Название | Der Isländische Freistaat in Sagas |
---|---|
Автор произведения | Helmut H. Schulz |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738058963 |
Die Ankunft von Unn der Weisen in Island in das Jahr 890 n. Chr., verlegt, ist überliefert. Demnach muss der Tod ihrs Vaters Ketil und das Ende ihres Sohnes Thorstein auf dem Schlachtfeld einige Jahre zurückverlegt werden, etwa in die Zeit als Harald Schönhaar Hjarfagr Norwegen mit harter Hand zu einem Königreich vereinigte hatte. Ein Jahrzehnt vor ihr dürften Björn aus dem Osten und sein Bruder Helgi Bjolan in Island Land genommen haben. Björn aus dem Osten, also Björn Ketilsohn beanspruchte Wiesen und Äcker zwischen der Strafa und dem Hraunfjord und gründete Bjarnardhöfn, Björnhafen, auf dem er bis an das Ende seines Lebens wohnen blieb, allem Anschein nach ohne in schwerere Händel verstrickt zu sein, aber auch unter Verzicht auf das Godenamt, für das er wohl auch nicht in Betracht gekommen wäre. Sein Bruder Helgi Bjolan siedelte auf Kjalarnes und wirtschaftete so gut, dass er dort ebenfalls sesshaft wurde.
Unn die Weise übernahm also die Leitung der Auswanderung. Da sie nicht wussten, was sie in Island erwartete und ob sie die Insel überhaupt finden würden, was keineswegs sicher, mussten sie mitnehmen, was sie zum Überleben brauchten. Für eine Langreise kam nur die warme Jahreszeit in Betracht. Das Nordmeer wurde zwar bis spät in den Oktober hinein befahren, aber selbst wenn sie im Laufe des Sommers noch rechtzeitig in Island angekommen wären, um Saatkorn in den Boden zu bringen, wäre das Getreide jeder Art und Sorte erst später in ausreichender Menge vorhanden gewesen. Für einen solchen Auszug war einiges vorauszusetzen. Der Führer musste über genügend Mittel und Menschen verfügen, um ein Lastschiff zu bauen und alle für längere Zeit zu beköstigen. An Geld dürfte es der Unn nach der Niederlage ihres Vaters Ketil nicht gefehlt haben; dass sie mit den Männern der Sippe an die Aufgabe gehen konnte, ein Schiff zu bauen, spricht für ihr Vermögen.
Die Frage, wie groß diese Lastschiffe waren, gibt immerhin Auskunft über Menschen und Fracht. Da lohnt es, einen Blick auf den Schiffbau jener Zeit zu werfen, als die Wikingerschiffe berühmt und gefürchtet waren und ihresgleichen an Seetüchtigkeit und Schnelligkeit suchten. Vier Klassen sind zu unterscheiden; der große Dakar; das bekannte Drachenschiff hatte eine Länge über alles von 48 Metern und eine Breite über alles von 7,50; bei 72 Riemen; zu beiden Seiten konnten je 36 Ruder ausgesteckt werden, demnach saßen auch zweiundsiebzig Rudergasten an den Duchten. Insgesamt bot der Dakar bis zu dreihundert Mann Platz. Das Langschiff der nächst unteren Klasse war 30 Meter lang, konnte immerhin zweihundert Mann Besatzung aufnehmen und zwanzig Tonnen Last stauen; die Tonne nach heute üblichem Gewicht. Beide Schiffe, Dakar und Langschiff waren also Kriegsschiffe, die einen erheblichen Aufwand an Kosten und Unterhalt erforderten. Das Karvi, die dritte Schiffsklasse, war noch kleiner; mit 21 Meter Länge über alles und 5 Meter Breite über alles, konnte das Schiff mit 32 Riemen gerudert werden. Die Knorr, das kleinste der Typenreihe mit nur 16,50 Länge über alles und 4,50 Breite über alles fasste immerhin noch 15 Tonnen Last. Die Knorr war als Transporter das geeignetste Auswandererschiff. Das Größte jemals in dieser Zeit in Norwegen auf Kiel gelegte Schiff war die Ormen Lange, die lange Schlange, mit einer Länge über alles von 48 Meter, deren Bau von König Olaf Thryggvasson 998 n. Chr. befohlen wurde. Die Ormen Lange, mit vergoldeten Steven reich verziert, dürfte allerdings ein Prunkschiff gewesen sein. Eine der Voraussetzungen für den norwegischen Schiffbau war der Reichtum an Bauholz, an Eichen, das beste Material für den Schiffbau. An Werkzeug genügten dem norwegischen Zimmermann Keile, Axt und die Breitaxt. Zwar war die Säge bekannt, aber nicht benutzt; alle Bohlen wurden durch Spaltung des Stammes gewonnen, und mit der Axt oder der Breitaxt auf Dicke gebeilt. Wasser oder Wasserdampf, um die Planken zu formen, ist nicht angewendet worden; eiserne Nägel und Beschläge schmiedeten die Schiffbauer selbst. Über den Kiel aufgelegt, bauten sie zunächst die Außenhaut in Klinkerbauweise auf, dann erst kamen die Spanten in den Rumpf. So etwa werden bis heute geklinkerte Holzboote über Mallen gezimmert.
Unn die Weise, den Schiffbau anregend und ihn überwachend, verstand sich offenbar darauf, ihre Leute anzuweisen und den Bau, vermutlich einer Knorr, voranzutreiben. Sie reiste mit nur einem Schiff, der Erzählung nach. Wie lange der Bau eines solchen Schiffes dauerte und wie viele Handwerker dazu nötig sind, darüber wissen wir nichts. Jedenfalls sind kurze Bauzeiten anzunehmen, berücksichtigt man die Menge der Fahrzeuge, die gegen Ende des zehnten Jahrhunderts gebaut wurden und zum Einsatz kamen. Das Überleben vieler Menschen für längere Zeit voller Gefahren und Zufälligkeiten auf dem Nordmeer zu sichern, gehörte zu den Aufgaben des Führers; er sollte etwas von Seefahrt und von Navigation verstehen; Auswanderer und Seemann in einem sein. Das Nordmeer und der Atlantik sind keine stillen Gewässer. Unter ihrer Rahtakelung konnten die Wikingerschiffe nicht hoch am Wind segeln, also nicht gut gegen den Wind kreuzen. Dem entsprechend wurden viele Hände an den Ruderbänken gebraucht, in dem Fall, dass für längere Zeit Flaute herrschte. Es sollen die Langschiffe unter Riemen immerhin an neun Knoten erreicht haben, etwas weniger als zwanzig Stundenkilometer; manche geben die Fahrtgeschwindigkeit noch höher an. Die Überfahrt von Norwegen nach Island beträgt ohne Umweg oder Ablenkungen rund 1.350 km; also zirka 580 nautische Meilen. Eine Knorr, die 7,5 Knoten Fahrt unter Segel macht, soll fünf bis sechs Tage für die Reise gebraucht haben. Nach Koppelrechnung wären diese Angaben zutreffend. Anders, ohne günstigen Wind hatte sich der Rudergast ins Zeug zulegen, um im Takt zu rudern und das Schiff lenz zu halten. Großes Selbstbewusstsein,