Название | Ich locke dich |
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Автор произведения | Wolf L. Sinak |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742758361 |
„Hallöchen, wir sind es wieder“, sagte der blonde Kopf.
Jens ließ das Gewicht sinken, kam aber nicht weit. Zwei Hände verhinderten, dass er es in die Ablagegabeln fädelte. Eine gefährliche Stellung, in der die Hantel sich auf halber Armhöhe befand. Lange konnten seine angesäuerten Muskeln das nicht aushalten. Deshalb drückte er mit äußerster Kraft das Gewicht wieder nach oben.
Ein Schlüsselbund wurde ihm ins Blickfeld gehalten. „Wie schön, dass ich den guten alten Dietrich nicht aussortiert habe“, sagte der Blonde. „Es gibt immer Leute, die an ihren antiken Schlössern hängen wie an Erbstücken.“
Die verlassene Tür zum Abstellraum hinten am Haus, ging es Jens durch den Kopf. In diesem Augenblick hasste er Werner. Dass er nur ein Drittel der Lampen einschaltete, konnte man seinem Bemühen um eine gemütliche Atmosphäre zugutehalten. Ein paar Euros aber an einem Sicherheitsschloss zu sparen, war gefährlicher Geiz, schon versicherungstechnisch gesehen.
Das Blut floss aus seinen Armen und machte sie trocken wie die einer Mumie. Im Kopf sammelte es sich, um seinen Hals bekam er eine Wurst. Unendlich lange Sekunden vergingen. Seine zitternden Muskeln – sauer wie eine Zitrone – balancierten das Gewicht aus, und er glaubte, einzig und allein aus Armen zu bestehen, die zu einer weißen und schmerzenden Masse degenerierten und jeden Augenblick in sich zusammenfallen würden.
„Wie lange soll das noch gehen?“, krächzte er, kein bisschen über seine Stimme verwundert. Auf den Ablagegabeln zu beiden Seiten ruhten Hände; aus seinen weißen Händen spießten die Knöchel. Er bekam keine Antwort. Er wusste, wenn er erst einmal die Scharniere seiner Ellenbogen entriegelte, um die Arme einzuknicken, gab es kein Zurück. Dann würde das Eisen ihn verletzen. Je länger er der Stange trotzte, je später er sie herabließ, desto ungebremster würde sie ihn malträtieren. Er atmete tief ein, vernahm dabei den Mentolgeruch, löste die Spannung seiner Muskeln und wurde rasch von der Last begraben. Wie der Stoß einer Herzdruckmassage erreichte sie ihn und bildete eine Delle im Brustbein und mit der Wucht eines Lastkraftwagens kam Schmerz hinzu.
Brüllendes Gelächter seitens seiner Bewacher. Jens’ Atemzüge wurden kürzer und kamen aus dem Bauch heraus, wohin die Lunge noch Platz hatte, sich zu entfalten. Wie lange das Herz mitspielen würde, vermochte er nicht einzuschätzen. Er versuchte zu sprechen, und weil er keinen Ton herausbrachte, begriff er die Gefahr: Sein Brustkorb war Knete, in die sich kontinuierlich etwas eingrub, bis er tot war.
„Tief durchatmen, sonst platzt Kopf“, riet ihm der dicke Schweinehund. Das flimmernd schwarze Ende vor Augen, galt Jens’ Anstrengung einzig und allein dem Sauerstoffdefizit. Es gelang ihm nicht, genügend Luft in sich zu saugen. Eine Zwanzig-Kilo-Stange, die an den Enden mit sechzig Kilogramm Eisenscheiben beschwert war, verhinderte das. Was sie eindrückte, trat an seinen Venen als Wiener Würstchen hervor.
„Augen sehen aus wie von Frosch“, sagte der dicke Jurek besorgt.
„Gut jetzt, das reicht.“
Die Stimme, die das sagte, vernahm Jens benebelt aus der Ferne. Der Blonde kam, und Jens spürte, wie ein Amboss aus seiner Brust gezogen wurde. Er begann zu husten, abgehackt und sich überschlagend. In dieser Situation, die Ähnlichkeit mit einer Bronchitis hatte, wurde ihm die Herkunft des Menthols klar. Jurek schmierte seine Brust damit ein. Mit einem Korsett aus Schmerzen am Oberkörper setzte sich Jens auf und sah zu, wie beide Männer hinter dem Tresen herumstöberten. Jurek, der dicke Wachhund, machte sich sogar am Kühlschrank zu schaffen. Und er dehnte seinen Rundgang auf andere Räume aus.
„Wo ist die Kiste?“, rief der Blonde. Ihm hing wieder das reguläre Streichholz an den Lippen. „Ist sie in deinem Auto? Du solltest sie bei dir haben.“ Er kam langsam auf Jens zu. Die Revers seines Jacketts sperrten auseinander und lenkten den Blick auf eine alte Bekannte. Die Pistole im Hosenbund.
