Der Weg nach Roseworthy. Samina Haye

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Название Der Weg nach Roseworthy
Автор произведения Samina Haye
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847685050



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über Nick und darüber, wie schnell doch die Zeit vergangen sei, nun sei er schon sechs Jahre alt geworden.

      Nach einiger Zeit fiel Zoes Mutter Sophie auf, dass Zoe ständig auf die Uhr schaute.

      „Schätzchen, was ist denn los, du wirkst so bedrückt?“

      Traurig, schon fast mit Tränen in den Augen sah diese ihre Mutter an.

      „Mama, ich weiß nicht was los ist, aber ich habe schon seit einiger Zeit ein ungutes Gefühl, eigentlich sollten die zwei schon längst wieder hier sein.“

      Man merkte, wie es auf einmal still wurde und niemand mehr etwas sagte. Alle sahen zu Zoe, bis Adam, Julians Vater, das Schweigen brach.

      „Zoe, mach dich nicht fertig, deine Gefühle irren sich bestimmt. Hat denn mein Sohn sein Handy nicht dabei?“

      Überrascht sah sie ihn an und fragte sich gerade, warum sie denn nicht selber darauf gekommen war.

      „Ähm, ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Normalerweise verlässt Julian nie das Haus ohne sein Handy. Aber ich sehe sofort nach und ruf ihn an.“

      Luise, ihre Schwiegermutter, bot ihr an, sie zu begleiten um bei der Suche behilflich zu sein. Zoe lächelte schwach, bedankte sich und meinte, sie schaffe das schon alleine, sie sollten noch in Ruhe die letzten Sonnenstrahlen genießen.

      Nach kurzem Innehalten verschwand sie rasch im Haus und eilte ins Obergeschoss, wo sich Julians Büro befand.

      Wie versteinert blieb sie stehen, denn ihr erster Blick war seltsamerweise sofort auf sein Handy gefallen. Sie verstand nichts mehr, das war noch nie geschehen, aber warum denn genau heute? War das ein schlechtes Omen?

      Zoe ging zum Schreibtisch und nahm das Handy. Danach verließ sie wie in Trance das Zimmer und ging wieder nach unten.

      Alle standen beisammen auf der Terrasse und genossen die Wärme des Abends.

      Sie unterhielten sich über Nick, seinen Geburtstag und das wunderbare Geschenk, das er sich schon so lange gewünscht hatte. Alle mussten lächeln bei der Vorstellung, wie er später nach Hause kommen würde, voller Freude über das Erlebte.

      Sie ahnten jetzt schon, was sein nächster Wunsch sein würde - nämlich, dass er so schnell wie möglich wieder mit seinem Dad fliegen dürfte.

      Als sie Zoe mit dem Handy in den verkrampften Händen bemerkten fiel ihnen sofort auf, dass etwas nicht in Ordnung war.

      Sie war blass im Gesicht und ging zu ihren Eltern hinüber.

      „Ich verstehe das nicht, Julian hat das Handy doch immer bei sich, warum vergisst er es ausgerechnet heute?“

      Bevor sie ihr eine Antwort darauf geben konnten, läutete es an der Haustüre.

      Zoe eilte hin und hoffte, das Julian auch seinen Schlüssel daheim vergessen hätte und deshalb klingelte.

      Doch dem war leider nicht so.

      Vor ihrer Tür standen zwei Polizisten.

      „Guten Tag. Entschuldigen Sie die Störung, sind Sie Frau Clemens?“, fragte der Polizist freundlich. Zoe sah die beiden an und wurde blass im Gesicht.

      „Guten Tag, ja, ich bin Frau Clemens. Aber was wollen Sie denn von mir?“, fragte sie ängstlich.

      „Dürfen wir reinkommen? Wir würden gerne mit Ihnen sprechen.“

      Adam sah, dass Zoe mit der Fassung rang und kam ihr zur Seite.

      „Guten Tag, ich bin Adam Clemens. Bitte kommen Sie herein.“ Er führte die Polizisten ins Wohnzimmer und bot ihnen an, sich zu setzen.

      Zoe folgte ihnen wortlos.

      Als alle Platz genommen hatten, sah der Polizist in die Runde und ergriff das Wort.

      „Sind Sie der Vater von Julian Clemens?“

      „Ja, das stimmt. Aber jetzt sagen Sie uns doch bitte, weshalb Sie gekommen sind.

