Vom Angelkahn zur Motoryacht. Claus Beese

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Название Vom Angelkahn zur Motoryacht
Автор произведения Claus Beese
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738001921



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gab ich zurück, und Bodo war sich sicher, auf eine Frage nie eine präzisere Antwort bekommen zu haben.

      »Achim, gib mir mal den Reservekanister von vorn.«

      »Reservekanister?«, echote der. »Is' hier nich! Nur Pflastersteine!«

      Oha! Wo war das Ding? Joachim ließ den Anker fallen, denn die Strömung hatte uns schon erfasst und wir trieben weiter flussabwärts. Wir suchten unter allen Bänken, aber der Plastikkanister blieb verschwunden.

       »Und du bist ganz sicher, dass du überhaupt einen an Bord hattest?«

      Der Lange ignorierte meinen empörten Blick und grinste: »Mag ja sein, dass das Gedächtnis manchmal nicht mehr so will. Im fortgeschrittenen Alter passiert das schon mal.«

      Ich schwor bei allem, was mir heilig war, dass der Kanister tatsächlich an Bord gewesen war, aber es half uns nicht weiter. Unsere Blicke wanderten zum Ufer um den Wasserstand festzustellen, denn vielleicht....

       »Keine Chance, Hochwasser ist erst vor zwei Stunden gewesen«, stellte Joachim fest.

      Wir hatten also zwei Möglichkeiten. Die erste war, wir ruderten das Boot gegen die Strömung zurück zum Yachthafen, die zweite, wir warteten vier Stunden auf die Ebbe, um dann mit der Flut das Boot zurückzurudern. Allerdings würde es bis dahin Zappenduster sein, und bei Nacht und Nebel ohne Licht auf dem Fluss...!?

      »Na, denn man los«, meinte der Schlacks, griff sich die Ruder und legte sie in die Dollen. Joachim hievte den Anker wieder an Bord und Bodo legte sich in die Riemen. Mit langen, kraftvollen Ruderschlägen trieb er das Boot Meter für Meter stromaufwärts. Nach einer halben Stunde machte er schlapp und Joachim übernahm das Rudern. Er war von uns der Stärkste, und wir kamen recht ordentlich voran. Als ich dran war, hielt ich das Boot dicht an der Uferböschung, wo die Strömung am Schwächsten war, und so erreichten wir bei Einbruch der Dunkelheit den Hafen. Mit letzter Kraft schleppten wir uns zum Bootshaus hinauf, wo Rudi, der Bootsmann unsere schmachvolle Ankunft bereits mitbekommen hatte. Als wir uns die Anlegerbrücke hoch hangelten, erwartete er uns bereits mit einer Runde Bier.

      »Da sag doch noch mal einer, Motorboot fahren sei was für faule Leute«, grinste Rudi und angelte einen schwarzen Benzinkanister hinter der Theke hervor. Er hielt ihn hoch und fragte scheinheilig: »Ist das vielleicht euer Kanister? Ich fand ihn unten auf dem Anleger, wo ihr vor eurem Ausflug das Boot liegen hattet.«

       Bodo wurde blass. »Boh, ey! Den Kübel kenn’ ich doch. Den hab ich vorhin auf den Anleger gestellt, als wir die Pflastersteine verstauten.«

       »Ja, ja. Im fortgeschrittenen Alter passiert das schon mal«, grinste ich. »Bodo, kannst du dich noch daran erinnern, in welcher Tasche dein Portemonnaie steckt? Ja? Das ist gut! Bootsmann, bring noch 'ne Runde, heute zahlt der Lange!«

      Bodo wusste genau, dass Protest in seiner jetzigen Lage unangebracht war und ergab sich seufzend in sein Schicksal.

      Das Wettrennen

      Es war öde und langweilig. Beinahe nicht auszuhalten. Himmel, was sollte ich bloß anstellen mit sooo viel Zeit? Hätte der Lange nicht zum Bund gehen können, wie normale Menschen auch? Dann wäre er sicher in der Umgebung stationiert worden, und wir hätten trotzdem angeln gehen können. Aber nein, der elende Feigling wollte sich drücken.

       »Bevor ich zum Barras gehe, mustere ich in der christlichen Seefahrt an«, hatte er getönt und Joachim und ich hatten nur gegrinst. Dann kam der Tag, an dem der Schlacks seine Lehre als Maschinenschlosser natürlich mit Bravour abschloss, und an diesem Tag präsentierte er uns sein Heuerbuch. Der Schock war groß, als er uns eröffnete, dass sein Dampfer in wenigen Tagen von Bremen auslaufen würde. Der Schlacks hatte als Messjunge auf einem Frachter der Deutschen-Dampfschifffahrts-Gesellschaft Hansa angemustert, ohne uns davon was zu sagen.

       Obwohl ich nicht damit einverstanden war, dass sich unsere gemeinsamen Interessen plötzlich so weit voneinander entfernten, so wollte ich es mir nicht nehmen lassen, den Freund bis auf sein Schiff zu begleiten, und der Abschied war schwer gefallen.

