Название | Mark Feller |
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Автор произведения | Michael Bardon |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mark Feller |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763556 |
Er musterte mich abschätzend. Das Blau seiner Iris strahlte so intensiv, dass ich unwillkürlich an eingefärbte Kontaktlinsen dachte.
»Wir müssen reden«, sagte er, während sein Blick abermals zu Julias Grab schweifte. »Über sie und … über Sie.«
»Ich habe meine Aussage bereits vor dem Untersuchungs- ausschuss gemacht«, sagte ich, konnte jedoch den bitteren Unterton in meiner Stimme nicht ganz verleugnen.
»Ich weiß, ich war dabei.«
»Na, dann ist doch alles gesagt.«
»Nein, ist es nicht!« Briegel schüttelte sein kahles Haupt. »Wissen Sie, die Sache beschäftigt mich noch immer. Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen, Feller. Klammert man das Unglück einmal aus … na ja, dann ist Ihre Dienstakte wirklich beeindruckend. Ihre Vorgesetzten bei der Bundeswehr halten große Stücke auf Sie und beim BND hätte man Sie lieber heute wie morgen wieder zurück.«
Briegels dünne Lippen verzogen sich nun zu einem angedeuteten Lächeln; nach einer kurzen Pause sprach er weiter. »Ihnen eilt der Ruf voraus, ein erstklassiger Ermittler zu sein, der, und jetzt berufe ich mich auf Ihren Brigadegeneral, manchmal eben auf nicht alltägliche Vorgehensweisen zurückgreift. Er findet das im Übrigen völlig legitim, solange Sie gewisse Grenzen nicht überschreiten, sagt er.«
Ich starrte mein Gegenüber an, während in meinem Kopf ein Dutzend Warnlampen aufflammten – meine innere Stimme fragte, was die Bauchpinselei sollte.
Abermals fixierten mich die blauen Augen des Staatssekretärs. »Sind Sie der Sache weiter nachgegangen, Feller?«
Ich schüttelte den Kopf, eine unbewusste Reaktion. Natürlich hatte ich versucht, weiter an der Sache dranzubleiben. Das war ich Julia schuldig. Dem Informanten, der bei dem Sprengstoffattentat ja ebenfalls ums Leben gekommen war, natürlich auch. Doch die Spur war erkaltet und außer dem Gerücht, es gäbe einen europaweiten Menschenhandel mit Asylsuchenden hielt ich nichts Greifbares in den Händen.
Meine Gedanken schweiften ab. Ich sah mich jetzt selbst über den belebten Platz mit den vielen kleinen Cafés in Sachsenhausen laufen, Julia keine zwanzig Schritte vor mir. Sie steuerte geradewegs auf eine schmale Gasse zu, in der sich neben einer kleinen Sisha-Bar hauptsächlich türkische und arabische Läden befanden.
Mein Blick zuckte unruhig hin und her, während ich gleichzeitig versuchte, Julia im Gedränge nicht aus den Augen zu verlieren. Ich war etwas zurückgefallen, nicht viel, vielleicht acht, neun Schritte. Meter um Meter schob ich mich durch die Menge. An den umliegenden Tischen wurde geplappert und gelacht – es roch nach Essen, Kaffee, Apfelwein und Bier. Wortfetzen wehten zu mir herüber – ich versuchte, sie zu ignorieren und mich ganz auf Julia zu konzentrieren.
Näher … näher, verdammt du bist noch immer zu weit weg, dachte ich, während Julia vor mir in die schmale Gasse einbog …
»Wissen Sie, Feller, es fällt mir wirklich schwer, Ihnen das zu glauben«, knurrte Briegel. Sein Lächeln war verflogen, um seine Mundwinkel hatten sich tiefe Furchen gebildet.
»Tja, das ist jetzt wirklich nicht mein Problem«, erwiderte ich ungerührt, während ich aufstand und meine steif gewordenen Knie vorsichtig durchdrückte.
Der Herbst neigte sich dem Ende entgegen, ein kühler Luftzug strich über mein Gesicht – mich fröstelte, ich zog die Schultern hoch und schlug den Kragen meiner Lederjacke nach oben.
»Wie gut kannten Sie Frau Fischer?« Briegels Stimme hatte ihre Klangfarbe geändert. Sie klang jetzt schärfer, ungeduldiger, eine Spur fordernder als zuvor.
Ich hielt in der Bewegung inne und starte auf den Staatssekretär, der nach wie vor götzengleich auf der Parkbank saß. »So gut wie ich sie kennen musste, um sie zu lieben.« Meine Stimme war belegt.
