Vermiss mich nicht. Nicole Beisel

Читать онлайн.
Название Vermiss mich nicht
Автор произведения Nicole Beisel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738003253



Скачать книгу

diesmal ist es anders, denn es ist mein Herz, das gebrochen wurde. Zum ersten Mal dachte ich, es sei etwas Ernstes. Ich habe Elizabeth geliebt, habe sie verehrt, sie war mir wirklich wichtig. Ich hatte sie fragen wollen, ob sie bei mir einziehen will, ob sie meine Frau werden will. An diesem einen Wochenende, für den Samstag, hatte ich diese Aktion mit dem Candle-Light-Dinner geplant, doch dieser Samstag kam nie. Der Ring liegt noch immer in der Tasche meines Sakkos, das ich achtlos über den Sessel im Wohnzimmer geworfen habe. Dort liegt er nun seit mehreren Wochen. Oder sind es gar schon Monate? Ich habe keine Ahnung, jedenfalls ist sie schon eine ganze Weile weg. Elizabeth. Sie hat mich einfach verlassen, von heute auf Morgen, ohne jegliche Vorankündigung. Ich kenne bis heute keinen Grund, und auch erreichen konnte ich sie nicht mehr. Irgendwann habe ich es aufgegeben und suhle mich bis heute in meinem eigenen Schmerz.

      Auch die tägliche Dusche kann dieses schwere Gefühl nicht fortspülen, und so trage ich die Last mit mir in die Kaffeebar und anschließend ins Büro.

      „Guten Morgen.“ Zaghaftes Nicken macht die Runde unter den Frauen, die meine Briefe und die der Kollegen zu Papier bringen. Ich sehe, dass sie ihrer Arbeit nachgehen, aber ich spüre deutlich, dass sie sich ihren Teil denken. Dabei geht es sie gar nichts an. Mich schert deren Privatleben doch auch nicht. Anstatt mich weiter darüber zu ärgern, suche ich mein Büro auf und schalte sämtliche Geräte ein, die mich durch den Tag begleiten. Plötzlich klopft es an der Tür.

      „Jeff, guten Morgen. Komm rein.“. Er folgt meiner Anweisung und tritt ein. So geht das mittlerweile beinahe jeden Morgen. „Wie geht es dir heute?“ Ich lache zynisch. „Wie soll es mir schon gehen? Es ist kein Wunder geschehen, warum sollte sich also an meinem Gemütszustand irgendetwas geändert haben? Elizabeth ist weg, und das wird sie auch bleiben. Scheinbar war ich ihr nicht gut genug.“ Jeff seufzt, ich scheine ihm auf die Nerven zu gehen, aber es kümmert mich nicht. Ich weiß, dass ich mich daran gewöhnen sollte, wieder auf dem Markt zu sein, aber die Hoffnung auf eine neue, wahre und tiefsinnige Liebe hat mich gemeinsam mit meiner Ex-Freundin verlassen. Es fällt mir schwer, mich an das Single-Dasein zu gewöhnen. Mit Anfang dreißig bin ich mittlerweile nicht mehr am Alleinsein interessiert.

      „Was stört dich mehr? Die Tatsache, dass sie dich sitzen gelassen hat oder dass du nun alleine bist?“ Das ist eine gute Frage, die ich spontan nicht beantworten kann. Elizabeth war eine klasse Frau. Schlank, blond, stets schick gekleidet, und die Angestellte meiner Bank an meinem Zweitwohnsitz in Kilkenny. Zumindest war sie dort angestellt, denn sie scheint gekündigt zu haben, als sie mich verließ. Jedenfalls ergaben meine Nachfragen diesbezüglich lediglich, dass sie nicht mehr dort arbeitet. Auch ihre Schwestern, die ich noch nie sonderlich gut leiden konnte, konnten mir nicht sagen, wo es sie hingezogen hat. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu vergessen, was mir scheinbar bis heute noch nicht ganz gelungen ist. Vielleicht wird es besser, wenn sich endlich ein Käufer für mein kleines Häuschen in Kilkenny finden lässt.

      „Keine Ahnung. Beides vielleicht. Worauf willst du hinaus, Jeff?“ Er grinst und ich ahne nichts Gutes. „Such dir jemand Neues. Du bist ein klasse Typ, hast Geld und Erfolg. Die Frauen lieben so was. Geh aus, Kumpel! Das Leben geht weiter. Häng dich nicht an einer Schnitte auf, die dich nicht verdient hat.“

      Ich schüttele den Kopf. Er rafft es einfach nicht. „Was soll ich denn mit ner neuen Frau? Ich brauche keine neue Frau.“ Jeff zieht die Augenbrauen hoch. „Das sehe ich anders. Überleg es dir.“ Mit diesen Worten verlässt er mein Büro und lässt die Tür von außen ins Schloss fallen. Um mich abzulenken lasse ich mir einen Kaffee bringen und mache mich an die Arbeit. Kaum habe ich den ersten Schriftsatz diktiert, sehne ich mir den Feierabend herbei.

