WEHE… WENN. Andrea Lieder-Hein

Читать онлайн.
Название WEHE… WENN
Автор произведения Andrea Lieder-Hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847695059



Скачать книгу

setzte sich auf den geschlossen WC-Deckel und zupfte sich einige Blätter Klopapier ab. Damit reinigte sie ihre klebrigen Finger. Boah, dachte sie, wie ekelig war DAS denn?

      Langsam kam sie wieder zu sich und schüttelte die Übelkeit ab. Ob sie tatsächlich schwanger war? Aber sie hatte doch ihre Periode gehabt, bis jetzt, regelmäßig. Das hatte sie schon einigermaßen traurig gestimmt. Sie wollte ein Baby, jetzt, jetzt sofort. Von Meeno. Und wenn sie dann mit dickem Bauch vor Kaatje stehen könnte und sagen würde: „Komm, Kaatje, fühl mal, es strampelt schon“, DAS wär der Hammer.

      Jetzt Kaffee? NEIN, sie brauchte Gewissheit. Kaffee hin, Kaffee her. Den konnte sie auch noch bei Tchibo trinken. Sie griff zum Hörer und telefonierte mit ihrem Gyn.

       Sofort? Ja? Wunderbar. Bin in einer Stunde da.

      Dr. Lasse Ambroser war mit Meeno befreundet. Lasse hatte sich ein Patent für eine besondere Schnittführung bei Kaiserschnitt-Geburten bei Meeno patentieren lassen und verdiente sich damit eine goldene Nase. Sonst hätte sie in Hamburg nie sofort einen Termin bei ihm bekommen. Er war DER Gynäkologe in Blankenese.

      Knapp 70 Minuten später saß Emma dem Arzt gegenüber und wartete aufgeregt auf das Ergebnis. „Herzlichen Glückwunsch, Emma. Da wird sich Meeno aber freuen. Du bist schwanger, in der 9. Woche.“

      Emma berichtete ihm, dass sie ihre Periode aber regelmäßig gehabt habe. „Emma, das gibt es wohl mal. Keine Sorge. Bei mir bist Du in den besten Händen. Und Du wirst sehen, alles geht gut.“

      „Kann man schon sehen, was es wird?“

      Dr. Ambroser lachte. „Emma, Emma, wie alle Frauen, diese Frage. Ist es wichtig? Willst Du ein Kind oder eine bestimmte Sorte Kind?“

      Etwas verschämt antwortete Emma: „Es ist nur wegen des Namens.“

      „Sei ehrlich, das ist eine Ausrede. Wie ich Dich kenne, wünscht Du Dir einen kleinen Meeno. Stimmt’s? Ich weiß doch, wie Du ihn vergötterst.

       Aber in den ersten Wochen ist es nicht leicht, das Geschlecht mit Sicherheit zu bestimmen. Im frühen Entwicklungsstadium sehen alle Embryos gleich aus. Ungefähr ab der 11. Woche ist es möglich, einen Unterschied zwischen den Geschlechtern zu erkennen. Die beste Zeit dafür ist aber die 20. Woche. Dann machen wir einen erneuten Ultraschall und dann sage ich Dir, was Du bekommst. Vorher ist es auch nur Spekulation, denn Irrtümer sind nicht ausgeschlossen.“

      Emmas Tagebuch

       Liebe Ayaletta,

       du erfährst es als Erste, meine Süße. ICH BIN SCHWANGER. Ist das nicht großartig??? Ich bekomme ein Baby von Meeno.

       Du fragst, ob es ein Junge wird? Ich hoffe es soooo sehr. Aber ich muss noch ELF Wochen warten. Lasse, mein Gyn, meint, erst in der 20. Woche kann man es mit Gewissheit sagen.

       Es wird ein Januar-Kind. Ein Geschenk zum Jahresanfang. Und der Name?

      „Liam, Paul, Jonathan, Fynn, Ole, Johannes, Phillip“, ich weiß es nicht.

       Ach, du meinst, ich soll auch an Mädchennamen denken? OK. Wie wär’s mit

      „Lea, Maria, Jule, Paula, Pauline, Emilia, Louisa, Emily, Hannah, Sophia?“

       Egal, Hauptsache gesund und von Meeno. Und dann zeige ich das süße Baby KAATJE, huiii, das wird schön. Hoffentlich klappt das mit FB. Juhuuuu...

      Hans-Heinrich Krohn

      Hans-Heinrich Krohn stützte seinen Kopf auf seine Hände und atmete tief durch, ehe er das geänderte Testament unterschrieb. Dann ging er langsam und bedächtig vom Schreibtisch seines Hauses in seinen Ruheraum und setzte sich in seinen bequemen Sessel.

