Die schönsten Märchen aus Zentralafrika. Andreas Model

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Название Die schönsten Märchen aus Zentralafrika
Автор произведения Andreas Model
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742737786



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Tages besuchte er erneut den Häuptling. "Ich will deine Tochter heiraten, das Mädchen mit den Kupferketten. Du sollst dafür die zehn Paar Elefantenzähne bekommen." Der Vater antwortete: "Morgen soll die Hochzeit stattfinden." - "Gut so", sagte Akulenzame. Der Vater suchte nun die Tochter auf. "Morgen soll die Hochzeit stattfinden." - "Gut", sagte das Mädchen, "mein Herz ist zufrieden. Aber eine Sache will ich von meinem zukünftigen Mann erbitten." - "Welche denn?" fragte der Vater. "Zwischen dir und dem benachbarten Häuptling steht, wie du weißt, der Tod einiger Krieger. Um den Kampf zu beenden, sollte er mich heiraten. Hört er nun von meiner Heirat mit Akulenzame, gerät er in Zorn, und ich muss seine Rache fürchten." - "Das ist wahr, man findet mitunter sogar bei der Antilope Schläue!" Damit ging der Vater, um die Sache Akulenzame zu erzählen. "Ich werde das schon in Ordnung bringen", antwortete der.

      Gleich am Abend öffnete er seinen Sack und rief die Seelen. "Seit längerem habe ich euch besser gefüttert als je zuvor. Doch nun ist Schluss, bis ihr meinen neuen Auftrag ausgeführt habt!" - "Wie lautet der?" - "Ihr geht ins Nachbardorf und bringt den Häuptling hierher, gebunden an Händen und Füßen." - "Das ist leicht", antworteten sie. Schon sind sie weg, kui, kui, durch die Tür, kui, kui, durch das Fenster. Noch vor Tagesanbruch war der Häuptling ein Gefangener und befand sich in der Hütte Akulenzames, gut gefesselt an den Füßen, gut gefesselt an den Händen, einen großen Holzklotz hinter sich herschleppend und über all das sehr verwundert und halbtot vor Angst.

      Am Morgen rief Akulenzame den Häuptling in die Hütte. "Du hast deinen Feind gefordert. - Hier!" Der Häuptling war außer sich vor Staunen. Er rief seine Männer. "Seht", sagt er ihnen, "Akulenzame hat ganz allein den Feind gefangen und hierher geführt. Er ist ein großer Krieger!" Und alle schrieen "Yo, yo!" Dann nahm man sich den feindlichen Häuptling vor. Die Frauen zerrten ihn am Kopf, streuten ihm gestoßenen Pfeffer in Nase und Augen. Er wurde in die Mitte des Dorfes geführt, um dem Fest beizuwohnen. Als es beendet war, schnitt man ihm die Kehle durch.

      Der Abend kam, und Akulenzame kehrte diesmal mit der Frau in seine Hütte zurück. Am anderen Tag kam der Häuptling, das versprochene Hochzeitsgeschenk zu fordern. Ein kümmerlicher Schwiegervater, dachte Akulenzame bei sich. Der alte Häuptling sprach: "Akulenzame, du bist jetzt mein Sohn. Nur noch eine Sache erbitte ich von dir. Ich sehe, wie mächtig du bist. Bringe mich in Sicherheit vor dem Tod." - "Gut", erwiderte Akulenzame, "wenn du deinen Wunsch vor allen Leuten wiederholst." Das tat der Häuptling.

      Als es Nacht war, öffnete Akulenzame den Sack, gab dabei Acht, dass keiner zusah, und befahl den Geis­tern, hervorzukommen. "Ihr habt mir gut gedient", sagte er zu ihnen. "Ich bin mit euch zufrieden. Zum Lohn sollt ihr eure Freiheit haben. Nur eines ist noch zu tun." - "Und was ist das?" fragten die Geister hocherfreut. "Ihr sollt meinen Schwiegervater mit euch nehmen." - "Das ist leicht", antworteten alle. Akulenzame ging hinaus in den Raum, wo der Schwiegervater sich wärmte. "Mein Versprechen soll erfüllt werden. Du wirst vor dem Tod in Sicherheit gebracht", sagte Akulenzame. "Ich brenne darauf! Wie wird das geschehen?" Im gleichen Augenblick erschienen die Geister. Alle wollten sich retten. Schon waren sie wieder verschwunden und schleppten den alten Häuptling mit. Seitdem hat man ihn nie wieder gesehen. Akulenzame aber sagte: "Nun ist er für immer sicher vor der Todesfurcht, denn man stirbt nur einmal. Er war ein großer Krieger!" Alle stimmten ihm bei. Akulenzame richtete eine riesige Totenfeier aus. Einen ganzen Monat lang erklang die Trommel, und man tanzte den Tanz der Toten. Danach wurde Akulenzame als Nachfolger seines Schwiegervaters Häuptling.

      Amaranga

      Es war einmal ein Mann, der heiratete eine Frau, und sie gebar zwei Kinder. Das eine war ein Junge, aber er war lahm, das andere ein Mädchen mit Namen Amaranga. Als der Mann nun noch eine Frau heiratete, forderte die zweite: "Wenn du Amaranga nicht tötest, magst du mir geben, was du willst, Essen oder etwas anderes, ich werde nichts anrühren." Eines Tages ging die Mutter Amarangas aufs Feld. Da tötete ihr Mann das Mädchen und gab es seiner Nebenfrau, damit sie es verzehre. Der Lahme bekam eine Hand, die nahm er und sagte zu seinem Vater: "Vater, ich muss austreten. Trag mich hinaus." Der Vater trug ihn hinaus. Auf dem Rückweg versteckte der Junge die Hand unbemerkt im Gebüsch. Nachdem Amaranga getötet worden war, flog ein Vogel zu dem Feld, auf dem Amarangas Mutter Maniokknollen häufelte, setzte sich auf einen Baum und fing an zu singen:

      "O Amaranga, Amaranga. Sie haben das Fett der Amaranga ausgelassen, Amaranga.

