Nachbarschaft mit kleinen Fehlern. Elisa Scheer

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Название Nachbarschaft mit kleinen Fehlern
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753134857



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schaute in den Flur – tatsächlich; Inga und ein recht gutaussehender Mann trugen richtige Umzugskisten herein und stapelten sie im Flur auf. Inga sah auf: „Du bist noch gar nicht weg?“

      „Meine Freunde kommen um neun und helfen mir mit den großen Stücken, der Rest ist schon drüben“, antwortete Amelie unwirsch. „Ich dachte, wir hätten neun ausgemacht?“

      „Ich dachte, wir könnten schon früher kommen. Das Zimmer ist aber schon geputzt?“

      „Durchsaugen kann ich erst, wenn Bett und Schrank draußen sind, ansonsten ist geputzt. Ich kann die beiden Regale nach draußen tun, aber dann kommt niemand mehr durch den Flur.“

      Glücklicherweise kam Beate aus dem Bad und bat Inga und ihren Macker, doch bitte den Rest im Treppenhaus eng an die Wand zu stellen. „Ihr steigt doch auch nicht in den Bus, bevor die anderen Leute ausgestiegen sind?“

      „Ich muss zur Arbeit“, grummelte der Mann, der sich nicht mal vorgestellt oder wenigstens die anderen begrüßt hatte. „Wie lange dauert das denn noch?“

      „Hab ich doch gerade gesagt, meine Freunde kommen um neun. Jetzt ist es zwanzig nach acht. Taschenrechner ist leider schon drüben.“

      „Ganz schön pampig.“

      „Wie man in den Wald hineinruft… ich kann nichts dafür, dass ihr zu früh dran seid. Hättet ihr vorher gefragt, hätte ich vielleicht Basti und Rieke auch vorverlegen können.“ Amelie zerrte das erste Regal in den Flur und alles andere, soweit sie konnte, zur Tür, so dass sie den Bereich am Fenster schon einmal absaugen konnte.

      „So, Sie könnten die Kisten schon mal vors Fenster stellen.“

      „Wozu? Dann ist es drinnen doch dunkel?“

      Sie rollte deutlich mit den Augen. „Da hängt doch eine Lampe! Und wenn Sie die Kisten reintragen, ist hier draußen wieder mehr Platz, also könnte ich noch mehr von meinem Kram in den Flur stellen und wieder ein Stück saugen. Sie haben es doch so eilig!“

      Der Typ murmelte etwas von Studenten und eh nichts zu tun und keine Struktur.

      „Was heißt hier keine Struktur? Wir hatten neun Uhr vereinbart, was kann denn ich dafür, wenn Sie zu früh auftauchen!“

      Diese Inga wirkte etwas peinlich berührt, aber Amelie hatte jetzt keine Lust, zu überlegen, was genau ihr peinlich war, das WG-Zimmer oder ihr Macker. Sie wenigstens machte sich daran, Kiste für Kiste ins Zimmer zu tragen; im Gegenzug zog Amelie das zweite Regal nach draußen und wuchtete das Bett schon mal auf die Seite. Zu zweit mit Inga schaffte sie auch das Bett nach draußen – und da tauchten auch schon Bastian und Rieke auf und übernahmen das Bett. Inga blöder Begleiter murmelte nach einem Blick auf Rieke etwas von Mannweib und Amelie verkniff es sich mit Mühe, Inga zu fragen, woher sie diesen Deppen bloß hatte.

      Im Handumdrehen waren sie zurück und zerlegten den Schrank zu zweit in seine Einzelteile. Amelie saugte den Rest. „Also bitte schön! Das Fenster ist geputzt, der Boden ist gesaugt, und die Wände hab ich erst letztes Jahr gestrichen.“

      „Das sollte man eigentlich beim Mieterwechsel machen“, moserte Ingas komischer Freund.

      „Nein, muss man nicht“, fand Rieke, einen Stapel Schrankbretter lässig unter dem Arm, „Amelie hat beim Einzug gestrichen und letztes Jahr nochmal, das reicht ja wohl.“ Sie musterte die zierliche, blonde Inga etwas abschätzig und fuhr fort: „Wenn du rosa Wände und Einhörner willst, musst du selbst zur Rolle greifen.“

      Inga kicherte. „Also, zehn bin ich nun schon länger nicht mehr. Das Zimmer ist völlig okay.“ Sie stellte weitere Kisten vor das Fenster und sah ihren Begleiter auffordernd an.

      „Was ist?“, fragte er.

      „Die Möbel müssen noch rauf“, erinnerte sie ihn.

