Tobias, ich schreib Dir ein Buch. Angelika Nickel

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Название Tobias, ich schreib Dir ein Buch
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742775689



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nächsten Moment schrie es: »Wasser, igitt! Ich habe so lange in modrigen Wasserperlen leben müssen. Mach das Wasser aus, oder lass mich wenigstens hier raus, bitte!«

      »Schniefer? Bist Du das? Gibt es Dich also doch!«, rief Tobias freudig erregt. Schnell drehte er den Wasserhahn zurück, so dass das Wasser auf der Stelle mit dem Fließen aufhörte.

      »Danke. Jetzt kannst Du es wieder anmachen. Ich bin jetzt wieder draußen. Ich warte dann hier in dem Waschtrog, oder was immer das für ein Teil sein mag, auf Dich.« rief ihm Schniefer zu.

      »Darf ich also jetzt wieder duschen? Gut, dann gehst Du aber raus, immerhin bin ich ja ganz nackt. Und da hast Du mir gegenüber wohl einen Vorteil. Geh bitte ins mein Zimmer. Ich komme auch gleich.« rief Tobias dem Geist zu. Ganz schnell schäumte er sich mit dem Duschgel ein, wusch es wieder ab. Hüpfte aus der Dusche, trocknete sich wieder ab und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Wozu einen Kamm nehmen, wenn es die Finger auch taten. Schnell rannte er in sein Zimmer zurück und suchte Schniefer.

      »Na, bist Du fertig? Das ist schön, dann können wir ja jetzt spielen.« rief der kleine Geist Tobias zu.

      »Schniefer, ich kann dich aber immer noch nicht sehen. Und so lange ich Dich nicht sehen kann, so lange können wir auch nicht miteinander spielen. Also mach dich sichtbar, während ich beim Frühstücken bin.«

      »Frühstücken? Oh, da komm ich mit und danach können wir immer noch üben, das mit meinem Sichtbarwerden. Los, auf was wartest Du noch? Komm, ich hab schon so lange nicht mehr gefrühstückt!«, bettelte der kleine Geist.

      »Mensch, Schniefer, wenn meine Mutter Dich sieht, was meinst Du, was da erst los ist...«

      »Wie kann mich Deine Mutter sehen, wenn Du mich doch auch nicht sehen kannst?«, fragte Schniefer irritiert.

      »Ach, ja, Du hast Recht. Also dann, lass uns frühstücken gehen, aber beiß´ mir nicht zu große Stücke vom Brot ab, sonst riecht meine Mutter womöglich doch noch Lunte.«

      »Großes Geisterversprechen.« jubelte der Geist.

      Somit machten sich die beiden ungleichen Freunde hinunter ins Frühstückszimmer, auch so einen Raum barg das Schloss, und Tobias holte sich eine Tasse mit warmer Schokolade und drei Scheiben braungebrannten Toast.

      »Ja, Tobias, was ist denn mit Dir los? Du machst ja heute Bisse, als wenn Du zwei Münder hättest. Macht Dich die schottische Luft so hungrig? Dann musst Du Dich aber auch mehr bewegen, denn wenn Du von jetzt an jeden Tag so futterst, dann können wir Dich in einem halben Jahr zum Bowlingturnier anmelden...«

      »Tatsächlich? Mensch, das ist doch klasse. Ich wollte schon immer mal Bowling spielen.«

      »Ja, aber Du machst einen Denkfehler. Du würdest an dem Turnier nicht als Spieler, sondern als Bowlingkugel teilnehmen. Und das findest Du doch bestimmt gar nicht lustig, oder?« Karin versuchte ihr Gesicht in die Form einer runden Bowlingkugel zu bekommen und gleichzeitig die Augen wie – Schreibers Süßbückling – zu verdrehen.

      Tobias sah sie vorwurfsvoll an: »Ich bin keine Bowlingkugel und ich werde auch niemals zu einer solchen werden, merk Dir das, Mama.« dann drehte er seinen Kopf zur Seite und flüsterte: »Schniefer, ich hab´s Dir doch gesagt, dass sie es merken wird. Hör jetzt endlich auf so große Bissen von meinem Toast abzubeißen.«

      »Wenn es aber doch so gut schmeckt. Geh mal und hol uns mal noch ein paar Würstchen, am besten auch noch Rührei...«

      »Wirst Du jetzt endlich still sein, Schniefer...«

      »«Tobias, mit wem redest Du denn da?, fragte Karin van de Ströhm ihren Sohn und sah ihn mit Stirnrunzeln an. Sie machte sich rechte Sorgen um ihn. Ob ihm Schottland und dieses Schloss wohl doch nicht so gut taten? Sie wollte auf gar keinen Fall, dass ihr Sohn in eine Phantasiewelt einglitt. Jetzt saß er bereits am Tisch und redete mit Unsichtbaren. Als wenn es sichtbare Unsichtbare geben würde. – Sichtbar gegen unsichtbar, was für ein Schwachsinn –, dachte Karin.

