Название | Frau mit Grill sucht Mann mit Kohle |
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Автор произведения | Sabine Ibing |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738033816 |
Sie stand mutterseelenallein im Treppenhaus und dachte an die letzten Jahre zurück. Auf ihre Familie konnte sie nicht zurückgreifen. Niemand von denen würde sie je verstehen. Die Ehe mit Hugo hatte sich zum Desaster entwickelt. Sogenannte Freunde entpuppten sich letztendlich immer wieder als Menschen, die nur in guten Zeiten etwas von einem wissen wollten. Es gab nur noch sie. Alle anderen hatten sie im Stich gelassen. Sophie war 49 Jahre alt, lebte von ihrem Mann in Trennung und wollte hier in Frankfurt neu beginnen. Einöde überzog ihren Alltag, von Anfang an. Sie hasste ihr Leben, so wie es sich bisher gestaltet hatte. Und dann war sie Karl begegnet! Einmal im Leben hat jeder Glück, so ihre Devise. Und jetzt war sie dran.
Ihr Blick fiel auf die Uhr: Vierzehn Uhr, heute war der Dreizehnte. Sophies Herz klopfte und sie ging im Kopf nochmals durch, wie sie Karl begrüßen wollte. Sie zögerte, auf die Türklingel zu drücken. Die lange Autofahrt war anstrengend gewesen, sie schwitzte. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, Karl rief laut: »Herzlich willkommen!«
Er drückte sie heftig an sich. Der Rosenstrauß, den er hielt, wurde zwischen ihren Körpern zerquetscht. Er zog sie in das Appartement hinein und schloss die Tür. Mit der rechten Hand fuhr er durch ihr Haar, zog sie sanft heran, grub sein Gesicht in ihre Locken und sog den Duft ein.
»Karl, der Umzugswagen ...« Er schnitt ihre Worte mit einem kräftigen Kuss ab. Sophie entwand sich seiner Umarmung.
»Der Umzugswagen muss gleich da sein.« Sie hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange.
»Was interessieren mich deine paar Möbel, ich bin froh, dass du endlich hier bist!« entgegnete Karl und umschloss sie erneut fest.
Sie trat einen Schritt zurück, lächelte ihn an und sagte mit leiser aber bestimmter Stimme: »Später mein Herz, wir können die Jungs nicht warten lassen.« Mit diesen Worten verschwand Sophie im Treppenhaus. Karl blickte ihr nach. Die großen Locken ihrer fuchsroten Haare wippten auf ihrem Rücken. Das enge Minikleid umschmeichelte ihren Leib. Ihre Körperhaltung und ihre grazilen, fließenden Bewegungen erinnerten an eine Ballerina. Sie schien fast über dem Boden zu schweben. Sie wirkte auf ihn wie ein scheues Rehkitz so allein vor dem Fahrstuhl. Er sog ihren Geruch von schwerem Parfum ein, folgte ihr, ergriff ihre Taille, zog Sophie an sich und sagte: »Dann wollen wir mal!«
Als die beiden aus dem Haus traten, suchte im selben Augenblick der Lkw des Umzugsunternehmens nach einem Parkplatz. Karl hielt den Truck an und dirigierte ihn in die Tiefgarage. Die Männer sprangen heraus und öffneten die hintere Tür.
»Sag mal Sophie«, Karl blickte überrascht auf den großen Wagen, »was hast du alles mitgebracht?«
»Nur das, was wir noch brauchen. Ich kann doch nicht meine schönen Möbel zurücklassen!« Hilfe suchend schaute sie Karl an. »Das sieht nur nach viel aus, weil es gut verpackt ist.«
»Also«, fragte einer der Umzugsleute, »wohin mit dem ganzen Zeug?«
»In die vierte Etage«, wandte sich Karl an den Mann. »Dort drüben ist der Fahrstuhl, ich habe einen Schlüssel, damit sie ihn blockieren können.«
Beschwingt stieg Sophie mit Karl in den Lift, während er kopfschüttelnd auf den Lkw blickte. Oben angekommen rollten die Burschen Filzfolien auf dem Parkett aus. Karl und Sophie hatten ein neues Schlafzimmer gekauft – bezahlt von ihm, ausgesucht von ihr. Den Rest der Einrichtung wollte Sophie mitbringen, das war die Absprache. Die Einbaumöbel von Küche und Bad gehörten zum Appartement. Bis auf den Schlafraum standen die anderen Zimmer noch leer. Sophie besaß in allen Dingen einen erlesenen Geschmack, zweifellos wären ihre Einrichtungsgegenstände akzeptabel, ging es Karl durch den Kopf. Er wusste nicht, worauf er sich eingelassen hatte. Aber das war egal, Hauptsache, Sophie zog bei ihm ein. Möbel waren Möbel.
»Bitte, Karl, geh aus dem Weg. Wie wäre es, wenn du dich auf die Terrasse begibst, einen Stuhl bekommst du gleich«, dirigierte Sophie.