»Hat sie Sie auch geliebt?«
Die Frage kam so unerwartet, dass es mir glatt die Sprache verschlug. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein …? Natürlich hatte Julia mich geliebt. Das stand außer Frage. Völlig außer Frage!
»Was wollen Sie?«, quetschte ich hervor.
»Wissen Sie, Feller, Frau Fischers Tod hat viele Fragen aufgeworfen, von denen nach wie vor eine ganze Menge unbeantwortet sind.«
»Fragen? Was für Fragen? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« Ich spürte, dass ich innerlich in Lauer-Stellung ging.
Briegels Augen wanderten zwischen Julias Grab und meinen hin und her. »Na ja, es ist so, dass wir bis heute nicht abschließend klären konnten, wer die beiden Toten in der Gasse wirklich waren«, sagte er, den Blick nun nachdenklich auf Julias Grabstein gerichtet.
»Was soll das heißen? Wollen Sie damit etwa andeuten, das … dass Frau Fischer noch leben könnte?«, fragte ich.
Bilder tanzten vor meinen Augen: Julia, ein arabisch aussehender Mann, ein dunkler Schatten in der Luft und dann ein greller, alles auffressender Blitz …
Soll ich Ihnen etwas sagen: Es klingt verrückt, ich weiß. Aber bei Briegels Worten schöpfte etwas in mir neuen Mut oder nennen wir es: Hoffnung.
Meine Gedanken schweiften abermals ab, ich sah mich wieder über den belebten Marktplatz in Frankfurt-Sachsenhausen laufen. Julia bog gerade in die schmale Gasse ein, an deren Ende sie den Tippgeber treffen wollte. Wir kannten den Mann nicht, doch die vagen Andeutungen, die er Julia am Telefon preisgegeben hatte, klangen vielversprechend und alarmierend.
Ich beschleunigte meinen Schritt und wich einer Gruppe Asiaten aus, die vor einem kleinen Brunnen für ein Ich-war-in-Frankfurt-Foto posierten. Adrenalin schoss durch meine Adern; mein Puls raste, meine Atemfrequenz jagte nach oben, wurde schnell und flach.
Knapp zehn Sekunden nach Julia erreichte auch ich die schmale Gasse. Ich hielt inne, presste mich gegen die Hauswand und spähte erst einmal vorsichtig um die Ecke …
»Außerdem …« Briegels Stimme riss mich aus meinem Erinnerungs-Film. »… fragen wir uns natürlich, wie Frau Fischer als freie Journalistin an solch brisante Informationen gelangen konnte.« Sein Blick suchte meinen, auch in seinem lag ein Lauern. »Ich meine damit, und verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, Feller, dass Frau Fischer nicht gerade eine Top-Journalistin bei einer der führenden Tageszeitungen war. Oder liegen uns da falsche Informationen vor?«
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Das dachte ich mir. Sehen Sie, was ich meine? Da drängt sich die Frage doch ganz von alleine auf, warum gerade ihr diese hochbrisante Story zugespielt werden sollte.«
Ich schürzte die Lippen, ließ Briegels Worte für einen kurzen Moment auf mich wirken.
»Das haben wir uns damals auch gefragt«, nickte ich, »aber wir gingen davon aus, dass der Informant Kenntnis von meiner Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst hatte. Alles andere hätte wenig Sinn ergeben, zumindest nach meinem Dafürhalten.«
»Okay!« Briegels Gesicht wirkte jetzt völlig ausdruckslos wie das eines Pokerspielers. Er benetzte seine Lippen, bevor er weitersprach. »Wir haben die Fotos von Ihrem Smartphone ausgewertet, die Sie vor der Explosion noch geschossen haben. Frau Fischers Informant war allem Anschein nach ein langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes. Ein gewisser Hasan Alkbari. Ein Deutsch-Syrer, dessen Eltern vor dreiundzwanzig Jahren immigriert sind. Haben Sie das gewusst?«
»Nein!« Ich zuckte mit den Schultern, während ich versuchte, die Bilder der explodierenden Drohne aus meinem Kopf zu verbannen. Ich hatte das verdammte Ding im letzten Moment entdeckt. Sie schwebte keine zwei Meter über Julias Kopf, ein dunkles, flaches, kleines Etwas, das am nächtlichen Himmel beinahe unsichtbar war.
In meinem Erinnerungsfilm sah ich, wie ich losstürmte. Ich hörte, wie ich mir die Lunge aus dem Leib schrie, und ich sah, wie ich hektisch gestikulierte beim Versuch, die beiden vor der schwebenden Gefahr zu warnen.
Für zwei, drei Wimpernschläge schien die Welt den Atem anzuhalten, so wie ich, dann zerriss ein greller Blitz die schmale Seitengasse und ich wurde