Mark Feller. Michael Bardon

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Название Mark Feller
Автор произведения Michael Bardon
Жанр Языкознание
Серия Mark Feller
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763556



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gehofft, dass Sie zustimmen, sicher war ich mir allerdings nicht«, sagte der Staatssekretär in meinem Rücken. Er hüstelte kurz, bevor er weitersprach. »Also das mit der Anhörung … und Ihrer anschließenden Freistellung …«

      »Was ist damit?«

      Briegel hüstelte erneut; er wirkte ein klein wenig verlegen. »Ich muss wohl nicht erst betonen, dass das damals nicht auf meinem Mist gewachsen ist. Ehrlich, Feller, ich war von Anfang an dagegen, aber na ja, Sie wissen ja selbst, wie so was läuft.«

      »Geschenkt«, sagte ich und drehte mich zu ihm um. Für einen winzigen Moment glaubte ich, eine flüchtige Bewegung auf Höhe der Baumkronen auszumachen. Doch als ich genauer hinsah, blickte ich nur in den wolkenverhangenen Himmel und zu ein paar Blättern, die der Wind mit sich forttrug.

      »Dann wäre das also auch geklärt«, nickte Briegel, nun wieder ganz taffer Staatsmann. Er wirkte erleichtert, geradezu beschwingt. Seine Stimme klang für mich fast eine Spur zu fröhlich, als er mir eröffnete, dass wir noch über ein paar Kleinigkeiten bezüglich des Teams sprechen müssten.

      Ich wollte gerade nachfragen, was er meinte, als ich erneut einen Schatten aus dem Augenwinkel sah.

      Mein Atem stockte, meine Kopfhaut kribbelte, mein Unterbewusstsein signalisierte ›Gefahr­‹.

      Ich hob die Hand und bedeutete Briegel, der gerade etwas zu mir sagen wollte, er solle den Mund halten. Dann deutete ich in den Himmel und gab ihm zu verstehen, dass ich da oben irgendetwas gesehen hatte.

      Ein Knirschen war zu hören. Ich wusste, woher es stammte. Briegels Schuhsohlen scharrten über den kiesbedeckten Boden, während seine Augen wie meine den Himmel absuchten. Ich sah ihn kurz an. Sein linkes Lid zuckte – er wirkte angespannt, nervös und beunruhigt.

      »Gehen Sie rüber zu Ihren Leuten. Die sollen Sie umgehend von hier fortbringen«, sagte ich, den Blick nun wieder auf die Baumwipfel gerichtet.

      Der Staatssekretär reagierte nicht. Sein Gesicht verlor fast augenblicklich an Farbe; er war ein Schreibtischtäter und schien mit der Situation völlig überfordert zu sein.

      Ich stieß einen lang gezogenen Pfiff aus, spreizte meinen Zeige- und Mittelfinger zu einem V und deutete damit in den Himmel. Die Personenschützer reagierten sofort. Zwei von ihnen stürmten auf Briegel zu, während die anderen vier ihre Waffen zogen und den Rückzug deckten.

      Eine Sorge weniger, dachte ich, und starrte erneut zu der Stelle, an der ich vor wenigen Sekunden den Schemen gesehen hatte. Ich kniff die Lider zusammen und wechselte vorsichtig die Stellung. Irgendwie, ich wusste selbst nicht warum, fühlte ich mich in die schmale Gasse nach Sachsenhausen zurückversetzt.

      »Da …«

      Briegels Ausruf ließ mich kurz zusammenfahren. Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Arm, der anklagend in die Luft zielte. Meine Vorahnung wurde zur bitteren Gewissheit – am Himmel über uns schwebte eine Drohne.

      Briegels Leibwächter waren bereits bis auf wenige Meter heran. Sie reagierten sofort und nahmen die Drohne, noch während sie liefen, unter Beschuss.

      Ich riss meine Glock nun ebenfalls aus dem Holster und sah die Drohne ein riskantes Ausweichmanöver fliegen. Nur einen Wimpernschlag später, verschwand sie zwischen zwei Bäumen.

      Wer auch immer dieses Ding steuerte – er war gut. Richtig gut!

      »Los … los … schafft ihn endlich weg! Ich kümmere mich um das Ding«, rief ich Briegels Leibwächtern zu, während ich gleichzeitig den Himmel absuchte. Nichts zu sehen, außer den sich im Wind wiegenden Baumwipfeln.

      Zeit zum Handeln, dachte ich. Es war immer besser zu agieren als zu reagieren! Ich hetzte los, rannte auf die Stelle zu, an der ich die Drohne aus den Augen verloren hatte. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass der Friedhofsgärtner über eine freie Rasenfläche flitzte; er hatte eine geduckte Haltung eingenommen. Es kümmerte mich nicht.