      Zoe war blass. Sie hatte große Angst vor der Antwort, weil sie doch schon seit Stunden ein ungutes Gefühl hatte. Noch hoffte sie, sich zu irren.

      Der Blick des Polizisten ruhte auf Zoe. Voller Ungewissheit sah sie ihn an und wartete auf seine Antwort.

      „Familie Clemens, es ist leider etwas Schreckliches passiert. Es tut uns von ganzem Herzen leid, Ihnen diese schlimme Nachricht überbringen zu müssen. Wir können noch nicht erklären, was geschehen ist. Der Hubschrauber von Herrn Clemens ist kurz vor der geplanten Landung abgestürzt. Herr Clemens und das Kind, das er bei sich hatte, sind an ihren schweren inneren Verletzungen noch am Unfallort verstorben.“

      Zoe saß wie versteinert da, alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht.

      Sie wusste nicht ob sie gerade richtig hörte, doch dann sprang sie auf, rannte hinaus in den Garten und schrie.

      Sie weinte heftig, ließ sich auf den Boden fallen und konnte sich nicht mehr beruhigen.

      Ihre Eltern, Sophie und Paul, liefen zu ihr, nahmen sie in die Arme und weinten mit ihr.

      Auch Adam und Luise, Julians Eltern, schwiegen erschüttert.

      Julian, ihr älterer Sohn, und Nick, ihr einziges Enkelkind, waren tot.

      Über die Familie senkte sich tiefe Trauer. Innerhalb weniger Augenblicke war für alle eine Welt zusammengebrochen.

      1

      Samstag, 28. November 2010

      Zwei Monate waren seit der Beerdigung von Julian und Nick vergangen. Die ersten Wochen davon verbrachte Zoe wie in Trance.

      Sie redete kaum und wenn man mit ihr ein Gespräch führte, wirkte sie abwesend und nahm nicht wirklich daran teil.

      Lina, ihre jüngere Schwester, beendete ihre Beziehung zu Pete, denn er konnte nicht verstehen, warum Zoe noch immer trauerte und bezeichnete sie als psychisch krank. Deshalb packte Lina ihre Sachen und zog zu Zoe. Für Außenstehende war das unvorstellbar, wie traurig und erschütternd die Ereignisse in den letzten Wochen gewesen waren. Deswegen wollte Lina ihrer Schwester voll und ganz zur Seite stehen, und ihr einen starken Rückhalt geben. Doch Lina merkte, dass Zoes Zustand sich nicht besserte, sondern immer schlechter wurde. Jede Nacht musste sie ihre Schwester wecken, denn Zoe schrie sich die Seele aus dem Leib.

      „Nick! Nick, komm zurück. Nick! Nick, wo bist du? Ich brauche dich, Nick.“ Danach begann Zoe heftig zu weinen.

      Lina sprach oft mit ihren Eltern darüber und alle dachten sich, es sei die ersten Wochen normal, Alpträume zu haben. Doch nun waren schon über zwei Monate vergangen und dennoch hat sich nichts gebessert, im Gegenteil, die Träume wurden immer mehr und intensiver. Darum war es für Lina heute ein heikles Thema, das sie mit Zoe am Frühstückstisch besprechen musste.

      Die Geschwister saßen gemütlich im Esszimmer und Zoe merkte, dass Lina angespannt war.

      „Was ist denn los, du wirkst so bedrückt?“, fragte sie sie.

      Lina starrte sie an und überlegte kurz, doch es musste sein.

      „Süße, ich muss dir was sagen.“ Zoe sah sie erschrocken an und wartete gespannt auf das, was ihre Schwester zu sagen hatte.

      „Ich weiß, die letzten Wochen waren nicht einfach, sondern das Traurigste, das einem im Leben nur widerfahren kann. Doch, hm, wie soll ich es dir erklären, ohne dich damit zu verletzten? Ich habe nun lange abgewartet und wollte dir auch die Zeit geben, es zu verarbeiten, um besser damit umgehen zu lernen. Mittlerweile befürchte ich aber, dass es dir psychisch immer schlechter geht und das Geschehene dir immer mehr zur Last fällt.“ Lina machte eine kurze Pause, um das Gesagte etwas wirken zu lassen, denn Zoe war kreidebleich im Gesicht. Aber nach ein paar Sekunden fuhr sie fort.

      „Deine Träume und Ausbrüche häufen sich, du weinst wieder viel mehr und verschließt dich uns komplett. Anfangs traute