Der Weg nach Roseworthy. Samina Haye

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Название Der Weg nach Roseworthy
Автор произведения Samina Haye
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847685050



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seine Zärtlichkeiten. So war es passiert, dass er sich in den letzten Schwangerschaftswochen wenig Zuhause hatte blicken lassen.

      Da Julian als Pilot viel Geld verdiente, hatte er es sich einfach gemacht und eine kleine noble Wohnung in der Nähe des Flughafens, wo er arbeitete, gekauft. Dorthin verkroch er sich mit seinen Affären, die er in den ganzen Jahren kennengelernt hatte.

      Die Zeiten hatten sich etwas gebessert, als ihr gemeinsamer Sohn Nick auf die Welt gekommen war. Für einige Monate hatte sich Zoe gedacht, doch noch das Glück zu haben, eine wundervolle kleine Familie zu werden. Aber der Schein hatte getrogen. Zu Nicks drittem Geburtstag hatte sie Julian gegenüber den Wunsch geäußert, gerne noch ein zweites Kind bekommen zu wollen. Damit hatte sie das Fass zum Überlaufen gebracht.

      Julian war außer sich geraten und hatte gab ihr eine Ohrfeige gegeben. Zoe wusste seine Worte noch, als wäre es erst gestern gewesen: „Zoe, es tut mir leid. Ich bin zu weit gegangen, ich wollte dich nicht schlagen, aber spinnst du? Ein zweites Kind? Du weißt doch, warum wir verheiratet sind. Es wird sich nichts daran ändern und auch ich werde mich nicht ändern. Ich möchte mich weiterhin mit anderen Frauen treffen. Das gehört, wie du und Nick, zu meinem Leben.“ Das waren seine Worte gewesen, bevor er kurz danach das Haus verlassen hatte und das ganze Wochenende nicht nach Hause gekommen war.

      Nun war das alles über sechs Jahre her und bis heute noch spielten sie ihren Familien eine glückliche Ehe vor. Anfangs war es für Zoe unerträglich und sehr kompliziert gewesen, das alles durchzustehen. Ihre Schwester hatte oft nachgefragt, ob denn auch alles in Ordnung sei, doch Zoe fand immer irgendwelche Ausreden. Nach so vielen Jahren wusste sie mit dem Ganzen richtig umzugehen. Zoe weinte nicht mehr ganz so viel, aber sie führte immer noch ein trauriges und unvollkommenes Leben.

      Das einzig Positive in ihrem Leben war ihr wunderbarer Sohn Nick. Er brachte sie zum Lachen und machte sie jeden Tag glücklich.

      Heute, an diesem Samstag war es soweit. Der kleine Nick feierte seinen sechsten Geburtstag.

      Als sich Zoe nun wieder fasste, ging sie schnell in die Küche, um das leckere Frühstück zu holen und draußen auf dem Terrassentisch aufzudecken.

      Wenige Minuten später gesellte sich auch Julian zu ihr und nahm sich frischen Kaffee, aber sie sprachen nicht miteinander, sondern jeder las eine Zeitung.

      Nick wünschte sich schon seit seinem dritten Lebensjahr einen Flugtag zusammen mit seinem Vater, einem erfahrenen Hubschrauberpiloten.

      Wäre es nach Julian gegangen, hätte Nick schon viel früher mitfliegen dürfen, denn für ihn war Fliegen das Schönste und Normalste auf der Welt.

      Doch für Zoe war das viel zu früh. Sie hatte auch immer ein ängstliches Gefühl, wenn ihr Mann seinen Beruf ausübte. Sie konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass sich Nicks Vater, ihrer Meinung nach, immer wieder großer Gefahr aussetzte.

      Darum hatten sie sich darauf geeinigt, dass Nick erst zu seinem sechsten Geburtstag das ersehnte Geschenk bekommen sollte. Zusätzlich bekam er ein kleines Modellflugzeug, mit dem er spielen, aber auch lernen sollte, vorsichtig und verantwortungsvoll umzugehen.

      Es dauerte an diesem Morgen nicht lange, schon hörten sie laute Geräusche aus Nicks Zimmer.

      Er rannte schnell und gut gelaunt raus auf die Terrasse und schrie:

      „Guten Morgen, Mama, Papa! Ich war heute schon total brav, bin frisch gewaschen und habe mir auch schon die guten Sachen angezogen. Bekomme ich jetzt bitte schon mein Geschenk?“

      Zoe streckte mit einem Lächeln im Gesicht die Arme nach ihrem Sohn aus und Nick hüpfte voller Begeisterung auf den Schoß. Sie war so stolz auf ihren kleinen Sohnemann.

