Der Tod zwischen den Inseln. George Tenner

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Название Der Tod zwischen den Inseln
Автор произведения George Tenner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750279308



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über die Meere befähigte, und eine Anmietung des Motorseglers erst ermöglichte.

      Der zweiundvierzigjährige Limas war bei einer Großwildsafari Juma Chandu begegnet. Er hatte ihn an der Bar des Norfolk Tower getroffen, einer Institution in Nairobi, in der schon der alte Hemingway gewohnt, und an der Bar bis zum Abwinken gesoffen hatte. Bis zum Morgengrauen führten sie ein interessantes Streitgespräch über den Niedergang verschiedener Tierarten Afrikas. Gegen sechs Uhr verabschiedeten sie sich, um wenigstens einige Stunden Schlaf zu bekommen. Sie waren übereingekommen, dass Limas mit seinen Kontakten in der Wirtschaft, die weit über Großbritannien hinausgingen, in die Dienste der Kiliwhite Ltd. eintreten würde.

      Am Mittag des Vortages war der seegängige Motorsegler Venus, eine in Deutschland gebaute Stahljacht von der Charterfirma verproviantiert worden. Noch am Nachmittag starteten die Männer die rund 80-Seemeilen-Reise.

      Am Abend bereitete Taabu Zahran, Steaks vom Springbock vor, die er eingeschweißt mitgebracht hatte, um einen Hauch ostafrikanischer Heimat zu genießen. Nahezu jeder erkannte die Stammeszugehörigkeit des Mannes an seiner Körperlänge von mehr über zwei Metern. Doch spätestens, wenn er mit den wippenden Armen rennt, oder die Gangway eines Jets benutzt, identifizierte man ihn als Massai.

      Nach Mitternacht übernahm Yakubu Uhuru das Ruder. Bis zu diesem Zeitpunkt war Hector Limas, bis auf wenige Minuten allein am Steuer gestanden. Zu gefährlich war der rege Schiffsverkehr innerhalb der Kadetrinne, in der Mecklenburg, zwischen der deutschen Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und der Insel Falster auf dänischer Seite, die ihren Ruf als eines der schwierigsten und gefährlichsten Gewässer der gesamten Ostsee alle Ehre machte.

      Zahlreiche Frachter jeder Größe, zwei gewaltige Tanker sowie die Fähren, die von Deutschland nach Dänemark und Schweden unterwegs waren, begegneten ihnen. Die weißen Fährschiffe mit dem roten Schornstein der Stena Line, die Kiel Göteborg und zurück bedienten, Moltzaus graue Armada, die Travemünde mit Gedser verband, und die Schiffe der TT-Linie.

      Gleich, als sie ihre Schiffsreise begannen, waren sie einem Geschwader russischer Kriegsschiffe begegnet, das ihnen aus der östlichen Ostsee entgegenkam und in den Belt einlief, um über Kattegat und Skagerrak die Nordsee zu erreichen. Die Flotte bestand aus einer Reihe kleinerer Begleitschiffe, dem U-Boot-Jagdschiff Cевероморск der Nordflotte, dem Raketenkreuzer Варягs sowie dem großen U-Boot-Abwehrboot Маршал Шапошников. Gemeinsam hatten sie in der Region um die Insel Остров Мощный bis Церковь Святой Троиц an einer Übung teilgenommen. Nun waren sie auf der Reise zu ihren Stützpunkten außerhalb Russlands. Bis die Nacht hereinbrach, war Hector Limas immer nur für wenige Augenblicke zum Schlafen gekommen, denn er hatte jeden der Männer, die für kurze Zeit das Ruder übernehmen durften, eingebläut, ihn ja anzustoßen, wenn eines der Schiffe sie passierte, oder gar auf sie zukam. Sehr gefährlich wäre es gewesen, hätte eines der Riesenschiffe sie überlaufen. Limas wusste nur zu gut, dass sie jämmerlich ersaufen müssten, gäbe es eine solche Kollision.

      Nach elf einhalb Stunden, um vier am Morgen, gewahrten sie das zuckende Licht des Leuchtturms vom Darßer Ort. Sechs Stunden später kam Hiddensee in Sicht. Gegen zwei Uhr am Nachmittag, nach rund 22 Stunden Fahrt lag die Insel querab. Sie näherten sich der Einfahrt in den Vitter Bodden, die sie gleich passieren müssten. Noch gut drei Stunden durch den Vitter und den Jasmunder Bodden; nur mit der Motorkraft des 80-PS-Diesels waren sie dabei, ihr Ziel Ralswiek auf Rügen anzusteuern.

      Yakubu Uhuru, der Stationsleiter der Kiliwhite Ltd. in London, hatte den Spätdienst in der winzigen Pantry übernommen. Er bereitete ein typisches kenianisches Abendessen vor, einen ostafrikanischen Geflügelsalat. Wie die von Taabu Zahran vorbereiteten Steaks vom Springbock, so brachten sie auch das gekochte eingeschweißte Huhn mit. Wenngleich die in Europa lebenden Männer problemlos die Gerichte westlicher und internationaler Küche genossen, war es Taabu Zahran und der Junge Aaron Chandu, die heimische Gerichte vorzogen.