      Der Feierabend kommt, und mit ihm meine Gedanken an mein leeres Zuhause, das seit einiger Zeit noch leerer ist, obwohl ich zuvor auch schon alleine darin gewohnt habe. Trotzdem scheint etwas zu fehlen. Ich esse eine Kleinigkeit und setze mich vor den Fernseher. Ich schalte durch die Kanäle, aber überall nur Actionfilme und Liebesschnulzen. Genervt von mir selbst lasse ich mir Jeffs Worte noch mal durch den Kopf gehen. Könnte er recht haben? Sollte ich mir jemand neues suchen? Elizabeth wird nicht zurückkommen, so viel steht fest. Wie lange also soll ich ihr noch hinterher trauern? Scheint so, als würde ich Jeff doch noch klein beigeben. Ich hasse es, alleine auszugehen, und Jeff will ich jetzt auch nicht unter die Nase reiben, dass er recht hat. Das tun zahlreiche andere Leute tagtäglich.

      Ich denke nach und wage einen Versuch. Mein Vorhaben bleibt geheim, zumindest vorerst. Braucht keiner wissen, was ich in meiner Freizeit so treibe.

      Ich schnappe mir meinen Laptop, google nach entsprechenden Seiten und melde mich bei lovelyfriends.com an. Das kann ja nur schief gehen.

      Lilly

      Die Außenwelt und ich

      Rachel hilft mir, einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu machen, obwohl sie selbst unter ihren Gedächtnislücken leidet. Ich bin dankbar für den Kontakt zu ihr und bin froh, mich auch über belanglose Dinge austauschen zu können. Irgendwann driftet unser Gespräch von unserer Krankheit ab und geht über zu normalen, alltäglichen Dingen, über die wir einander berichten. Stück für Stück spüre ich, wie ich mich ein wenig normaler fühle, menschlicher, nicht mehr ganz so fremd wie zuvor. Klar, ich bin in den letzten Wochen einkaufen gegangen, besuche regelmäßig meinen neuen Hausarzt und einen Neurologen, der mir vom Krankenhaus empfohlen wurde und mache hin und wieder einen Spaziergang. Aber als Kontakte kann ich all diese Gänge nicht bezeichnen.

      Ich genieße die Zeit mit Rachel und bin froh, sie kennen gelernt zu haben. Nachdem zwei Stunden vergangen sind, tauschen wir unsere Daten aus und beschließen, auch außerhalb der Selbsthilfegruppe in Kontakt zu bleiben und uns hin und wieder zu treffen. Da ich derzeit noch kein Handy besitze, muss ich mich auf die Nummer meiner Festnetzleitung beschränken, was jedoch für keinen von uns ein Problem darstellt. Ich bin froh, dass sie ein wenig selbständiger ist, als ich, was daran liegt, dass sie doch noch mehr aus ihrem alten Leben weiß als ich aus meinem.

      Wir verabschieden uns mit einer netten Umarmung und machen uns auf den Weg. Es ist früher Nachmittag und ich weiß nicht recht, was ich mit meiner Zeit anfangen soll. Meine Einkäufe sind alle erledigt, Bücher besitze ich nicht und der kleine Fernseher, der zur Wohnung gehört, gibt um diese Tageszeit auch nichts Vernünftiges her. Ich habe kein Handy und auch keinen Computer, und doch drängt es mich dazu, mich ein wenig sozialer zu verhalten. Kontakt zu Menschen aufnehmen, neue Leute kennenlernen. Aber wie soll ich das anstellen, ohne die entsprechenden Geräte zur Verfügung zu haben? Ich laufe weiter und stoße auf ein Internet-Café. „Pro Stunde 1,50 €“ steht in großen Lettern an der Tür geschrieben. Ich krame in meiner Tasche, rechne kurz nach und betrete den dunklen und nicht sonderlich gut besuchten Raum. Meine Bestellung beschränkt sich auf ein Wasser und ich zahle für eine Stunde Internetzugang. Ich ziehe mich an den hintersten Tisch zurück und öffne die wohl größte Suchmaschine der Welt. Die Ergebnisse meiner Suche zeigen mir sämtliche soziale Netzwerke an, ebenso wie Seiten für Singles und sonstige einsame Menschen. Menschen wie mich. Mein Blick fällt auf ein ganz besonderes Portal und ich beschließe, mir eine gültige Email-Adresse zuzulegen und mich dort anzumelden. Schnell habe ich mein Profil bestätigt und ausgefüllt, ein Foto von mir selbst existiert jedoch nicht, was ich im Augenblick auch gar nicht schlimm finde. Ich sehe zwar nicht unbedingt schlecht aus, aber es muss ja keiner von Anfang an wissen, wie ich aussehe.

      Auch wenn ich nicht weiß, was mich erwartet und ich mit zahlreichen Anmachversuchen zwielichtiger Kerle rechne, wage ich den Schritt nach vorne. Ich werde ohnehin vorerst nicht sonderlich oft nach neuen Anfragen oder Nachrichten schauen können, aber es tut mir gut, überhaupt irgendeinen Kontakt zu haben. Ich muss mich damit abfinden, dass mein Leben nun von vorne beginnt und ich mir ein neues Umfeld aufbauen muss. Und ich denke, neben Rachel ist das Internet eine gute, vorübergehende Lösung.

      Die Stunde ist schnell um. Ich verlasse den Laden und mache mich auf den Heimweg, langsam knurrt mein Magen und ich beschließe, mir eine Kleinigkeit warm zu machen und es mir letztendlich doch vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Noch immer komme ich mir fremd vor in diesem Gebäude, aber an anderen Orten fühlt es sich nicht viel anders an. Ich kann