Der Hanseschatz von Lübeck. Hans-Joachim Schmidt

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Название Der Hanseschatz von Lübeck
Автор произведения Hans-Joachim Schmidt
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847658689



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wollt ihr doch alle eure Heuer, oder?“

      Ein kräftiges „Ja“ hallte über die Ostsee.

      „Gut, Männer, nun zu meinem Plan. Wir werden angeben, dass auch wir von Piraten überfallen wurden und auch diese Kogge versenkt wurde. Um diese Täuschung zu bewerkstelligen werden wir nicht die Küste absegeln, sondern einen ganz kleinen Umweg nach Gotland machen und diese Kogge verkaufen müssen. Im Gegenzug werde ich ein kleineres Schiff erwerben und noch Geld über haben, welches ich dann unter euch aufteilen kann.“

      Nach dem Angebot flogen Mützen durch die Luft und die Mannschaft grölte ein „Halleluja“. Das war ein eindeutiges Zeichen der Zustimmung für Menssen und seine Idee.

      Eine Sache bereitete ihm allerdings immer noch Sorgen, und zwar die Unterschrift vom Bürgermeister auf der Urkunde. Mit der Urkunde muss er dem Hansen wenigstens etwas bezahlen. Nicht, dass er das Geld nicht hätte, aber von seinem jetzt geringeren Verdienst wollte er nichts mehr abgeben. Es ist zwar mehr als er hätte, wenn alles nach vorheriger Vereinbarung laufen würde, aber müsste er jetzt teilen, wäre der Gewinn erheblich geringer. Nachdem er gedanklich durchspielte wie er Hansen gegenüber vorgehen würde, verbrannte er die Urkunde.

      Während seiner mehr als zweijährigen Handelsreise brodelte ein erbitterter Kampf um die Werte der Hanse. Jeder wollte teilhaben an den Erfolgen Lübecks und seinen Kaufleuten, so auch König Waldemar IV. von Dänemark.

      Lübecks Reichtum und Machenschaften, wie er den Handel benannte, waren ihm schon immer ein Dorn im Auge. Er wollte für sich und sein Volk am Reichtum und den Privilegien Lübecks teilhaben und forderte die Hansestadt heraus. Er rüstete sich mit einer starken Flotte gegen Lübeck aus. Als Waldemar IV. 1361 Gotland erreichte und die Schlacht um Visby durch Kapitulation für sich entscheiden konnte, bat man Wittenborg um Hilfe.

      Mit der Einnahme Visbys, einem strategischen Punkt der Hanse, war das zu Ertragene erreicht. Denn Visby auf der Ostseeinsel Gotland war derzeit der Mittelpunkt und Verteiler für den Umschlag von Waren von Ost nach West und zurück.

      Nach der Eroberung der Hansestadt Visby verlor diese den Anspruch des ersten Hauptortes der Hanse. Dies fiel nun Lübeck zu.

      Diese für die Kaufleute und Bürger Lübecks unerträgliche Eroberung sowie die Beschneidung ihrer Rechte und Errungenschaften machten aus dem Bürgermeister Wittenborg einen Krieger. Unerträglich deswegen, weil die Dänen jetzt auf dem strategisch wichtigen Punkt saßen. Ab sofort waren der Handel mit Pelzen und Wachs sowie der Importeur für Luxusgüter aus Russland empfindlich gestört, wenn nicht sogar gefährdet. Und das wollten die Kaufleute mit all ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unterbinden.

      Unter dem Befehl Wittenborgs griff man mit 27 Koggen und etwa 300 Söldnern und Bürgern Lübecks 1362 Waldemars Flotte an. Wittenborg befehligte die bis dato größte Kriegsflotte der Hanse. Sein Ziel: das Reich des Königs Waldemar IV.

      König Waldemar IV. Atterdag von Dänemark

      (1321-1375)

      Vor der schwedischen Küste kam es dann zu einem direkten Konflikt zwischen Waldemar IV. und Wittenborg. Es ging, und das war allen Beteiligten klar, um das seit über 500 Jahren bestehende und Europa übergreifende Bündnis, welches die Hanse prägte. Einer seiner Truppenführer war sein Freund Brun Warendorp.

      Der Krieg gegen Waldemar IV. war nicht von Erfolg gekrönt. Wittenborg und die Bürger Lübecks mussten, genau wie vormals Visby, kapitulieren. Jetzt diktierte der siegreiche König von Dänemark die Bedingungen. Er verlangte hohe Lösegeldforderungen, die Wittenborg mit der Kapitulation und dem Siegel der Hansestadt Lübecks beglaubigte. Die Zusage der Geldforderungen gefiel den Kaufleuten nicht. Zumal jetzt auch der Weg durch die Nordsee von den Dänen versperrt war und dies den Handel empfindlich beeinflusste.

