Название | Die Blutsippe |
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Автор произведения | Mona Gold |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847688396 |
Kommissar Baier saß an seinem Schreibtisch und hatte mit unbeweglicher Miene zugehört. Was er zu hören bekam, verbesserte seine Laune nichts gerade. Er glaubte dem jungen Mann kein Wort. Heute Morgen noch war der jungen Frau auf der Ritterburg alle Farbe aus dem Gesicht gewichen, als er sie darauf hinwies, dass sie ohne Alibi durchaus als Tatverdächtige in Frage kam und nun auf einmal marschierte sie mit einem vermeintlichen Zeugen in sein Büro. Also verzog er nur missmutig das Gesicht und wies Anna an, bitte draußen zu warten. Als diese nur unsicher Leo anblickte, verdeutlichte er mit einer verächtlichen Handbewegung seine Anweisung. Er war es schon lange nicht mehr gewohnt, dass seinen Anordnungen nicht sofort Folge geleistet wurde. Unsicher blickte Anna Leo an. Der nickte nur und gab ihr flüchtig einen Kuss auf die Wange. Anna wurde rot und nickte schüchtern. „Ich warte draußen bei der Kutsche.“ Plötzlich war ihr einfach nur noch übel in dem stickigen Büro und sie brauchte dringend frische Luft. Irritiert zog Kommissar Baier die Augenbrauen hoch. Hatte er es sich doch gleich gedacht! Zwischen den beiden lief was! Wieso sonst sollte der junge Mann Frau Wolfstöter auf die Wange küssen und ihr dabei so tief in die Augen blicken? Deshalb auch die entlastende Aussage. Er würde Stein und Bein darauf verwetten, dass die junge Frau nach ihrer Ankunft in Rittertal nicht eine Sekunde mit dem jungen Mann zusammen war. Jetzt musste er es den beiden nur noch beweisen…
Mit hochrotem Kopf verließ Anna das Gebäude. Er hatte sie geküsst! Zwar nur auf die Wange, aber das war immerhin ein Anfang. Vor freudiger Erregung zitternd wickelte sie ihre Jacke um ihren Körper und strahlte über das ganze Gesicht. Sie strahlte immer noch, als sie aus dem Eingang kam und auf die Kutsche zu ging, die Leo einfach auf dem Parkplatz abgestellt hatte. Versonnen lächelnd kraulte sie das Pferd hinter den Ohren und sah sich um. Es war die nächstgrößere Stadt, in der sich die Polizeistation befand. Ehrlich gesagt hatte sie es sich größer vorgestellt. Dass ein solch kleiner Ort bereits Stadtrechte haben sollte erstaunte sie ebenfalls. Wahrscheinlich irgendein Überbleibsel aus dem Mittelalter. Tröstlich war nur, dass es offenbar alles gab. Vielleicht sollte sie nicht immer alles mit ihrer Heimatstadt Berlin vergleichen.
Gedankenverloren beobachtete sie das bunte Treiben in der kleinen Fußgängerzone mit den vielen kleinen Geschäften, die sich vor ihrer Nase erstreckten. Doch plötzlich stutzte sie. Gerade als sie neugierig den Eingang eines doch sehr altertümlichen Tischlereibetriebes betrachtet hatte, ging die Tür auf und ein junger Mann war herausgetreten. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, wenn der junge Mann nicht über irgendetwas gestolpert wäre. Vor Schreck ließ er das dick verschnürte Paket, das er unter dem Arm trug, fallen. Mit einem lauten Poltern fiel es auf den Boden und die Verpackung brach auf. Zum Vorschein kamen unzählige angespitzte Holzpflöcke. Es mussten mindestens hundert sein. Was wollte man denn nur mit so vielen Holzpflöcken? Völlig irritiert starrte Anna auf den jungen Mann, der nun hektisch begonnen hatte, die schön gespitzten Pfähle aufzusammeln und flink in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Dabei sah er sich nach allen Seiten nervös um und verschwand dann im Laufschritt in einer Seitenstraße.
Sprachlos schaute Anna ihm hinterher, als sich plötzlich eine Hand von hinten auf ihre Schulter legte und leicht zudrückte. Erschreckt wirbelte sie herum und schaute… in Leos Gesicht. Er strahlte sie an. Wieder mit seinem umwerfenden Lächeln. „Alles klar?“ - „Das müsste ich dich fragen. Ist alles gut gegangen? Hat er dir geglaubt?“ Leos Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war. „Was heißt hier 'Hat er dir geglaubt?' Du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen. Außerdem entspricht es voll und ganz der Wahrheit, dass wir beide die Zeit zwischen deiner Ankunft in Rittertal und deinem Eintreffen auf der Burg zusammen verbracht haben. Ich habe nicht gelogen.“ Nun war sein Gesichtsausdruck regelrecht wild und empört. Dass er Recht hatte, wusste Anna. Trotzdem war seit dem Besuch der Polizei und deren Anschuldigungen ein schales Gefühl in ihrer Magengegend zurückgeblieben.