      Zu Tobias sagte sie: »Sechs Scheiben Toast, vier Würstchen, und jetzt noch eine Ladung Rührei. Sag mal, wohin isst Du das denn?«

      »Ach, ich hab halt nun mal so einen Hunger. Außerdem esse ich ja nicht jeden Tag soviel...« versuchte sich Tobias vor seiner Mutter zu rechtfertigen, wurde aber gleichzeitig von dem kleinen Geist unterbrochen: »Täusch Dich da mal nicht. Immerhin sind wir ja jetzt Freunde. Und da ich niemanden habe, der für mich kocht, muss ich mit Dir essen. Und da mich niemand sehen kann, musst Du so tun, als wenn Du das alles verspachteln würdest. Komm, hab Dich nicht so, das versteht man unter Freundschaft. Teilen, und so...«

      »Teilen, ja, aber nicht, wenn meine Mutter denkt, dass ich das alles esse.«

      »Tobias, mit wem redest Du?«

      »Mama, wenn ich Dir das sagen würde, Du würdest es mir doch nicht glauben. Also stell mir doch keine Fragen, zu denen Dir die Antworten erst gar nicht gefallen würden. Puh, jetzt bin ich aber satt.« Tobias hatte den schweren Stuhl zurückgerückt und war aufgestanden. Er wollte gerade wieder zurück in sein Zimmer, als seine Mutter ihm nachrief, allerdings nicht ohne ihm zu zeigen, dass ihre Frage nur als Witz gemeint sein sollte: »Bist Du sicher, dass Du schon satt bist? Ich dachte, Du würdest auch gerne noch ein Schnitzelbrötchen essen wollen.«

      »Oh, ja, nimm das Schnitzelbrötchen! Bitte, bitte, bitte! Sowas habe ich ja noch nie gegessen.« bettelte de Geist Tobias an.

      »Nicht jetzt.« zischte Tobias dem Geist zu, dann sagte er mit einem breiten Grinsen zu seiner Mutter: »Nein, jetzt nicht. Aber, wenn ich nachher aufgeräumt habe, dann komme ich und hole mir das Schnitzelbrötchen, am besten sogar zwei. Immerhin braucht man Kraft, wenn man all diese Kartons auszupacken hat. Und genau das werde ich jetzt auch tun. Ich gehe und mache die Kartons leer und räume alles in meine Schränke.«

      »Das, Tobias, finde ich eine sehr gute Idee. Und was das Schnitzelbrötchen angeht, es gibt keine. Das war einfach nur ein Scherz. Aber heute Mittag, da machen wir, mal sehen, vielleicht Eisbein, Sauerkraut und Kartoffelbrei.« lachte Tobias´ Mutter.

      »Deine Mutter ist doch wohl sehr eigen. Sie bietet Dir `was zu essen an, was sie gar nicht hat. Ihr habt mal komische Sitten. Und dabei hätte ich so gerne mal ein Schnitzelbrötchen probiert. Schnitzelbrötchen, das hört sich lecker an. Und jetzt will sie Eisbein machen. Eisbein, ein Bein, das gefroren ist, wer will sowas schon essen...?«, beklagte sich der Geist Schniefer geisterflüsternd bei Tobias.

      »Ach, Eisbein muss nicht sein. Mach doch lieber etwas anderes, etwas das besser schmeckt und nicht so stinkt. Mach doch Pfannkuchen und Marmelade. Oder Käsekartoffeln, oder sonst sowas.« bat Tobias seine Mutter.

      »Weißt Du was, Tobias, ich werde heute gar nicht kochen, so einfach ist das. Wir gehen heute Abend ins Hotel-Restaurant Nessie und sehen mal was dort so auf der Speisekarte steht und essen einfach dort. Was hältst Du davon?«, wollte Karin von ihrem Sohn wissen.

      »Das ist eine geistermistige Idee, bestimmt haben die dort nur Nessie-Schnitzel. Das arme Ungeheuer, jetzt ist es ihnen endlich gelungen sie zu finden und abzuschlachten, dabei habe ich sie immer vor so einem Schicksal zu warnen versucht.« Schniefer fing an zu weinen.

      »Mama, die Idee ist klasse. Aber jetzt muss ich mein Zimmer aufräumen.« Tobias rannte aus dem Frühstückszimmer, aber kaum, dass seine Mutter außer Hörweite war, fragte er Schniefer: »Nessie, Du kennst Nessie? Ich dachte das Ungeheuer von Loch Ness wäre eine Erfindung...«

      »Nein, wo denkst Du hin. Nessie gibt es wirklich. Aber jetzt haben sie sie wohl geschlachtet...«

      »Nein, Schniefer, bestimmt nicht. Das Hotel wird wohl nur so heißen. Du kannst ja heute Abend mitkommen, dann kannst Du ja mal einen Abstecher zum See machen, vielleicht findest Du Nessie ja. Und jetzt lass uns hoch gehen, denn wenn ich heute nicht mein Zimmer herrichte dann bekomme ich mächtigen Ärger. Und wenn ich es mir recht überlege, eigentlich könntest Du mir ja dabei helfen. Und jetzt, stell Dir mal vor, dass Du für mich sichtbar sein willst, dann klappt das bestimmt. Ich wünsche mir das nun, und Du auch, und dann kann ich Dich bestimmt sehen.« schlug Tobias dem Geist vor.