      In Anwesenheit von Beate übergab Amelie die Schlüssel und wünschte ihrer Nachmieterin dann viel Glück im neuen Heim.

      Im Dortmunder Weg mussten sie halb auf dem Bürgersteig parken, was natürlich den Greifenklau, der überwachend aus dem Fenster hing, schon wieder aufregte.

      „Noch will ja hier keiner vorbei!“, rief Amelie unwirsch nach oben. „Und wenn wir jetzt keine Zeit verplempern müssen, sind wir auch gleich wieder fertig!“

      Sie schnappte sich einige Regalbretter und eilte nach oben, um die Tür aufzusperren. Einige Momente später schwankten ihre Freunde mit dem Bett herein und stellten es weisungsgemäß ins Schlafzimmer; Amelie hatte, um das Parkett zu schonen, kaum Filzgleiter unter die Beine geklebt, als auch schon die ersten Schrankteile und ein Stuhl auftauchten.

      Sie arbeiteten etwa eine halbe Stunde lang, dann stand alles oben, sogar so etwa an der richtigen Stelle, und der Schrankkorpus war perfekt zusammengesetzt, besser als zuvor, als Amelie den alten Schrank alleine hatte aufbauen müssen.

      Amelie umarmte beide und lud sie zum Essen ein; Rieke wünschte sich den Kaiserpalast, aber lieber erst abends. Bastian grinste. „Ich glaube auch nicht, dass die Frühstück anbieten. Es ist gerade mal zwanzig vor zehn! Komm, wir bringen den Transporter weg, ich muss noch ein Referat machen.“

      Rieke musste auch zur Arbeit, also winkte Amelie ihnen dankbar nach und wandte sich zurück zur Haustür. Greifenklau hing immer noch - oder schon wieder - aus dem Fenster und sie gestikulierte mit weit ausgebreiteten Armen, um zu zeigen, dass doch wohl alles fristgerecht verräumt worden war.

      Greifenklau knallte entrüstet sein Fenster zu; Amelie grinste und eilte nach oben, wo sie sich erst einmal ratlos umsah: Wo sollte sie denn da anfangen?

      Außerdem brauchte sie jetzt wohl ein Sofa, wo doch das Bett im anderen Zimmer stand… nicht so eilig, zunächst konnte sie ja den Klappsessel verwenden!

      Wo kamen die Regale hin?

      Also platzierte sie erst einmal den Klappsessel und überlegte.

      Hm… das Sofa dann etwa hierhin, die Regale an die nächste Wand, für eventuelles Binge Watching? Es gab ja wirklich tolle Serien zurzeit!

      Gut, die Regale also hier an die Wand…

      Als alle Bücher, Ordner und Filme einsortiert waren, sah sie auf die Uhr. Halb zwei, gar nicht so schlecht.

      Genau, sie würde jetzt ihre Klamotten in den Schrank sortieren und sich danach vielleicht zu IKEA aufmachen. Ein Sofa – das musste sie aber liefern lassen. Oder so ein leichtes, womöglich mit Schlaffunktion?

      Dann hätte sie hier Betten für vier Personen, dabei wollte doch eh nie jemand bei ihr übernachten!

      Obwohl, jetzt hatte sie ja eine richtige Wohnung, hier musste man sich morgens nicht von den Mitbewohnern misstrauisch anschauen lassen. Andererseits kannte sie überhaupt niemanden, der lieber hier schlafen wollte als bei sich zu Hause! Schließlich war Leisenberg ein besseres Kaff und Leute von außerhalb kannte sie doch gar nicht.

      Was für sinnlose Gedanken sie sich gerade machte – auch wenn das schönste und leichteste Sofa ausklappbar war, musste sie es doch nicht ausklappen, oder? Der Schlafsessel war hellgrau. Wenn das Sofa dunkelgrau wäre – ein paar Kissen in Gelb?

      Die Regale und der große Tisch waren aus Kiefernholz, passte Gelb dazu? Kiefer und grau – Kissen in Schwarzweiß? In Orange? In Rosa? Uäh, keinesfalls rosa. Das ließ sie wieder an Inga mit dem albernen Freund denken. Ob die wohl schon fertig eingerichtet war?

      Was ging es sie an!

      Zweimal schwarzweiß und zweimal – gelb! Basta. Orange war viel zu sehr Siebziger Jahre. Mama hatte noch haufenweise Küchengeräte in Orange, unter anderem einen Küchenquirl von Neckermann, einer Marke, von der Amelie noch nie etwas gehört hatte.

      Also kein Orange, sondern ein einigermaßen helles Gelb, nicht gerade dotterfarben!

      Und sonst?

      Eigentlich reichte das für heute.