      »Mach, dass du rauskommst, Aaron«, sagte Yakubu Uhuru. »Es ist ohnehin zu eng hier.«

      »Aber ich bin hungrig«, widersprach Aaron Chandu.

      »Ich habe dich niemals anders gesehen. Also raus.« Uhuru wischte die fettigen Hände an einigen Servietten ab, die er von der Küchenrolle gezogen hatte. Er nahm die geöffnete Dose mit den Ananasstücken, goss die Flüssigkeit in den Ausguss. Dann zerschnitt er die Stücke fingergroß. Er nahm nacheinander eine Dose Keniabohnen und eine Dose mit kleinen Champignons, goss deren Flüssigkeit ebenfalls ab. Er filetierte eine Orange, schnitt zwei Frühlingszwiebeln in dünne Ringe. Er schichtete alles in Lagen in eine große Kunststoffschüssel. Zwei Esslöffel Mayonnaise und zwei Esslöffel Mango Chutney, von einer halben Zitrone den Saft, eine Messerspitze Cayennepfeffer sowie einen Teelöffel Currypulver gab er hinzu. Dann rundete Yakubu Uhuru den Geschmack mit Salz und etwas Pfeffer aus der Mühle ab, bedeckte die Schüssel.

      Im Bodden lag die Venus ruhig im Wasser. Dünungsfrei glitt sie leicht dahin. Gut, dachte Limas, dass ich von Fehmarn aus einen Liegeplatz bestellt habe. Jetzt, wo das Störtebekerfest in Ralswiek begonnen hat, sind die Liegeplätze ausgebucht. In das Gewühl des Festes abzutauchen, gehörte zu dem Plan, den Limas seinem Chef unterbreitet hatte. Sein Blick ging nach Steuerbord zum Schloss Ralswiek und der vorgelagerten Seebühne, auf dem die Störtebeker Festspiele stattfanden. Minuten später machten sie am Kopf des mittleren der drei Stege fest. Es war der Liegeplatz, den man Limas zugeteilt, und per Mail bestätigt hatte.

      Wie aus dem Nichts tauchte der Hafenmeister auf, um die ungewöhnliche Crew des Schiffes auf die Gepflogenheiten des Hafens aufmerksam zu machen und die Liegegebühr zu kassieren.

      Limas erledigte die Formalitäten, während die drei Männer unter Deck munter in Kisuaheli palaverten, was weder der Hafenmeister noch Limas verstand. Zum Schluss gab der Hafenmeister Limas eine Broschüre mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Insel – Störtebeker Festspiele, den Bahn, die Schiffsverbindungen und die Telefonnummer der örtlichen Taxizentrale. Der Mann verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war.

      Der Himmel zeigte mäßige, graue Schlierenwolken. Limas beobachtete den Hafen. Er sah ein lebhaftes Treiben, was zu dieser Jahreszeit keineswegs etwas Besonderes war. Schließlich war Mitte Juni für viele schon der Urlaubsanfang. Die Störtebeker Festspiele waren ein faszinierender Anziehungspunkt. Exakt heute, dem 23. Juni war der Beginn der diesjährigen Festspiele. Verraten und verkauft war, nach In Henkers Hand 2006, die erste Inszenierung der neuen Episoden. Die Festspielleitung hatte diesen Zyklus für die nächsten sechs Jahre geplant.

      »Ich möchte, dass wir immer eine Wache an Bord haben«, begann Limas, der mit Interesse wahrnahm, dass Uhuru den Tisch deckte, während sich die beiden anderen Männer um irgendetwas stritten, was Limas nicht verstand. »Habt ihr es gehört«, setzte Limas nach.

      Die beiden Männer verstummten.

      »Wir teilen Wachen ein. Nie wird unser Boot aus den Augen gelassen.«

      »Gibt’s dafür einen Grund«, maulte der junge Aaron Chandu.

      »Es ist eine alte Weisheit, Aaron. Lasse nie dein Schiff aus den Augen, es könnte gestohlen werden«, mischte Taabu Zahran sich ein. »Dein Vater würde dir das ebenfalls sagen.«

      »Wir wollen doch zu diesem sherehe gehen«, begehrte Aaron auf.

      »Es ist kein gewöhnliches Fest«, stellte Limas richtig. »Es sind Festspiele.«

      »Tamasha«, sagte Taabu Zahran in Kisuaheli.

      »Umso lieber gehe ich da hin.«

      »Einer von euch sollte hierbleiben«, erklärte Limas.

      »Warum?«, fragte Aaron.

      »Weil Hector mitgehen sollte«, ließ Uhuru sich vernehmen.

      »Weshalb sollte Hector mitgehen?«, fragte Aaron.

      »Falls es Probleme gibt.«

      »Probleme? Was für Probleme?«

      »Wir sind in Deutschland«, sagte Limas.

      »Und?«