      Nick lachte und sah seine Mutter an.

      „Jetzt bin ich nicht mehr so leicht aufzufangen, denn ab heute bin ich schon ein ganz Großer.“

      Alle drei brachen in lautes Gelächter aus.

      „Da hast du recht. Guten Morgen, mein Großer. Hast du denn gut schlafen können?“

      „Ja, Mami, sehr gut. Bin doch jetzt schon groß. Oma sagt doch immer, dass Vorfreude die schönste Freude sei auf das, was bald kommt. Tja, daran hab ich einfach gedacht.“

      Nick sah seinen Dad voller Erwartung an, der endlich Anstalten machte, ihm sein Geschenk zu überreichen.

      Julian merkte schon, dass Nick ungeduldig hin und her rutschte und musste lächeln.

      Nick ging es einfach nicht schnell genug. Nach einer gefühlten Ewigkeit machte er einen spontanen Seitenwechsel auf Julians Schoß. Der große Augenblick war gekommen: Das Öffnen des Geschenkes.

      Als er das Modelflugzeug sah, war es um ihn geschehen. Die Freude war so groß, dass er nicht bemerkte, dass sich noch etwas in dem Paket befand.

      Zoe und Julian waren glücklich und zufrieden, dass sie ihrem Sohn diese Freude bereiten konnten.

      „Jetzt hab ich auch einen Flieger“, jubelte Nick.

      „Sieh doch noch mal in dem Paket nach. Ich glaube, da könnte noch eine Überraschung versteckt sein“, gab Zoe ihm den Tipp.

      Sofort schaute er nochmals in die Schachtel und fand unter dem ganzen Geschenkpapier noch ein Foto.

      „Toll, ein Bild von Papas neuem Hubschrauber, das muss ich gleich in meinem Zimmer aufhängen“, grinste er bis über beide Ohren. Zoe und Julian sahen sich glücklich an.

      „Deine Mutter und ich haben entschieden, dass du jetzt alt genug dafür bist, um einen Flugtag mit mir zu verbringen!“

      Nick sprang auf und jubelte vor lauter Freude.

      „Papa, fliegen wir bitte heute noch? Bitte, bitte, es ist doch mein Geburtstag und so tolles Wetter noch dazu!“

      Mit einem Lächeln im Gesicht sahen sich Zoe und Julian an und antworteten gleichzeitig:

      „Aber natürlich. Heute ist doch dein Geburtstag!“

      Der Junge war jetzt so aufgeregt, dass er nicht mehr wusste, was er als erstes tun sollte.

      Nick rannte ins Haus, holte das Telefon und rief seine Großeltern an.

      Voller Stolz berichtete er, welch „gigantisches“ Geschenk er bekommen hätte und dass es besser wäre, wenn sie erst am späten Nachmittag vorbeikämen. Denn dann könne er ihnen von dem tollen Flug erzählen.

      Die Großeltern freuten sich mit ihm und mussten über ihren nervösen Enkel herzlich lachen. Sie wünschten ihm viel Spaß, er solle aber auf sich aufpassen und vorsichtig sein.

      Nick ging wieder zu seinen Eltern, frühstückte mit ihnen und hörte einfach nicht mehr auf zu quasseln.

      Kurz vor Mittag brachen Julian und Nick auf zum Flugplatz.

      Zoe umarmte ihren Sohn noch einmal.

      „Mein Spatz, ich wünsche dir ganz viel Spaß heute. Pass auf, was dein Vater dir alles erklärt.“

      „Oh ja, danke schön, Mum, das werde ich machen!“

      Er gab ihr noch einen dicken Kuss und sprang ins Auto.

      Julian ging zu seiner Frau und drückte ihren Arm.

      „Hab keine Angst, in ein paar Stunden sind wir wieder heil zurück und du hast deinen glücklichen Sohn vor dir stehen.“

      Sie nickte schwach, doch Zoes Angst war deutlich zu spüren. Julian gab ihr einen Kuss auf die Wange.

      „Viel Spaß, euch beiden!“

      „Danke, den werden wir haben.“

      Sie fuhren davon. Zoe winkte ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren und flüsterte leise.

      „Ich liebe dich, Nick.“

      Spät am Nachmittag trafen Zoes Eltern und auch ihre Schwiegereltern ein. Sie war froh, nicht mehr alleine sein zu müssen und etwas Ablenkung tat ihr gut. Irgendwie hatte sie ein komisches