„Zu wenig Zeit“, antwortete Jens unter Schmerzen, „ihr habt mir zu wenig Zeit gelassen.“
Der Blonde blickte sich um. „Und in welchem Verhältnis stehst du zu diesem Laden hier? Training allein am Abend. Dir gehört das hier, nicht wahr? Möchte nicht wissen, wonach du deine Finger sonst noch ausgestreckt hast; das wird ja richtig unheimlich.“
„Glaub, was Du willst.“ Jens erwartete mindestens eine Ohrfeige. Aber der Blonde blieb ruhig und rief nach Jurek: „Hast du den Regler für die Sauna gefunden?“
Jurek bestätigte in seiner Sprache: „Tak. Und Wassereimer gefüllt. Machen anheimelnde Wärme.“ Er hängte seine Jacke über einen Stuhl. „Aufstehen!“
Zum Aufstehen motiviert wurde Jens von des Blonden rechter Hand, die unter dem Jackett verschwand, dahin wo der Ballermann steckte.
„Mir geht es nicht gut“, sagte Jens. „Noch nichts von Herzbeuteltamponade gehört? Das ist eine Druckerhöhung durch eine Blutung in den Herzbeutel hinein, die zum Tode führt.“
„Wie bitter.“ Jureks Hand leitete Jens quer durch den Geräteraum zu dem Gang, der zur Sauna führte. Der Blonde folgte pfeifend, ohne das Streichholz abgenommen zu haben. Schon am Solarium wurde Halt gemacht. Sie standen vor einem von drei Geräten, mit denen Jens sich nicht auskannte. Wer von der Sonne mit Röte statt Bräune bedacht wurde, machte gewöhnlich einen Bogen darum wie ein Einarmiger um eine Kreissäge. Black Power VX, stand auf dem Ding. Er wusste aus Gesprächen, dass das Werners Flaggschiff in Sachen Bräunung war. Die beiden Schalen mit den UV-Röhren sahen aus wie eine aufgeklappte Muschel oder wie ein geöffneter Sarg. Dorthin wurde Jens geschubst.
„Ihr seid wahnsinnig!“, schrie er. „Was erhofft ihr euch, wenn ihr mich röstet, tierische Befriedigung?“
Auf ihn gemünzt, bewirkte diese Bräunungsanlage einen mutagenen Rundumschlag, der auf seiner Haut kleine Atompilze keimen lassen würde. Er stellte sich in drei, vier Jahren den Hautkrebs vor – gesprenkelte Kleckse, wie von Vögeln hingeschissen, nur schwarzbraun. Man brauchte ihn bloß lange genug zwischen den Röhren festzuhalten.
Die Pistole war auf einmal an seinem Hinterkopf und nötigte ihn mit dirigierenden Bewegungen, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Er legte sich hin und vernahm das Scheppern von Münzen, die den Automaten fütterten. Der Deckel senkte sich und nahm die Sicht auf den schwarzen Schnurrbart und die beiden in Stahl gefassten Kunststoffkronen, die Jens anlachten. Es wurde heiß, er war ein Sandwich im Ofen. Etwa zehn Minuten später erlosch das schrille Licht der Röhren und er durfte aussteigen. Seine Haut fühlte sich abgeschmirgelt an – wie geschaffen, daran ein Streichholz anzureißen. Und sie schrie nach etwas Feuchtfettigem.
„Ihr Verbrecher, ihr armseligen Verbrecher“, stammelte er mit pelziger Stimme, dunkle Flecken sehend, wohin er auch blickte.
„Los komm, wartet Station zwei.“
Kräftige Arme stießen Jens nach vorn. Die Sauna in der ehemaligen Fabrikhalle hatte keine Gardinen an den riesigen Fenstern. Draußen floss die Elster entlang. Kaum anzunehmen, dass im Dunkeln jemand durchs feuchte Gras stampfte und an den Fenstern Halt machte. Er war auf sich allein gestellt.
„Kannst Hose anlassen“, sagte Jurek und hielt wie ein Diener die Holztür zur Sauna offen.
Aber es bedurfte erst dem Anblick der Pistole, dass Jens hineinging. Sollte er den Gang überleben, würde der mit Schweiß vollgesogene, abkühlende Stoff der Hose seine morbide Kratzvorstellung nicht gerade entschärfen. Er setzte sich auf die unterste Stufe. In schadenfrohem Rosa lugten zwei Fratzen durch die Glasscheibe in der Tür wie Geisteskranke. Auf dem Thermometer sichtete er sechsundachtzig Grad. Er drehte die Sanduhr herum; es konnte ja sein, dass die Zeit der Qual später vor Gericht wichtig sein würde. Er schwitzte mehr als sonst, zweimal ging die Tür auf, und Jurek klatschte volle Ladungen Wasser auf die heißen Steine. Im Nu perlte und verdampfte es zischend, Jureks Mentholwolke lieferte die Zutat. Noch eine andere Zutat gab es bei Jureks zweitem Aufguss. Er furzte –