», sagte Corinna; sie begann ihren Meldezettel auszufüllen. «Wir sind dienstlich unterwegs.»

      Faber zwinkerte dem Wirt zu. Sein Gesicht war feist und stoppelig und erinnerte ihn an einen Griechen, den er vor vielen Jahren gekannt hatte. Er trug seinen Namen – Baredo – als kleinen gestickten Schriftzug am Hemd.

      «Die Betten ... Señorita – ich mache Sie darauf aufmerksam, dass sie in den Doppelzimmern wesentlich besser sind. Stabiler. Natürlich können Sie auch zwei Doppel bekommen. Für acht Quetzal Aufschlag.»

      «Geben Sie uns zwei Einzel.»

      «Wie Sie wünschen.»

      Als Faber sich unter der altmodischen Dusche etwas frisch gemacht und sein Hemd gewechselt hatte, ging er hinunter, um sich eine Flasche amerikanischen Whisky für den Abend zu besorgen. Er rundete den Betrag von sechzehn auf zwanzig Quetzal ab, und diese Großzügigkeit verfehlte ihre Wirkung nicht. Baredo, der das Hotel von seiner Mutter geerbt hatte, bat ihn nach hinten in sein Privatzimmer, wo zwischen den dunklen spanischen Möbeln unter dem Deckenventilator zwei gemusterte Hängematten gespannt waren, und lud ihn zu einer Flasche einheimischem Maisbier ein.

      «Aus der örtlichen Brauerei, Señor. Besseres Bier als in der Hauptstadt.»

      Faber nahm dankend an.

      Er setzte sich in eine der beiden Matten. Zwischen den Möbeln waren – wie vor Altarbildchen – unter den gerahmten Fotografien seiner Ahnen brennende Kerzen aufgestellt. Hagere, von der Arbeit auf den Feldern ausgebrannte Bauerngesichter.

      «Reubens Zimmer …», begann er zögernd nach der dritten Flasche Maisbier.

      «Ja? »

      «Er war doch Ihr Gast, nicht wahr?»

      «Sicher, Señor. Es liegt direkt neben Ihrem.»

      «Und seine Arbeit? Ich meine – in diesen Ort kommt ja wohl kaum jemand als Tourist?»

      «Das will ich nicht sagen …»

      «Natürlich müssen Sie Ihre Sommerfrische verteidigen, Baredo. Dafür habe ich volles Verständnis. Aber unter Brüdern – was trieb er wirklich hier?»

      «Niemand wusste es.»

      «Hat er denn nicht länger bei Ihnen gewohnt?»

      «Nun, er hatte das Zimmer für sechs volle Wochen bezahlt, mit der Ankündigung, so lange zu bleiben, wie er brauchte. Und jetzt ist es von der Polizei versiegelt. Bis zur Klärung seiner Todesursache.»

      «Verstehe.»

      Sie tranken schweigend.

      «Bleiplombe?»,