      Das besiegelte auch Wittenborgs Schicksal. Er wurde in Ketten gelegt und das ohne Angaben von Gründen.

      1362 wurde er vom Stadtrat zum Tode verurteilt und im Jahr darauf im August auf dem Marktplatz geköpft. Ein Grund für seine Hinrichtung, so erzählte man sich, war unter anderem auch, dass die Stadt Lübeck jetzt die in die Höhe schießenden Reparationskosten an Dänemark zu leisten hatte.

      An die Schlacht von 1361, einem Blutbad, erinnert heute das Waldemarkreuz am Ort des Geschehens - Visby.

      Aber die verlorene Schlacht und die Lösegeldforderungen sollen nicht der wahre Grund für seine Hinrichtung gewesen sein. Vielmehr soll es um seine geschäftlichen Machenschaften gegangen sein, die dann seinen Tod verlangten. Er soll Wucherzinsen von bis zu 35% anstatt der üblichen 6% verlangt haben. Und Wucher sowie Unterschlagung hatten zur damaligen Zeit den Tod zu Folge, weil das ein Verstoß gegen den Ehrenkodex der Kaufleute war. Zudem soll er sich als Provisor (Verwalter) am Kirchenvermögen vergriffen haben. Nicht umsonst wurde das Handelsbuch der Kaufmannsfamilie Wittenborg zuvor beschlagnahmt.

      Was Menssen nicht wissen konnte war, dass die Dänen während seiner zweijährigen Abwesenheit unter der Herrschaft Waldemar IV. Lübeck angegriffen hatten, worauf Lübeck sich dann unterwerfen musste. Und dass der Bürgermeister Johann Wittenborg die Verteidigung der Stadt Lübeck in seine Hand genommen hatte und die Schlacht verlor. Er wusste zwar, dass ein Krieg in Gange war, aber nicht, dass Wittenborg tot war.

      Also ahnungslos bezüglich der Ereignisse um Johann Wittenborg traf Menssen im Oktober 1363 wieder in Lübeck ein.

      Sein erster Weg ging zu seiner Familie. Er wollte schon den Hansen aufsuchen und ihm einiges erklären, aber als er von dem Missgeschick des Bürgermeisters erfuhr, beließ er es nur bei dem Gedanken.

      Hansen war nicht nur hartnäckig in seinen Vorhaben, sondern auch um seinen Verdienst bemüht. Und so kam es, dass er schon wenige Stunden nachdem Menssen nach Hause gekommen war, bei ihm an der Haustür klopfte.

      Karl Menssen stürzte zur Tür, weil er vermeiden wollte, dass seine Frau oder eins seiner Kinder die Tür öffneten. Er konnte sich schon denken, wer da so kräftig an seine Haustür pochte.

      Menssen öffnete die Tür und fragte erstaunt: „Hansen, was willst du denn hier? Kannst du nicht abwarten, bis ich dich morgen aufsuche? Wie du weißt, war ich lange unterwegs. Jetzt möchte ich erst mal die ersten Stunden meiner Familie widmen. Ich hoffe doch, dass du dafür Verständnis aufbringst.“

      „Ich wollte nur meinen zugesicherten Anteil abholen.“

      „Ach, Hansen, du Ahnungsloser. Es müsste auch bis zu dir durchgedrungen sein, dass wir von Piraten überfallen und unsere Koggen versenkt wurden.“

      „Natürlich habe ich davon gehört, allerdings soll es sich nur um fünf Koggen gehandelt haben, die untergegangen sind.“

      „Die sechste auf der ich mit meiner Crew war, erlitt dasselbe Schicksal, Hansen. Das Geld welches mir, Gottlob, blieb, reichte gerade so für ein kleines Schiff, um meine Mannschaft und mich nach Hause zu bringen.“

      „Für den Schaden kommt doch die Hanse auf.“

      „Wenn ich Glück habe, die Hanse ist ja auch gebeutelt.“

      „Na, egal. Mich interessiert… oder sag mir mal bitte, was das für Kisten waren, die du mitgebracht hast.“

      „Es waren keine Kisten, Hansen, sondern nur eine und darin befand sich nichts Verwertbares.“

      „Und warum mussten zwei deiner Leute an dem Nichts schleppen?“

      „Kannst du dir das nicht vorstellen? Wir waren Monate unterwegs, hatten kaum Nahrung und kaum Trinkwasser. Wir sind alle geschwächt. Und… wie gesagt, ich werde gleich morgen mit dir alles besprechen. Du kannst ja indes zum Bürgermeister gehen und dir die Urkunde von ihm geben lassen.“

      „Der ist tot.“

      „Wie bitte, tot? Wie das? Er war doch noch nicht so alt. Das