Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle. Sabine Ibing

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Название Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle
Автор произведения Sabine Ibing
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738033816



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      »Karl!«, Sophie empörte sich und sah ihn mit verschränkten Armen an. »Ich denke, als Erstes bringe ich dir Benehmen bei!«

      Gleich in der Früh hatte Karl einen Kundentermin. Er holte Sophie danach ab und sie schlenderten zur Kleinmarkthalle. Schon seit dem Morgen freute er sich auf Sushi, doch Sophie zog ihn an einen anderen Stand: Austern mit Champagner.

      »Ich mag keine Austern«, sagte er leise.

      »Sei kein Spielverderber! Wann hast du das letzte Mal welche gegessen?«, Sophies Stimme hatte einen gebieterischen Ton angenommen.

      »Das ist 20 Jahre her. Ich mag sie nicht!«, entgegnete Karl patzig. Sein Ekel drückte sich durch eine Stirnfalte aus.

      Sophie hatte bereits zwei Portionen bestellt. Der Kellner stellte einen Teller auf ihren Stehtisch, die Muscheln lagen auf Crasheis, umgeben von Zitronenstückchen. Dazu gab es einen Brotkorb mit Baguettescheiben und eine Schüssel mit warmem Zitronenwasser, um die Finger zu waschen, und natürlich Champagner. Geschickt fischte Sophie eine der geöffneten Austern, spritzte etwas Zitronensaft darüber, löste mit einer kleinen Gabel das Fleisch vom Austernpunkt, hob sie an ihren Mund, schlürfte den Inhalt heraus und kaute genüsslich auf der Muschel. Dann drückte sie Karl die Nächste in die Hand.

      Widerwillig tropfte er Zitronensaft darauf, hob die Auster an, sog das Fleisch in den Mund und schluckte alles in einem Zug herunter. »Boah«, schüttelte er sich, »das ist, wie einem toten Mann die Nase auszulutschen!« Er langte nach dem Weißbrot und steckte es in den Mund, griff eine weitere Scheibe, beträufelte sie mit Olivenöl, das auf dem Tisch stand, und stopfte auch diese gierig zwischen die Zähne.

      »Karl! Du bist eklig! Den Appetit verdirbst du mir trotzdem nicht!«, meinte Sophie schnippisch und schnappte sich die nächste Auster.

      Im Grunde genommen trafen Austern nicht Sophies Geschmack, doch es waren Austern und dazu gab es Champagner. Sie wusste auch nicht, warum manche Leute Kaviar so sehr liebten. Es war ein komisches Gefühl, wenn man auf diese gummiartigen Fischeier biss, bis sie endlich platzten, die letztendlich nur salzig schmeckten. Aber es war nun mal Kaviar und dazu gab es Champagner. Trüffel hingegen mochte sie wirklich gern. Am liebsten den weißen Alba-Trüffel, dessen Aroma auf der Zunge zerging!

      BERLIN

      (Hugo Barradon: Es heißt jetzt nicht mehr Dieb, sondern Fachkraft für spontane Eigentumsübertragung.)

      »Nun beruhigen Sie sich doch, Herr Barradon! Wenn ich Sie recht verstanden habe, hat Ihre Frau Ihr Haus verkauft und ist mit dem Familienschmuck und den Antiquitäten auf und davon?«

      »Ja, eh, meen Haus, ihr Haus, dit is verzwickt. Is meen Haus. Ja. Aber irjendwie is dat uffen Papier ihr Haus, verstehen Se dat nich?«

      »Erklären Sie mir das noch einmal der Reihe nach.« Der Anwalt verlangte über die Gegensprechanlage zwei Tassen Kaffee.

      Hugo Barradon holte tief Luft. »Ick hab Sophie vor zwölf Jahren jeheiratet. Sie war als Touristin in Berlin, hab se am Wannsee kennenjelernt. Sie kommt aus eenem Dorf bei Burgdorf, hatte nüscht als ihre Kleider am Leib. Sie war so bezaubernd, wissen se, wie eene Fee. Nur Flüjel hatte se keene.« Hugos Stimme hatte einen warmen Ton angenommen, seine Augen schauten entrückt an die Decke. »Damals hab ick meenen Elektrikerbetrieb jerade auf Solardächer umjestellt. Vor sieben Jahren sind meene Eltern jestorben. Na erst der Papa, Herzinfarkt, eenfach tot. Dann die Mama, Krebs. Dit war vor fünf Jahren. Zu der Zeit wollt ick noch mal richtich investieren, den Betrieb verjrößern. Ick hat nen Haus jeerbt. Wir sind eene alte Hujenottenfamilie1 aus Frankreich, alteinjesessene Joldschmiede. Darum heßen ja och alle Männer bei uns Hugo, zumindest die Erstjeborenen. Ick betreibe och Ahnenforschung, kann die Familie bis 1421 in Burgund zurückverfoljen.«

      Sebastian Rother trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Seine Sekretärin servierte den Kaffee. »Sie sind kein Goldschmied, machen wir bei Ihnen weiter, nicht bei den Ahnen. Was genau hat ihre Frau angestellt?« Der Anwalt schaute nervös auf die Uhr.