      Ein wenig schwermütig dachte er an sein vergangenes Leben. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er hatte am 3. Januar seinen 66. Geburtstag gefeiert, Jahrgang 48, Nachkriegszeit. Er hatte die Reederei geerbt und erfolgreich weiter ausgebaut. Eine Flotte von 19 Schiffen und Barkassen. H-H Krohn ElbReederei GmbH und Co.KG in dritter Generation. Ja, er hatte viel erreicht.

      Sein Unternehmen mit den Hamburger Hafenrundfahrten hatte seinen Sitz an den St. Pauli Landungsbrücken. Hafenrundfahrten und ergänzend Charterfahrten, das lohnte sich in Hamburg. Seine Schiffe waren ganzjährig im Einsatz. Ja, er hatte es zu was gebracht. Ansehen, Reichtum, aber ohne Liebe und Glück.

      Als 1994 ein junges Mädchen vor ihm stand und fragte, ob sie bei ihm ihr Freiwilliges Soziales Jahr machen könne, da hatte er laut gelacht. Ein graziles, bildschönes Mädchen auf seinen Schiffen? Was wollte sie da? Bedienen?

      Er erfuhr, dass sie gerade ihr Abitur bestanden hatte und erwachsener werden wollte, hier in Hamburg.

      Sie hieß Kaatje Wittgens und kam aus Bremen. Und sie schlich sich in sein Herz. Er war schon 47, ledig und kinderlos, aber er hatte nie Zeit gehabt, sich um eine Frau zu kümmern. Und nun war da eine, zum Greifen nahe.

      Einige seiner Freunde waren entsetzt, als er sie 1995 heiratete. In Bremen. Dort wohnte Kaatje in einer WG und dort hatte der Vater eine gut gehende Praxis. Gynäkologe.

      Die Reederei hatte auch ihn eingeladen, aber Kaatje war entsetzt über die Einladung und sprach während der gesamten Feier kein einziges Wort mit ihrem Vater. Sie hatten sich wohl vor Jahren schon zerstritten, aber Kaatje hatte das nie erwähnt. Und Hans-Heinrich hatte dann auch nicht mehr gefragt.

      Kaatje war 26 Jahre jünger als er, aber das hatte er nie gespürt. Sie war ihm eine ruhige, besonnene Frau. Sie studierte in Bremen Tiermedizin und machte trotzdem den Haushalt. Sie war liebevoll, sie war seine große Liebe.

      In den Semesterferien lebte Kaatje bei ihm in der Hamburger Villa. Für die Studienzeit hatte er ihr ein kleines Holzhaus in Uni-Nähe gekauft. Etwas einsam und am See gelegen, damit sie in Ruhe lernen konnte. Die WG schien ihm für Kaatje wenig geeignet für ein so anstrengendes Studium. Dort, im kleinen Holzhaus, besuchte auch er seine Kaatje so manches Wochenende, wenn sie dort arbeitete. Aber die meisten Wochenenden verbrachten beide zusammen in Hamburg.

      2001 reichte er dann die Scheidung ein. Seine Familie drängte ihn dazu, weil Kaatje keine Kinder bekam. Sie hatte sich dann untersuchen lassen. Der Arzt stellte fest, dass sie nie Kinder würde bekommen können. Aber er brauchte einen Erben für die Reederei.

      Und jetzt? Diese Schlagzeilen? Verheerend für sein Unternehmen.

      Damals heiratete Krohn im gleichen Jahr die geschiedene Eva-Maria Huber aus Wien. Sie war Lehrerein und er lernte sie auf einem Ball kennen. Sie war bescheiden, klug und nett. Auch ansehnlich. Aber ihr Vorteil Kaatje gegenüber war ihr Sohn Jonas. Er war damals 27, genauso alt wie Kaatje, und bereitete sich gerade auf das zweite Staatsexamen vor. Ein Einser Abitur. Studium Jura, Promotion, alles in kürzester Zeit. Er war hoch intelligent. Aber er war auch gut aussehend. Das wurde später zu seinem Problem.

      Hans-Heinrich wünschte sich nichts sehnlicher als die Zeit zurück drehen zu können. Hätte er Kaatje nicht so sinnlos weggegeben, wäre er heute noch glücklich. Auch ohne Kinder. Aber niemand konnte in die Zukunft schauen. Sicher hätte Kaatje die Reederei selbst führen können. Oder ein Geschäftsführer im Team mit Prokuristen. Aber so weit hatte er damals nicht gedacht. Kaatje studierte Tiermedizin und die Reederei war ein altes Familienunternehmen.

      Hans-Heinrich fühlte sich immer einsamer, seit seine Eva im März 2011 an Brustkrebs verstorben war. Einsam und