Название | Achteinhalb Wochen |
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Автор произведения | Ute Christoph |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738085709 |
„Na“, machte Thomas warnend, „sei vorsichtig. Wer weiß, was das für einer ist. Und woher hat der überhaupt deine Nummer?“
Bevor ich antworten konnte, winkte Antje ab. „Ah geh, Thomas, du und deine Skepsis. Lass Lisa doch. Was soll denn bei der Schreiberei schon passieren?“
Ich war geneigt, auf Antje zu hören.
23:49 Uhr
Ich: Bin gerade von einem schönen Abend mit meinen bayerischen Freunden aus Düsseldorf zurück. Die zwei stellen dort auf einer Messe aus. – Ja, du hast recht. Alles braucht seine Zeit, insbesondere Heilung und Entwicklung. Wer hat dich bloß so verletzt?! – Wie kam es eigentlich dazu, dass du aus Versehen die erste SMS an mich geschickt hast? Träum süß.
24. Juli 2016
01:15 Uhr
Koray: Ich habe beim Speichern meiner Zielnummer einen Fehler gemacht und bin so zufällig bei dir gelandet … Ich möchte dein Gemüt nicht mit meinen Wehwechen trüben, zumal tausend SMS nicht reichen würden, alles zu erklären … die Kerze flackert … ich sehe in meinem Glas Rotwein meine braunen Augen funkeln … sehe nämlich, wie ich dir höflich die Rose schenke … gib ruhig zu, dass du ein Engel bist … iyi geceler, tatli rüyalar!!!
11:17 Uhr
Ich: Bei Latein kann ich ja noch mithalten, aber bei Türkisch muss ich passen. – Als spiritueller Mensch weißt du doch: Es gibt keine Zufälle. Ich mag es, mit dir zu schreiben.
12:52 Uhr
Koray: Ja, man sagt, Zufälle sind wie reife Früchte, deren Zeit gekommen ist, vom Baum zu fallen! … ich biete erneut mein vorletztes Hemd an … für die Auskunft, wie dein Haar ist. Farbe? Form? … Ich mag an einer Frau am meisten die duftend gepflegten Haare – typisch Mann :-)
Zufälle sind wie reife Früchte, deren Zeit gekommen ist, vom Baum zu fallen. Das gefiel mir! Aber wie meine Haare aussahen, hatte ihn nicht zu interessieren und was er an einer Frau am meisten mochte, interessierte mich nicht. Aber irgendwie konnte ich ihm nicht vor den Kopf stoßen. Jetzt, da es ihm gerade wieder besser ging? Oder um es mit Antje zu halten: Was sollte denn bei der Schreiberei schon passieren? Es schadete doch nichts, ihm ein bisschen Aufmerksamkeit zu schenken. Ihm zu schreiben, wie mein Kopf aussah und mal nach ihm zu fragen?
15:45 Uhr
Ich: Ein schöner Spruch. … Meine Haare sind blond und inzwischen relativ lang. Wärst du bei WhatsApp, könntest du ein Foto von mir sehen. Wie schaust du denn aus? Außer den braunen Augen, die ich vermutet hatte, weiß ich ja auch nichts von dir.
16:02 Uhr
Koray: DANKE! Oh jee … bin typisch südländisch braun, Oberlippenbart, meine anatomischen Maße sind normal (1,80 m, 90 kg) … bin kein Frauentyp … und tröste mich damit, dass manche Frauen Männer ohne Haare sexy finden … ja, ich lächle gerade :-) … mein Handy ist aus dem Jahr 1873 … da ist nichts mit WhatsApp … aber Weihnachten kommt mit modernem Handy & Co.
Kein Frauentyp. Okay. Bei einem Meter und achtzig war er mit neunzig Kilogramm in der Tat etwas übergewichtig.
Keine Haare. Na ja, das sah bei den meisten Männern ja ziemlich attraktiv aus. Aber der typisch türkische Oberlippenbart – oh, Mann.
Wenn es ihm gut ging, schien Koray über eine ordentliche Portion Humor zu verfügen. Ein spiritueller, romantischer Mann mit Humor. Das hatte was. Und ein Türke, der unser christliches Weihnachtsfest feierte, war auch eine Rarität.
18:20 Uhr
Ich: Jetzt musste ich auch lachen. Unsere ersten weltlichen SMS. Warum der klassische Oberlippenbart?
