Nachbarschaft mit kleinen Fehlern. Elisa Scheer

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Название Nachbarschaft mit kleinen Fehlern
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753134857



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was war jetzt in dieser Kiste?

      Sofakissen! Gelb, blau, rot, grün. Die hatten auf ihrem Bett gelegen, auf der grauen Tagesdecke.

      Die Tagesdecke fand sich auch in der Kiste, sie wanderte umgehend gefaltet in den Schlafzimmerschrank. Dann brauchte sie nachher zwar neue Bezüge, aber eigentlich keine Kissen mehr.

      Auf ihren kleinen Balkon zur Straße hinaus schien noch die Nachmittagssonne, also zog sie die quietschbunten Bezüge ab – auch noch aus grobem Cord, was hatte sie sich nur dabei gedacht? – und schleppte einen ihrer Stühle auf den Balkon, um die Kissen darauf in der Sonne auszulegen.

      Gut so! In der Kiste fanden sich noch einige Bücher, die sie irgendwie in die Regale stopfte, ihre Teekanne, in Geschirrtücher gewickelt (intelligentes und übersichtliches Packen sah anders aus) und eine gelb-weiß gestreifte Schachtel, in der sich Spielkarten, Würfel und vier Teelichthalter befanden.

      Schachtel ins Regal, Teekanne in die Küche, Geschirrtücher gefaltet in einen Küchenschrank, eins davon an den Haken neben der Spüle, Kiste zusammengefaltet in den Flur.

      Flur! Der war bis auf einen Packen gefalteter Kisten noch ganz leer – Kunststück, bis jetzt hatte sie solche Haken gehabt, die man oben über die Tür hängte – aber auf die Innenseite!

      Wenn sie an IKEA dachte, verlor sie schon wieder die Lust. Ach, sie würde jetzt eine Pause machen, ein wenig einkaufen und mal sehen, ob es nicht nette Geschäfte hier in der Gegend gab. Wenn sie vom Dortmunder Weg nach Norden ging, kam dann nicht die Düsseldorfer Straße? Oder sollte sie zuerst einmal den Wupperweg inspizieren?

      Am besten beides.

      Sie befestigte das Frotteeband um ihren Pferdeschwanz wieder richtig, griff sich Tasche, Geld und Schlüssel und verließ ihr neues Heim. Vielleicht sollte sie auch einmal schauen, welcher Kellerverschlag der ihre war?

      Genau, das kam zuerst! Sie sprang die zwei Treppen hinunter, merkte sich vor, dass sie ein ordentliches Schildchen für Briefkasten, Klingelschild und Wohnungstür machen musste, und lief die Kellertreppe, die nicht ganz so schön mit graugesprenkeltem Stein ausgelegt war, etwas vorsichtiger hinunter. Hm… ein warmer quadratischer Raum mit nacktem Estrich, im Hintergrund eine graue Stahltür und ansonsten rundherum Kellerverschläge – und zwei standen offen. In einem von ihnen räumte jemand herum und sie trat näher. Eine Frau in mittleren Jahren, vielleicht fünfzig, sammelte Kram in eine Mülltüte.

      „Hallo?“

      Die Frau drehte sich um. „Grüß Gott?“

      „Ja, Grüß Gott. Ich bin Amelie Preuß und hab die Wohnung von der Frau Holnbeck gemietet.“

      „Ach, die san Sie? Sie san erst gestern Morgen eingezogen, gell?“

      „Stimmt. Und jetzt weiß ich gar nicht, welcher Keller meiner ist… ich tippe mal auf den neben Ihrem, weil er offensteht?“

      „Gut geraten. Ham´S den Greifenklau schon kennengelernt?“

      „Oh ja. Er denkt, ich sei Studentin und würde hier dauernd demonstrieren und kiffen. In ganz altmodischen Worten.“

      Die Frau kicherte und streckte die Hand aus. „Roswitha Hörl. Der Greifenklau ist harmlos, aber schon recht - naja – alt. Und was tun Sie beruflich?“

      „Ich arbeite in einer Literaturagentur.“

      „Was macht man da denn?“

      „Wir beraten Schriftsteller und suchen den richtigen Verlag für sie.“

      „Ja, können´S denn des?“

      „Schon. Ich hab Germanistik studiert. Macht viel Spaß, aber heute hab ich frei, wegen des Umzugs.“

      Frau Hörl nickte. „Sie werden ein Schloss brauchen, gell? Richtung Düsseldorfer gibt´s einen kleinen Haushaltswarenladen.“