      »Ja natürlich«, Hugo strich sich über seinen lichten Haarkranz oberhalb der Ohren und erzählte weiter: »Meene Eltern hatten een Haus, wat wir verkoften. Ick wollt ja nich, aber Sophie war der Jarten zu jroß, sie und Jartenarbeit, na ja. Da jab et noch schöne Joldschmiedearbeiten im Erbe, eene Familiensammlung. Ick sollte dit Handwerk übernehmen. Die Fummelei war aber nüscht für mich und kunstbejabt bin ick och nich. Komme eher nach den Jänsebeinen, Jänsebein, so hieß meene Mutter.« Der Anwalt trommelte wieder, kaute auf seinem Brillenbügel.

      Hugo nippte an der Tasse. »Wir hatten och Antiquitäten jeerbt, Familienstücke, wa, meen Vater liebte Art déco. War nüscht im Krieg kaputtjegangen, allet ausjelagert auf dem Hof vom Cousin, weit ab vom Schuss. Ick hatte dit Jeld vom Erbe und vom verkoften Haus in Tierjarten. Dann bauten wir een Haus in Jrunewald, musste ja Jrunewald sein, Sophie bestand druff. Ick erweiterte dat Jeschäft und jründete eene GmbH. Solardächer kamen damals auf, keener wusste, ob man da Jeld machen kann. Unser Steuerberater jab zu bedenken, en Handwerk könne pleite jehen, wir sollten uns absichern. Seine Idee war, dit Haus uf meene Frau überschreiben zu lassen, ebenso den Familjenschmuck, Auto, Antiquitäten und dit Jeld. Sie hat der Firma Jeld jeliehen, damit ick erweitern konnte. Dit kann man so absetzen. Verstehen Se, sie hat mir sozusajen meen eijent Jeld jeliehen. Et jibt da einen Ratenvertrach. Würde die Firma pleite jehen, jeht keiner nich an mein Privatvermöjen. - Jott, war dit dämlich! Die Olle is mit allem auf und davon! Da brat‘ mir doch eener nen Storch, aber de Beene recht knusprich bitte!« Hugo zog eine säuerliche Mine.

      »Ist das notariell erfasst?«, wollte Rother wissen.

      »Jawoll, mit Brief und Siejel, allet amtlich. Sojar der Besitz von Schmuck und Antiquitäten, allet einzeln uffjeführt.«

      »Wie ging das mit dem Verkauf des Hauses vonstatten?«, fragte Rother.

      »Freitachabend komm ick nach Hause, da liegt da ein Brief inne Küche«, berichtete Hugo und reichte Rother das Papier.

      Der las laut vor: »Lieber Hugo, ich habe das Haus zum ersten November verkauft. Die Küche und die Badeinrichtung inklusive. Die restlichen Möbel im Haus belasse ich bei dir in guten Händen. Du hast noch genügend Zeit, dir eine neue Bleibe zu suchen. Wir beide sind uns fremd geworden, das weißt du genauso wie ich. Ich werde die Scheidung einreichen, mein Anwalt wird dich kontaktieren. Sei gegrüßt, Sophie«. Der Anwalt machte eine Pause, bevor er fortfuhr: »Herr Barradon, haben Sie schon ein Schreiben von dem Anwalt erhalten?«

      »Ne. - Ick wees nich mal, wo se is!« Wütend haute Hugo mit der Faust auf den Tisch. Die Tasse klirrte auf dem Unterteller. Er rieb sich den Handballen. »Wissen Se, was se mir jelassen hat? Ne zehn Jahre alte Waschmaschine, een Ikea-Schlafzimmer, och 10 Jahre alt. Meenen ollen Schreibtisch mit Rejal für die Firma, was ick so zu Hause rumliejen habe. Von ihren Klamotten hat se nur das Beste einjesteckt, der Rest hängt im Schrank. Nen Wintermantel hab ick ihr letztes Jahr jekoft, hat tausend Euro jekostet. Hat se nich mitjenommen. Seit meene Eltern tot sind, isse völlich abjedreht, hat nur so teuret Zeug jekoft. Die soll ja nich bei Klamottenaujust shoppen oder bei KIK. Aber Peek & Cloppenburch und die kleenen Boutiquen bei uns waren ihr nich mehr fein jenuch. Markenware is nich gleich Markenware hat se jesacht. Uffn Kuhdamm isse, koofte Unter den Linden und in der Französischen Straße, hat nur noble Klamotten mitjebracht. Wo will die dit anziehen? Meene Freunde haben schon über Barby, wie sie se nannten, jelästert. Sie hatte keene Freunde, fand alle Leute doof und blöd. Da haben wir jestritten, klar. Und im Frühjahr hat se neue Terrassenmöbel jekoft, ohne Absprache, hat meene Hollywoodschaukel und den Strandkorb wegjeschmissen. Zehntausendzweihundert Euro haben die neuen Sachen jekostet.« flötete er. »Sofa mit Beleuchtung unterm Arsch, wo jibbet denn sowat für die Terrasse? Broch keen Mensch. Sitzen kann man da nich, nur liejen. Und wenn du dir ne Wurscht grillst, weste nich mehr, wo du se essen sollst! Is wie bei de Japanern, allet uffn Boden. Kriegste Rückenschmerzen. Klar hab ick jemeckert. Da muss och noch ne Essecke her für den Jarten, weil ick jenörgelt hab.«

      Roter schmunzelte, wie sich Barradon in Rage redete und fragte: »Hat sie