Die beiden Tischler stellten zwei Fiberglasplatten auf flache Sockel, befestigten die Rückwände daran und setzten sie L-förmig zusammen. Schon wurden die dunkelgrauen Sitzmatten aus weicher Kunstfaser und Rückenstützen aufgelegt. Einer der Männer prüfte die Beleuchtung der Sitzmöbel, die sich am Fußbereich im Sockel befand. Sophie brachte die hellen Kissen nach draußen. Während die Burschen den Tisch montierten, kam Sophie mit Champagner aus der Küche.
»Ein bisschen japanisch angehaucht, nicht wahr? Ich liebe diese Sitzecke!« sagte Sophie, als sie sich aufs Sofa plumpsen ließ.
Karl setzte sich neben sie. »Nicht schlecht, die Couch. Der Tisch erinnert eher an einen Springbrunnen. Das war bestimmt sündhaft teuer.«
»Habt ihr Kerle immer nur Geld im Kopf? Genieß es!« Sophie verdrehte die Augen.
»Das ist ganz schön tief. Bekommt man hier keine Rückenschmerzen? Und wie isst man, ohne sich zu bekleckern?«, grinste Karl, der sich zum Tisch beugte und die terrassenförmigen Platten betrachtete.
»Schatz, das ist eine Sitzecke! Nahrung und Zaster, typisch Mann, nur das im Hirn.« Sophie zog einen Schmollmund. »Ich gehe wieder rein, irgendwer muss denen ja erklären, wohin die Möbel gestellt werden sollen!«
Karl lehnte sich auf das Geländer der Terrasse und blickte über den Westhafen. Die kleinen Boote schaukelten bei leichter Brise an der Anlegestelle. Er hatte Sophie vor vier Monaten auf Mallorca kennengelernt und sich auf der Stelle in die zierliche Rothaarige verliebt. Eines Tages stand sie wie aus dem Nichts in seinem Büro und fragte nach Appartements. Er fühlte sich sofort angezogen von ihrer fröhlich-naiven Art und ihrer femininen Ausstrahlung: erotisch, ein wenig lasziv, gleichzeitig unnahbar. Sie besaß die Aura einer Grand Dame, ihr Duft betörte ihn, hinterließ einen Rausch des Verlangens.
Während der Besichtigungen erzählte sie ihm, dass sie getrennt von ihrem Mann lebe. Sie wohnten zwar zusammen im gemeinsamen Haus in Berlin, aber der Gatte, der unter der Woche als Unternehmer unterwegs war, kam nur noch selten heim. Sie sagte, er sei meist bei seiner Freundin, man habe sich im Guten geeinigt. Auch Karl war seine Ehe mit Alexandra unerträglich geworden – wobei: Unerträglich war falsch. Sie verstanden sich gut. Nichts mehr zu sagen, das käme dem Zustand näher. Man lebte zusammen in einem Haushalt, weil es immer so war. Zwei parallele Leben, die sich hin und wieder zu gesellschaftlichen Anlässen kreuzten. Schon lange sehnte er sich danach, aus dem versnobten Bad Homburg nach Frankfurt zu ziehen. Von Sophie wusste er wenig, sie gab nicht viel von sich preis. Sie war selbstbewusst und dabei bescheiden, zuverlässig, ehrlich, höflich und sie schien kompromissbereit und selbstverantwortlich. Eins war ihm jedoch augenblicklich klar gewesen: Sie war die Frau, die er begehrte, mit der er glücklich werden konnte. Er hatte das Appartement am Westhafen günstig erworben und Alex klargelegt, er würde nach Frankfurt gehen. Sie war geringfügig erstaunt über seinen Entschluss und erklärte sich einverstanden. Er hatte ein bisschen mehr Widerstand erwartet, mehr Emotionen. Sie machte keine Anstalten, ihn zu halten. Genau das war es, das ihn an Alex störte. Diese Vernunft, diese emotionale Überlegenheit, immer rational zu entscheiden. In der Firma änderte sich kaum etwas, denn geschäftlich respektierten sie sich und legten weiterhin ein freundschaftliches Verhältnis an den Tag. Erst in den letzten Tagen hatte er angedeutet, sich neu verliebt zu haben. Alex hatte gelächelt und gemeint, das sei schon länger klar. Das war alles, was ihr dazu einfiel. Er hatte Sophie überredet, zu ihm zu ziehen. Na ja, eher war es so, dass sie ihm die Worte in den Mund gelegt hatte. Es sind die Veränderungen, die ein Leben bereichern und es manchmal sogar verwandeln; so ähnlich drückte sie sich aus. Auf Mallorca hatte er ihr ein paar Appartements gezeigt, sie interessierte sich für eine Lage mit Meerblick. Als Immobilienmakler besaßen er und Alex eine Dependance in Palma und eine in Marbella. Karl ließ es sich nicht nehmen, im Sommer zwei bis drei Monate vor Ort zu wirken. Ihn beschlich in der letzten Zeit das Gefühl, sein Erdenleben ändern zu müssen. Er suchte nach Liebe und Geborgenheit. Sein Dasein war ihm langweilig geworden. Es fehlte der Pepp, er brauchte mehr Abwechslung, es trieb ihn in die Welt hinaus. Alex saß gern zu Hause, ging nur ungern nach der Arbeit aus. Am Wochenende putzten sie, kauften ein und Alex setzte sich mit einem Haufen Papieren