Schniefend nickte sie und suchte insgeheim nach einem Thema, dass weniger schlechte Stimmung zwischen ihnen verbreiten würde. Dazu fiel ihr der junge Mann mit seinen eigenartigen Holzpfählen ein, den sie noch vor ein paar Minuten vor der Tischlerei beobachtet hatte. „Eben gerade habe ich einen jungen Mann aus der Tischlerei dort drüben mit einem ganzen Packen Holzpflöcke kommen sehen. Findest du das nicht auch eigenartig? Wozu braucht man denn noch angespitzte Holzpfähle?“ Während sie sprach, hatte sie die Tür zur Tischlerei keine Sekunde aus den Augen gelassen, so dass ihr Leos Erbleichen verborgen blieb. Auch dass er ihr nicht antwortete kam ihr nicht seltsam vor. „Die einzige Bedeutung, die ich mit angespitzten Holzpflöcken in Verbindung bringe ist das Töten von Vampiren. Denen muss man ja bekanntlich einen Pflock schön tief ins Herz schlagen, damit sie endlich tot sind und wirklich nie wieder auferstehen.“ Lachend drehte sie sich um und erschrak zutiefst. Leo stand noch blasser als sonst vor ihr starrte sie voller Verachtung an. „So? Muss man das?“ Sagte er und drehte sich wütend um. Mit mehr Schwung als nötig setzte er sich auf den Kutschbock und nahm die Zügel in die Hand. „Wenn du hier in der Stadt nicht übernachten willst, solltest du dich beeilen.“ Sein Blick war eiskalt. Wie ein Racheengel thronte er auf der Kutsche und starrte wutentbrannt zu Anna herunter, die sich immer noch völlig perplex beeilte, ebenfalls aufzusitzen. Kaum hatte sie sich zurück gelehnt, fuhr die Kutsche auch schon an. Die gesamte Fahrt über sprach Leo kein Wort mehr mit ihr. Jeder ihrer Versuche, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, scheiterte kläglich. Ratlos und mit verschränkten Armen saß Anna auf dem Kutschbock neben Leo. Sie wusste einfach nicht, was sie falsch gemacht hatte.
7. Bissspuren
Nach ihrem Ausflug aus der Stadt war Anna reichlich verspätet zum Abendessen erschienen. Ihr war noch immer ein bisschen schwindelig und obendrein mächtig übel. Ob das nun an der Bissattacke heute Nachmittag oder Leos eigenartigem Verhalten nach ihrem Spaß über Vampire lag, wusste sie nicht. Wenn sie allein daran dachte, wie eisig sie unter Leos Blick zusammengezuckt war, verkrampfte sich ihr Magen. Wahrscheinlich war es jetzt wirklich das Beste, wenn sie etwas aß. Flink huschte sie die Treppen in der Eingangshalle hinunter und verschwand in der Küche. Eigentlich hatte sie sich nur kurz etwas holen wollen, aber dann, als sie in der Küche die geöffnete Tür zum angrenzenden Esszimmer bemerkte, hielt sie inne. Dort schienen alle Bewohner des Rittergutes versammelt zu sein.
Offenbar nahm man hier zumindest das Abendessen gemeinsam ein. Anna entdeckte viele unbekannte Gesichter. Insgesamt zählte sie sieben Personen, die um den runden, großen Tisch herum saßen und neun Gedecke. Man hatte für sie und Adele mit gedeckt, als ob ihre Tante jeden Moment zur Tür herein kommen könnte. Sie schluckte und wusste nicht genau, wie sie sich verhalten sollte. Die Erinnerung an ihr unglückliches Gespräch mit Alma kam ihr wieder in den Sinn. So begegnete Anna der Haushälterin mit doch sehr gemischten Gefühlen, als diese sie überschwänglich herein bat. Sie überraschte der unverfängliche, freudige Tonfall der Haushälterin. Nach ihrer Unterredung heute Morgen nach dem Besuch der Polizisten hatte sie gar nicht mehr den Eindruck, dieser Dame vollends vertrauen zu können. Im Gegenteil. Seit dem die Haushälterin versucht hatte, sie auszuhorchen und dabei auch noch so eigenartig belauert hatte, wollte sich Anna lieber von ihr fernhalten.
Mehr widerstrebend betrat sie das Esszimmer und betrachtete unsicher die beiden freien Plätze. Beide waren an Almas Seite. Nun gut, dann würde sie in den sauren Apfel beißen müssen. Schicksalsergeben ließ sie sich auf einen der beiden Stühle gleiten. Während sie noch möglichst freundlich und unverfänglich in die Runde lächelte, legte ihr Alma auch schon ihre kleine, runzelige Hand auf den Oberarm. „Schließlich wohnst du doch jetzt hier und gehörst zur Familie, Kindchen!“. Das junge Mädchen neben Anna betrachtete diese mit offenem Missfallen. Dies schien auch der Haushälterin aufzufallen, die das unhöfliche Verhalten mit hochgezogenen Augenbrauen quittierte, sich jedoch eines Kommentars enthielt.
Statt dessen lächelte sie Anna betont freundlich an und stellte sie den übrigen Bewohnern vor. „Das ist Anna Wolfstöter. Adeles Nichte. Sie ist gestern Abend angekommen.“ - „Genau