18:50 Uhr
Koray: Na ja, ich weiß nicht, wie ich es schreiben soll … mein Oberlippenbart hat in meiner erotischen Welt einen „ganz besonderen“ Platz!!!
Upps! So genau hatte ich das gar nicht wissen wollen. Auf der anderen Seite war ich jetzt natürlich neugierig – hatten alle Türken aus erotischen Gründen diesen Schnäuzer? Das wäre etwas, das wir Deutschen garantiert nicht vermuteten?
19:38 Uhr
Ich: Oh!!! Hast du mir jetzt gerade das Geheimnis der türkischen Männer verraten?
20:17 Uhr
Koray: … es ist nur ein Geheimnis zwischen meinem Bart und mir! … Ich begehre Frauen, die mein Blut zum Kochen bringen können!
Nach dieser SMS hatte ich wohl mehr als jeweils ein Fragezeichen in beiden Augen. Was sollte ich mit dieser Information anfangen? Und außerdem: Hatte er nicht geschrieben, er sei Romantiker und stehe nicht auf amouröse Abenteuer? Oder hatte ich etwas falsch verstanden? Ich wollte weder begehrt werden noch sein Blut zum Kochen bringen. Was ich wollte, war ein schöner und vielleicht bereichernder Austausch.
20:28 Uhr
Ich: Aha!? Ich dachte, du stehst nicht auf amouröse Abenteuer. Das liest sich gerade etwas anders.
21:04 Uhr
Koray: Nein …. Liebe Lisa, amouröse Abenteuer sind nicht meins … in tiefem Vertrauen … ich hatte seit Weihnachten 2014 keinen Sex mehr … drei Ereignisse haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin … worüber ich nur schweige.
21:16 Uhr
Koray: Aber wer weiß? Vielleicht bin ich eines Tages in der Lage, dir davon zu erzählen … liebe Grüße
Da war ich wohl ein wenig ungerecht gewesen. Dieser Mann war doch wahrscheinlich noch völlig neben der Spur. Sonst hätte er doch nicht extra an diesem schamanischen Ritual über drei lange Nächte teilgenommen. Ich würde ihn jetzt einfach anrufen.
Aber es klingelte ins Leere.
21:18 Uhr
Ich: Ich war jetzt einfach mal so mutig und vermessen, dich anzurufen. Aber leider gehst du nicht ans Telefon. Ich möchte nicht an Dingen rühren, die dich aufwühlen. – Was ich noch schreiben wollte zu einer heutigen SMS von dir: Kein Mensch ist es wert, dass du tausend oder mehr SMS über das Leid, das er bei dir verursacht hat, schreibst. Kein Mensch!
21:21 Uhr
Koray: Sorry … die Rufnummer war unterdrückt, darum ging ich nicht ran … wenn du noch mal möchtest?
Und ich wählte seine Nummer noch einmal. Er entschuldigte sich, dass er das Gespräch beim ersten Mal nicht angenommen hatte. Seine Stimme war angenehm – weich und ruhig. Eine Weile redeten wir über Belanglosigkeiten. Es war etwas anderes, sich täglich zu schreiben, als nun miteinander zu sprechen … Ich fragte ihn, wie man seinen Namen aussprach und er ließ es mich wissen.
Mhmm“, sagte ich. „Das ‚r‘ kann ich nicht so rollen wie ihr. Ist es okay für dich, wenn ich deinen Namen deutsch ausspreche.“
„Lisa“, lachte er, „du bist Deutsche. Es hat seinen Reiz, wenn du meinen Namen auch deutsch aussprichst.“ Dann seufzte er plötzlich.
„Du hast jetzt keine Zeit oder Lust zu telefonieren?“ fragte ich.
„Nein, das ist es nicht“, antwortete er. „Ich möchte dir einfach von den drei Ereignissen erzählen, von denen ich dir heute geschrieben habe. Ich weiß nicht, warum. Aber ich habe durch unseren Kontakt, während ich auf Zypern war, ein starkes Vertrauen zu dir entwickelt. Deshalb möchte ich dir jetzt einfach davon erzählen.“
„Bist du sicher?“ fragte ich.
„Ja, bin ich“, antwortete er.
„Danke“, sagte ich leise.
Er seufzte wieder.
Im Hintergrund hörte ich die knarrenden, hohen Motorgeräusche vorbeifahrender Mofas und wir schwiegen einige