Название | GEN CRASH |
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Автор произведения | Peter Schmidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847654711 |
Er vertrieb eine sensationelle neue Art von Korkenzieher, die seine Großeltern vor etwas mehr als dreißig Jahren im Riesengebirge erfunden hatten."
"Ronald hat 'nen unangenehmen Beigeschmack", bestätigte ich. "Erinnert zu sehr an die konservativen Zeiten der amerikanischen Außenpolitik."
"Ich weiß, dass Sie Gorbatschows Politik aus heimlicher Seelen- und Geistesverwandtschaft studieren, Ambrosius. Da sollten Sie mir nichts vormachen – ich bin nicht Forum. Dem können Sie weismachen, Sie seien eigentlich ein waschechter Hardliner. Ihre Tochter ist doch mit 'nem ehemaligen Bürgerrechtler liiert, oder?
Neunundachtzig, noch zu Zeiten des starrköpfigen alten Stamm-Saarländers mit Schimpf und Schande aus der Republik geflogen, hab ich recht? Hat sich in Leipzig an seinen Protestkerzen gründlich die Finger verbrannt."
"Sie machen Ihrem Ruf alle Ehre, Sehlen."
"Ich bin nun mal ein unbestechlicher Zeitzeuge, und da nehme ich uns selbst nicht aus. Sie liegen ganz gut im Rennen, Amb. Sie gehen still und beharrlich Ihrer Arbeit nach, Sie machen kein Trallala, aber alle nehmen Ihre Meinung ernst. Sie sind so was wie die unauffälligste graue Eminenz in Forums Laden, die es je gegeben hat."
"Unsinn, da unterschätzen Sie meinen Einfluss gewaltig."
"Und dahinter steckt – wenn ich mal raten darf – Ihre Frau, oder?"
"Margrit kümmert sich nicht um meine Arbeit."
"Ich meine natürlich indirekt. Sie hält Sie der höchsten Weihen für würdig. Sie möchte liebend gern aus Ihnen den König machen. Ihre eigene Unzufriedenheit, Kochtopf, Haushalt, treibt sie dazu, Ihnen diese Flausen in den Kopf zu setzen, Amb. Sie ist 'n bisschen autoritär, und Sie sind eher der stille Typ. Gibt 'n gutes Gespann ab. Auf die Weise ist schon Weltgeschichte gemacht worden."
"Nennen Sie mich nicht Amb."
"Schlagen Sie sich erst mal den Bauch mit dem köstlichen Zeug da voll – hebt die Seelenlage! Wäre ich Mediziner, würde ich sagen: Alles Chemie, mein Lieber. Der Mensch ist ein Chemismus, hab ich mal irgendwo gelesen. Der Einfluss der Cremeschnitte auf die hintersten Gehirnwindungen – den sollte mal einer untersuchen, nicht immer diesen Schmant von frühkindlichem Liebesentzug."
Manchmal hatte ich den Eindruck, er gebärde sich bloß als Ungeheuer, um mich nachher damit überraschen zu können, dass er ganz harmlos war.
Wir aßen schweigend. Er beobachtete mich aus zusammengekniffenen Augen und ließ seinen Blick über den Umriss meines Gesichts wandern, als sei es eine Landkarte. Er machte sich ein Bild von mir. Dass ich ihm Paroli bot, schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken. Sehlen war sich seiner Überlegenheit bewusst, das spürte man bei jeder Geste.
Er wollte klare Verhältnisse schaffen. Forum höchstpersönlich hatte mich zu diesem unerquicklichen Treffen abkommandiert, also würde ich mich wohl fürs erste damit abfinden müssen. Er schätzte es nicht, wenn man sich vor einer Aufgabe zu drücken versuchte. Dann witterte er sofort irgendeine Schwäche oder Allergie. Und Allergien, ob politischer oder persönlicher Art, behandelt man am besten mit einer Überdosis des Allergens.
"Sie wirken plötzlich so nachdenklich, Amb?"
"Sollten wir jetzt nicht endlich mal zur Sache kommen, Ronald? Sie tischen mir Sahnetorte auf, ich schütte den Kaffee wie russischen Wodka in mich hinein. Mein Magen und meine Eingeweide kommen langsam in Wallung, von meinen Hirnwindungen ganz zu schweigen …"
"Forum hat Ihnen doch das Schlüsselwort genannt, oder?" Er drehte interessiert den Kopf. Er sah irgendwie raubäugig aus dabei, wie eine Katze, die, eher aus Jagdinstinkt als aus Appetit, zum tödlichen Nackenbiss ansetzte. Oder wie ein englischer Pointer, der sein Karnickel foppte, bevor er sich dafür entschied, dem ungleichen Spiel ein grausames Ende zu bereiten.
"Schafspelz, ja."