      „Super. Ich wollte eh grad schauen, was es hier alles gibt. Lokal einkaufen, gell?“

      „Lokal? Wollen Sie essen gehen?“

      „Nein, das hab ich jetzt nicht gemeint. Lokal nur im Sinne von „vor Ort“. Besser hier einkaufen als in der Stadt.“

      „Gscheit. Na, viel Spaß dabei!“

      „Und vielen Dank für den Tipp!“

      Also, dann diesen Haushaltswarenladen zuerst! Unterwegs sah sie den Schreibwarenladen, der auch Poststelle und Paketshop zu bieten hatte, wenn man den Aufklebern an der Tür glauben konnte, ein recht spießiges Klamottengeschäft, das man getrost ignorieren konnte, und ein Handarbeitsparadies. Vielleicht irgendwann nicht uninteressant. Schließlich kam der Haushaltswarenladen in Sicht: unglaublich volle vier Schaufenster – der schien ja alles zu haben, was man sich nur vorstellen konnte!

      Drinnen sah sie sich fasziniert um; schließlich eilte ein Verkäufer im traditionell grauen Kittel herbei und fragte nach ihren Wünschen.

      „Ein Vorhängeschloss? Da haben wir eine schöne Auswahl!“

      Tatsächlich, alle Größen, mehrere Farben, mit Schlüssel oder mit Zahlencode. Amelie nahm ein mittelgroßes in Dottergelb mit Schlüssel (sie konnte sich ihre sonstigen PINs und Passwörter ja schon kaum merken!) und kündigte an, sich noch ein bisschen umsehen zu wollen. Der Verkäufer reichte ihr ein Körbchen und legte den Blister mit dem Schloss hinein. „Dann viel Vergnügen!“

      Faszinierend, was es hier alles gab – eher Kaufrausch als nachhaltiger Konsum.

      Aber schauen musste sie doch.

      Ofenhandschuhe! In Gelb und Grau? Die Küchenschränke waren schlicht weiß, dazu passte ja alles. Und wenn sie sich auf Schwarz, Weiß, Grau und Gelbtöne beschränkte, war das Wäschesortieren auch einfacher. Gut, und rosa Klamotten hatte sie natürlich auch.

      Geschirrtücher? Oh, ein Dreierpack in Gelb-Grau gestreift, kariert und gezackt? Halbleinen, nicht ganz billig, aber mit Biosiegel, fair trade? Das Siegel kannte sie zwar nicht, aber die Handtücher waren so hübsch…

      Ob die wohl auch Kissenbezüge hatten?

      Tatsächlich, einen großen Drahtkorb voll, aber viele waren gruselig gemustert. Sie entdeckte einen witzigen in Schwarzweiß und einen in einem schönen zarten Gelbton. Den Rest würde sie wohl anderswo finden.

      Einen Kochlöffel, einen Pfannenwender.

      Das reichte erst einmal, also eilte sie zur Kasse.

      In der Düsseldorfer Straße gab es auch einen Supermarkt, wo sie sich mit dem Nötigsten eindeckte und dann erst einmal alles nach Hause schleppte, den Kühlschrank putzte, zwei Kissen bezog und hübsch auf dem Klappsessel arrangierte und alles Übrige verräumte oder aufhängte.

      Gut so - für den Beginn. Und der Fernseher war auch schon ans Kabel angeschlossen.

      Bei IKEA brauchte sie nicht nur ein anständiges Sofa – der freie Platz schrie förmlich danach! – sondern auch ein, zwei Kellerregale. Irgendwas Leichtes. Das hätten die in dem Haushaltswarenladen vielleicht auch gehabt, aber ohne Auto? Am Samstag vielleicht; jetzt hatte sie keine Lust mehr.

      Sie druckte sich die passenden Schildchen für den Briefkasten und die Wohnungstür und ein provisorisches für die Klingeltafel aus und friemelte sie in die Halterungen. Damit war sie doch angekommen, oder?

      Eine Frau, jünger als die Frau Hörl aus dem Keller, schloss die Haustür auf, als Amelie noch mit der Briefkastentür kämpfte. „Wer sind Sie denn?“, fragte sie misstrauisch.

      Amelie stellte sich artig vor und erfuhr, dass sie vor Frau Schmalzl stand. Sie musste lachen und Frau Schmalzl kniff sofort die Augen zusammen: „Was ist jetzt da so witzig?“

      „Na, die Frau Hörl und Sie, Sie haben so schöne bayerischen Namen – und da komme ich und heiße Preuß, das passt eigentlich gar nicht, oder?“

      Als