      »In zwei Monaten bin ich doch schon wieder da«, hatte der Schlacks mit einem Kloß im Hals gegrinst, und seinen Vater und mich energisch zur Gangway geleitet. »So, nun seht man zu, dass ihr von Bord kommt. Um zwölf gibt es Essen, und in der Messe steht noch das Frühstücksgeschirr. Ich habe Arbeit satt, und ihr steht mir im Weg!«

       Mit sanftem Druck schob er uns auf den Aufgang zur Gangway und wir hangelten uns die halsbrecherisch steile Laufplanke hinab. Wir blickten uns um. Von Bodo war nichts mehr zu sehen. Dafür hörten wir ein verdächtiges, lautes Tröten, so als putze sich ein Elefant den Rüssel.

       »Vielleicht winkt er noch mal?«, hoffte ich, aber Willy schüttelte den Kopf.

      »Der ist so mit seinen Tränen, äh..., ich meine, mit seinem Abwasch und dem dreckigen Frühstücksgeschirr beschäftigt, dass er uns schon lange vergessen hat«, meinte er, legte

      mir väterlich seine Hand auf die Schulter und reichte mir fürsorglich sein Taschentuch. Schweigend gingen wir zum Wagen zurück.

      Wo mochte der Schlacks jetzt stecken? Dubai, Karatschi, Kuwait? Irgendwo bei den Ölscheichs trieb er sich herum. Na ja, er würde es mir schon noch erzählen. Übel war nur, dass auch Joachim schon in den Vorbereitungen zu seiner Prüfung als Schriftsetzer stand, und somit auch keine Zeit für mich hatte. Was also blieb mir anderes übrig, mich in meinen Stichling zu setzen, und die Aale allein zu ärgern.

       »Mann, was hast du denn vor?«, staunte Bootsmann Rudi, als ich mit den langen Stangen und tausend Utensilien angeschleppt kam.

      »Ooch, der Lange hat vor einiger Zeit mal ‘ne Sperrlage gebaut, für seinen Gummikreuzer. Bloß, ausprobiert haben wir sie nie. Aber ich denk mal, sie hat genau das Maß für den Stichling, und so werde ich übers Wochenende mal Karl Bollmann ein wenig Konkurrenz machen!«

      Ich schaute über das Geländer der Veranda, konnte aber den »Reiher«, Karls massives Stahlschiff, nirgends sehn. »Wo steckt der eigentlich?«

       Der Bootsmann grinste. »Der ist zur kleinen Weser, und ich denke, es ist besser, du kommst ihm mit deiner Sperrlage da nicht in die Quere. Ich bin mir nicht sicher, ob er soviel Spaß versteht!«

      »Spaß versteht?«, echote ich empört. »Du täuschst dich, Bootsmann, ich will keinen Spaß machen, ich will das Ding wirklich ausprobieren!«

      Rudi holte tief Luft, als wolle er zu einem sehr ausgedehnten Vortrag ansetzen. Dann winkte er konsterniert ab, drehte sich um und ging kopfschüttelnd davon.

      »Mach doch, was du willst«, brummelte er und verschwand im Bootshaus.

       Es dauerte seine Zeit, bis ich den ganzen Krimskrams verstaut hatte, und, oh Wunder, es passte sogar alles ins Boot. Ich warf den Motor an und tuckerte aus dem Hafen. Ich fuhr Weser abwärts, und mit dem ablaufenden Wasser machte der Stichling ganz schön Fahrt.

      Der Bootsmann mochte Recht haben, es war wohl wirklich besser, dem fischenden Kleiderschrank, wie Karl auch scherzhaft genannt wurde, aus dem Weg zu gehen. Wenn er in der kleinen Weser gegenüber von Brake fischte, dann würde ich ein klein wenig weiter fahren und mein Netz in der Schwei, einem anderen Nebenarm der Weser, auswerfen. So konnte ich ihm nicht ins Gehege kommen. Ich erinnerte mich an den Verlauf der schmalen Fahrrinne und tastete mich mit dem auflaufenden Wasser in den schlammigen Seitenarm hinein. Ich fand die Gräben wieder, in denen Karl mir das Fischen mit der Sperrlage gezeigt hatte, musste allerdings noch eine Weile vor Anker auf die Flut warten.

      Als der Wasserstand hoch genug war, steuerte ich das Holzboot mit einigen Ruderschlägen durch die Wand aus Schilf und ließ es weiter in den Graben treiben. Ich fand schnell eine geeignete Stelle, drehte das Boot quer und warf Bug- und Heckanker aus. In der Abenddämmerung montierte ich das Netz zwischen die beiden langen Holzstangen und brachte die unförmige Konstruktion zu Wasser. Ich musste höllisch aufpassen, denn das leichte Holzboot war natürlich nicht so stabil wie Karls schwerer Reiher. Aber im Grunde genommen war es eine Sache der Balance, und ich gewöhnte mich schnell daran, das Gewicht der Sperrlage mit meinem Körpergewicht auszugleichen.