Eva und das Paradies. Dominik Rüchardt

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Название Eva und das Paradies
Автор произведения Dominik Rüchardt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738009972



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Sie, er hieß Jasiri Tyrese Bawesi oder so ähnlich.“

      Mia und Felix blickten gleichzeitig auf.

      „Ich habe, nach dieser zufälligen Begegnung, nie wieder von ihm gehört. Wenn ich nun daran denke, wundert es mich. Er war bestimmt nicht unbescheiden, er war vielmehr der personifizierte Tatendrang und stark von sich überzeugt. Haben Sie von ihm gehört?“

      „Ja doch, das ist er. Er war die ganzen Jahre bei uns auf der Farm. Obwohl, er war eigentlich selten da. Aber er war so eine Art Chef.“

      „Wieso war?“

      „Er ist verschwunden“, kam es von Felix. „Die Patentpolizei behauptet, er ist tot. Aber wir wissen nicht, ob es stimmt.“

      Felix spürte, wie Mia ihn schon wieder unter dem Tisch trat.

      „Das klingt allerdings ungewöhnlich, ja – und falls es so ist, tut mir natürlich leid. Allerdings würde es mich nicht wundern.“ Zhaoming Chiang putzte sich mit der Serviette den Mund. „Er hatte schon damals etwas an sich, das vollkommen gegen die Regeln läuft. Aber unsere Vorstellungen waren ähnlich. Ich hätte ihn gerne wieder getroffen − vielleicht auch an der Philosophieschule engagiert, als Gastlehrer oder so. Wir brauchen hier immer Leute, die quer zur Welt denken und sich auch trauen, darüber zu erzählen.“

      Er schob seinen Teller etwas von sich.

      „Aber ich wollte heute noch ein wenig mit Ihnen über das kritische Zerlegen morgen sprechen.“

      Und er begann eine kurze, wohlwollend kritische Reflexion ihres Vortrages, um am Schluss zu einigen Fragen zu kommen, die seiner Ansicht nach noch auftauchen könnten.

      „Wie Sie wissen, werden morgen Vertreter des Regionalrates und der Europäischen Erziehungskommission dabei sein. Es wird derzeit diskutiert, Philosophieschulen europaweit einzuführen, das ist zwar eine Ehre für uns, aber auch eine Gefahr. Bei den Europäern befürchten manche einen zersetzenden Freigeist. Ich sorge mich daher eher um unsere Autonomie, wenn das Philosophieschulsystem in die Mühlen der europäischen Verordnungen gerät.“

      „Und was ist es, was Sie selber wollen?“, fragte Felix.

      „Ich bin noch unentschlossen. Einerseits hätten wir sehr viel mehr Einfluss, anderseits wären wir auch unter verschärfter Beobachtung.“ Er beugte sich näher zu den beiden herüber. „Jedenfalls ist die verschärfte Beobachtung jetzt schon eingetreten und wir sollen bei manchen Themen vorsichtig sein.“

      „Das klingt ja aufregend.“

      Mia beugte sich vor, die Ellenbogen auf dem Tisch schob sie sich über die verschränkten Fäuste zur Tischmitte: „Und Sie wollen sich mit uns verschwören?“

      „Sozusagen.“ Zhaoming Chiang lächelte sie an.

      Zu viel – Biofarm am Wiener See

      Ein weiterer Nachmittag unter dem Baum war verstrichen. Eva bog kraftlos und langsam um die Ecke, von den Obstwiesen neben der Schule auf den zentralen Hof der Farm.

      Ihr fiel ein blaues Nutzauto auf, mitten auf dem Hof. Sie kannte es nicht, es hatte auch keine Beschriftung. Ein fremder Mann kam ihr entgegen. Mitte Vierzig, leicht ergrautes Haar. Er machte Bilder, eines davon direkt in ihre Richtung. Sie begrüßte ihn irritiert, er grüßte zurück, stieg in das blaue Auto und fuhr lautlos davon. Sofort hatte sie vergessen, wie er aussah.

      In der Tür des Büros wartete Mirco Nemec. Er winkte ihr zu, forderte sie auf, in sein Büro zu kommen.