      Sie haben Amaranga gebraten, ja gebraten, Amaranga.

      Sie haben sie einer anderen Frau gegeben, Amaranga."

      Amarangas Mutter hörte den Gesang und sprach zu dem Vogel: "Kleiner Vogel, wenn du mir etwas zu sagen hast, so komm herunter und setze dich auf meinen Kopf." Da setzte sich der Vogel auf ihren Kopf. Die Frau aber fuhr fort: "Kleiner Vogel, wenn du mir etwas Wahres zu berichten hast, komm her und setze dich auf meine Hand." Da kam der Vogel, setzte sich auf ihre Hand und sang wieder das Lied. Als Amarangas Mutter ihn angehört hatte, erschrak sie sehr. Sie verließ das Feld und kehrte heim. Zu Hause bat der lahme Junge sie: "Mutter, ich muss austreten. Trag mich hinaus." Seine Mutter trug ihn hinaus, und er zeigte ihr Amarangas Hand. Auch erzählte er ihr alles über seinen Vater und die Nebenfrau. Da wusste die Mutter, dass Amaranga wirklich getötet worden war und stimmte eine große Totenklage an.

      Eines Tages sagte sie zu der Nebenfrau: "lass uns im Fluss baden gehen. Es gibt dort eine schöne Stelle zum Schwimmen." Am Fluss angekommen, zog sie ihren goldenen Ring ab und sagte: "Sieh hier meinen Ring. Ich werfe ihn jetzt ins Wasser und hole ihn dann wieder heraus. Danach werfe ich ihn noch einmal hinein, und dann darfst du ihn holen." Für sich selbst warf sie den Ring nahe beim Ufer ins Wasser und holte ihn auch wieder heraus. Als aber die Nebenfrau an die Reihe kam, warf sie ihn in die Mitte des Flusses. Die Nebenfrau ging ins Wasser, um den Ring zu suchen und kam dabei ums Leben. Ob ein Fisch sie verschluckt hat oder ein Krokodil sie fraß - kein Mensch weiß es.

      Bei ihrer Heimkehr fragte ihr Mann, wo denn die Nebenfrau sei. "Sie spielt am Wasser mit anderen Mädchen", antwortete die Frau. Drei Tage wartete der Mann auf die Nebenfrau. Dann glaubte er, die Frau sei zu ihrem Vater zurückgekehrt. Darum wandte er sich an Amarangas Mutter: "Komm, rasiere mich. Ich will mich ankleiden und zu meinem Schwiegervater gehen, damit er mir sagt, warum er meine Frau wieder zu sich genommen hat." Während die Frau ihn nun rasierte, fragte sie ihn: "Mein Mann, welche Stelle muss man bei einem Menschen durchschneiden, damit er sofort stirbt?" - "Hier an der Kehle", bedeutete ihr der Mann. Sie rasierte weiter. Als sie aber an die Kehle kam, schnitt sie mitten durch, so dass der Mann tot zu Boden fiel. Da legte sich der Grimm in ihrem Herzen, denn sie hatte nun für Amarangas Tod Vergeltung geübt.

      Angonzing und Ndongmba

      Riesenmenschen und Zwergmenschen liegen im Streit. Jeder Häuptling hat seine Krieger gerufen, alle haben den Ruf der Trommel vernommen. Die Riesenmenschen dringen vor, kämpfen sich durch den Wald. Ndongmba führt sie, bewaffnet mit den drei Zauberpfeilen. Der erste erreicht, wonach er über den Wolken zielt, der zweite durchbohrt das tiefste Wasser, der dritte dringt auf den Grund der Erde. Nlutangmba trägt den berühmten Bogen. Anstelle von Pfeilen schleudert er gewaltige Felsen. Unter dem Aufprall dieser Last werden Menschen zermalmt wie Ameisen unter dem Fuß. Das Blut fließt wie Öl, das aus Palmnüssen gepresst wird.

      Der Angriff hat begonnen. Von allen Seiten fliegen die kleinen Pfeile der Zwergmenschen durch die Luft. Wui, wui, wui, bohren sie sich in die Körper der Riesenmenschen, stechen sie von allen Seiten, treffen sie am Kopf, an den Armen, am Nabel, an den Beinen. Wui, wui, wui, die großen Häupter fallen zur Erde, pum, pum, pum, die großen Köpfe fallen zur Erde. Die Riesenmenschen schlagen wütend die Bäume nieder, treten sie um, zerbrechen einen am anderen. Sie umgeben das Waldstück mit einem Streifen gefällter Bäume. Als der Kreis geschlossen ist, legen sie Feuer. Die großen Bäume fingen Flammen, der Wald brennt. Der Wind jagt die Flammen hoch und trägt den Rauch ins Weite. Die wilden Tiere klagen verzweifelt, man hört das Brüllen des Löwen, die Elefanten trompeten, aber die Riesenmenschen halten gut Wacht: Die Zwergmenschen können nicht entkommen; alle werden sie geröstet sein wie Heuschrecken. Ndongmba ist Sieger. Die Zauberpfeile brauchte er gar nicht.