      Weitere Schüsse fielen – aus den Waffen der Leibwächter, die Briegels Rückzug deckten.

      Jetzt gab es für die Menschen auf dem Friedhof kein Halten mehr. Wer konnte, rannte um sein Leben.

      Ich hetzte weiter, übersprang ein Grab und tauchte zwischen zwei Büschen hindurch. Dornenranken zerrten an meiner Lederjacke, ein dürrer Zweig peitschte mir ins Gesicht. Es schmerzte. Ich riss mich los, wich einem Baum aus und hatte endlich wieder freie Sicht.

      Jetzt sah ich die Drohne. Sie jagte im Tiefflug auf Briegel und dessen Leibwächter zu. Ich zögerte keine Sekunde, riss die Glock hoch und drückte ab. Die Distanz betrug fast fünfzig Meter, eigentlich zu weit für eine kurzläufige Handfeuerwaffe.

      Ich feuerte trotzdem – ich hoffte insgeheim auf einen Kunstschuss. Auch Briegels Männer schossen jetzt aus allen Rohren, während sie den Staatssekretär gleichzeitig Richtung Ausgang drängten.

      Die Drohne flog nun eine weite Kurve, um dem Kugelhagel aufs Neue zu entgehen. Sie griff sofort wieder aus westlicher Richtung an und schnitt den Flüchtenden den Weg ab.

      Ich dachte an Sachsenhausen, dachte an die schmale Gasse, und ich dachte an die Explosion, die Julia das Leben geraubt hatte.

      Gott, war ich wütend! Ich wollte nur noch eines: das verhasste Ding vom Himmel holen.

      Meter um Meter rannte ich der Drohne entgegen. Mein Blick klebte an ihr, sie war grau, verschmolz immer wieder mit der tristen Farbe des Himmels.

      Weiter … weiter … Zeit zu verschwenden war keine Option. Ich sprang über drei weitere Gräber, trampelte ein paar Zierrosen nieder und riss mit dem Fuß eine Grableuchte um. Mein Atem flog mit meinen Füßen um die Wette, während ich aus vollem Lauf auf die Drohne schoss.

      Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich Briegels Männer aufgeteilt hatten. Während drei von ihnen den Staatssekretär auf einen kleinen Buchenhain zuschoben, nahmen die anderen drei die Drohne nun gezielt unter Beschuss. Ich schob ein neues Magazin in meine Glock und fragte mich, weshalb der Pilot die Drohne noch nicht zur Explosion gebracht hatte, als sie erneut in den Tiefflug überging und das Feuer erwiderte.

      Mir stockte der Atem, während ich mit ansah, wie die Leuchtspurmunition – das Ding verfeuerte wirklich großkalibrige Leuchtspurmunition! – auf die drei Leibwächter niederprasselte.

      »Deckung … verdammt geht in Deckung!«, rief ich und brachte meine Glock erneut in Anschlag. Ich atmete drei, vier Mal langsam aus und versuchte, meinen fliegenden Puls ein klein wenig zu beruhigen.

      Die Drohne flog jetzt unglaublich schnell; sie näherte sich den drei Leibwächtern aus südlicher Richtung. Ich stand östlich, was bedeutete, dass sich unsere Wege gleich kreuzen würden.

      Ich ließ sie jetzt nicht mehr aus den Augen, schätzte ihre Entfernung, Höhe und Geschwindigkeit ein. Zwei, vielleicht auch drei Sekunden, mehr Zeit blieb mir nicht. Ein letztes Mal atmete ich tief aus, dann nahm ich eine Haltung wie auf dem Schießstand ein.

      »Komm nur … komm nur, ja komm schon …«, stieß ich hervor.

      Als die Drohne sich bis auf vierzig Meter genähert hatte, feuerte ich. Ich weiß nicht mehr genau, wie oft ich abgedrückt habe, aber einer meiner Kugeln muss die Drohne voll erwischt haben.

      Sie begann zu trudeln, kippte unvermittelt zur Seite, und prallte mit voller Wucht gegen einen Baum.

      Eine Nanosekunde später brach die Hölle los. Ein dumpfes Grollen ließ den Boden unter meinen Füßen erbeben. Splitter sausten umher, Erde und Geröll flog durch die Luft. Ich warf mich herum, war jedoch nicht schnell genug. Die Druckwelle traf mich mit mörderischer Wucht, riss mich von den Füßen, wirbelte mich durch die Luft.

      Ich war benommen und orientierungslos. Staub hüllte mich ein; er raubte mir die Sicht und den Atem.

      Einen Augenblick später schlug ich hart auf dem Boden auf und um mich herum, wurde alles schwarz.

      -3-

      Mit