      „Wer war das?“, fragte Eva,

      „Er sagte, er sei von einem Verein, der die Luftqualität prüft, und hat gefragt, ob er hier auf dem Gelände Messanlagen aufstellen dürfe.“

      „Und? Darf er? Die Luftqualität ist ja gut.“

       „Natürlich darf er nicht. Ich habe ihm angeboten, die Messprotokolle auszuwerten, die wir aus unseren eigenen Anlagen ziehen. Er hat angenommen, aber ich glaube, das war nicht, was er wollte. Wer weiß denn, wer er wirklich ist? Möglicherweise ist er ja ein ESCO-Mann. Sein Verein ist zwar offiziell registriert, aber das heißt gar nichts. Wir müssen aufpassen, welche Daten er bekommt. Schließlich passt nicht alles, was wir hier machen, zu allen Vorschriften.“

      „Er hat Bilder gemacht.“

      „Ja, daran können wir ihn nicht hindern.“

      Eva wollte gerade weitergehen und den Mann und seine Absichten Mirco Nemec überlassen, als dieser einlenkte.

      „Eva, wir müssen uns dringen unterhalten. Kemal Deixner vom Stadtbüro ist hier, und wir haben unsere Situation durchgesprochen. Wir müssen etwas unternehmen.“

      Der Satz drang nur langsam zu Eva durch. „Ja? Wann sollen wir uns treffen?“

      „Eigentlich jetzt gleich. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren.“

      Eva verspürte weder einen Drang zu diesem Gespräch noch konnte sie sich wehren. Mit Mirco Nemec oder Kemal Deixner hatte sie bisher kaum etwas zu tun gehabt, und wenn, dann war sie diejenige gewesen, die etwas von ihnen wollte. Schwach wie sie war und ohne sich Gedanken zu machen, gab sie nach und folgte Mirco ins Büro.

      Kemal beachtete sie gar nicht, sondern war in irgendetwas vertieft, was sehr kompliziert wirkte.

      „Wir berechnen gerade, wie lange wir die Farm mit dem, was wir haben, noch halten können“, erklärte Mirco. „Mit den bestehenden Anpflanzungen, dem Ernteplan und den aktuellen Lieferverpflichtungen kommen wir, wenn alles gut geht, knapp über den Winter. Dann allerdings geht uns das Geld aus.“

      Noch erschrak Eva nicht, sie war es gewohnt, dass sie nie länger als ein halbes Jahr Sicherheit hatten.

      „Das ist allerdings nur ein Teil des Problems. Denn wir müssen dringend im Spätsommer neu anpflanzen, um den Anschluss zu halten. Die Setzlinge für die Gewächshäuser und die Frühernte müssen noch dieses Jahr raus, sonst wird es düster.“

      Langsam drang eine Erkenntnis zu Eva durch: der Farmbetrieb musste laufen.

      „Wir müssen spätestens im August die nächste Lieferung aus Afrika erhalten“, kam es von Kemal. Dann kommen wir gerade noch so über die Runden. Wir werden zwar einen Haufen Kundschaft verärgern, aber zumindest müsste das Geld reichen.

      „Jasiri war auf dem Weg nach Afrika“, hörte sie sich sagen. „Ja, was geschieht da jetzt? Wie geht das mit den Lieferungen? Das hat immer er gemacht.“

      „Ja, das hat immer er gemacht.“ Mirco Nemec nickte mit seinem runden Kopf. „Und jetzt stehen wir da.“

      „Wir kennen nur die Wege in Europa“, stöhnte Kemal. „Einige Adressen und Unterlagen, aber die Leute kennen wir nicht.“

      „Wir wissen nichts über die Herkunft der Lieferungen und wie wir sie bestellen können“, fasste Mirco zusammen.

      „Und was heißt das?“ Eva merkte, wie sie alarmiert war und langsam nervös wurde.

      „Das heißt, dass der Farmbetrieb einbricht, wenn wir den Kontakt zu Jasiris Dorf nicht schnell hinbekommen, um Nachschub für unsere Felder zu organisieren. Und dass wir das nicht lange überleben werden, aber das ist noch nicht alles.“ Mirco zog das Schreiben der Regionalverwaltung hervor. „Die Geier rücken schon näher. Es ist nicht nur der ESCO-Mann, der eben da war, auch die Regionalverwaltung fragt schon nach, wie es hier weitergeht. Noch kann ich es abbiegen, aber wir müssen uns bald überlegen, wie wir uns in Zukunft hier organisieren. Ohne Jasiri bricht uns die ganze Grundlage weg.“

      Verwirrt blickte Eva zwischen Kemals Unterlagen und dem Schreiben in Mircos Hand hin und her.

      „Das ist doch …“, sie wusste nicht weiter

      „Das alles zusammen ist eine ernste Bedrohung für unsere Farm.“ Mirco sprach es aus.

      „Das müssen wir ... das muss jemand“, ziellos richtete Eva sich mal an Kemal, mal an Mirco, den Zettel der Regionalverwaltung