"Sprechen Sie das Wort um Gottes willen nie in der Öffentlichkeit aus. Schafspelz ist so geheim, dass es darüber nicht einmal Aufzeichnungen gibt."
"Also gut, fangen wir ganz von vorn an." Ich deutete durch das Fenster in die Dünen. "Da draußen stehen doch jetzt ein paar von unseren Leuten und sichern die Kommandozentrale, oder? Wie viele sind wir?"
"Hauptsächlich Sie und ich", sagte er. "Wir haben ein paar Zuarbeiter. Fahrer, Boten, Hauspersonal. An den Fäden ziehen nur wir beide." Er lachte, als bekomme er einen Erstickungsanfall. Der Gedanke (oder das, was er wirklich dachte) schien überaus amüsant für ihn zu sein. Ich versuchte der Vorstellung genauso viel Komik abzugewinnen, aber es misslang.
"Riesenbaby ist also nur unser Zuarbeiter?"
"Riesenbaby, ha, ha – nimmt uns die Muskelarbeit ab", bestätigte er. "Kopf freihalten von allen Nebensachen. Ich rate Ihnen: Stellen Sie sich gut mit Rie-sen-ba-by. Und nicht bloß, weil er den Fahrer macht oder die Sahneschnittchen besorgt. Seine alte Mutter hat mir anvertraut, er sei manchmal 'n bisschen verwirrt. Drückt sich so aus, dass er Freund und Feind verwechselt."
2
Als wir draußen am Strand waren, heulten hinter den Deichen Atomsirenen auf – ein Geräusch, das mir auf den Magen schlug (ich habe manchmal Probleme mit der Verdauung, und der Gedanke, jetzt sei es doch noch passiert, ist wohl nicht mehr aus unseren Köpfen zu vertreiben).
Die Luxusausgabe eines offenen japanischen Geländewagens jagte auf uns zu. Eines dieser chromblitzenden Ungetüme mit Allradantrieb, dicken Rohren, die zu wer weiß was taugen, und schwarzer Metalliclackierung. Staubfahnen wirbelten hinter seinen Reifen hoch. Er kam über den gepflasterten Weg, der schräg vom Deich zwischen ein paar geschlossenen Fischbuden im Sand endete, und sah aus wie ein aufgemotzter Kampfpanzer ohne Kanone. Ich versuchte mich instinktiv zu ducken oder sonst wie zu verkrümeln. Aber über uns war nur der freie Himmel, und um uns her, so weit das Auge reichte, erstreckten sich ein paar tausend Quadratmeter gelben Sands. Die Pünktchen in roten und gelben Anoraks waren alle weit weg.
"Keine Gefahr", brummte Sehlen. Seine schönen Augen, diese dunkelbraunen Spiegel der Seele, weiteten sich belustigt. Er hatte mich in einem Moment der Schwäche erwischt, und das bereitete ihm offensichtlich Vergnügen.
Der Mann am Steuer schien Riesenbaby zu sein, seiner lässigen Art nach zu urteilen.
Er hing am Lenkrad wie zweihundert Pfund Lebendgewicht, die sich möglichst schnell zur Ruhe betten wollten. Seine rosigen Wangen leuchteten noch greller als seine Schuhspitzen, und die mussten mit dem glänzendsten Eierweiß poliert worden sein, das die chemische Industrie jemals hergestellt hatte. Sehlen beugte sich in den Wagen und ließ sich berichten. Ich bemerkte, dass er seine Stimme dämpfte, als die Präludien vorüber waren.
Einmal wandte er sich nach mir um und nickte mir so aufmunternd zu, dass jeder, der ihn kannte, sofort irgendeine Hinterfotzigkeit vermuten musste, falls er nicht von allen guten Instinkten verlassen war. Die blaurote Narbe unter seinem linken Wangenknochen phosphoreszierte im versinkenden Licht – oder die untergehende Sonne und die Wellen spiegelten sich darin. Er hatte etwas von einer metaphysischen Erscheinung bei dieser Beleuchtung, mit seinem altmodischen Hut auf dem Kopf, der aus der untersten Kleiderkiste eines Secondhandshops zu stammen schien.
"Bin in zwei Stunden wieder zurück. Machen Sie's sich schon mal im Haus bequem", sagte er und schwang sich aufs Trittbrett, während Riesenbaby mir einen ebenso abschätzigen Blick zuwarf wie sein Herr und Meister, den Fuß aufs Gaspedals fallen ließ – den linken Mittelfinger lässig zwischen den Lenkradspeichen, die Rechte außen am Ring – und mit durchdrehenden Reifen startete.
Ich stand da auf dem weit und breit verlassenen Strand, wischte mir den hochgewirbelten Sand von der Jacke und dachte darüber nach, warum ich hergekommen war.
Dann ging ich langsam zum Haus zurück.
Er kam weder an diesem Abend noch am folgenden Morgen. Ich hatte genügend Gelegenheit zum