Hintertüren. Dirk Lützelberger

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Название Hintertüren
Автор произведения Dirk Lützelberger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752993912



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es für uns hier nichts zu helfen.«

      »Wie kannst du das wissen? Wir sollten mindestens einmal nachfragen. Unser Urlaub ist in einigen Tagen beendet und wir müssen uns wieder unserem alten Trott ergeben. Da ist doch etwas Abwechslung angebracht, oder?« Gwen legte ihren Kopf auf die Seite und sah Stefan mit ihren leuchtend grünen Augen an. Sie strich sich eine ihrer roten Locken aus dem Gesicht und taxierte ihn verführerisch.

      »Ich freue mich, dich so euphorisch zu sehen, aber wir wollten uns hier entspannen und nicht in einen Kriminalfall, der keiner ist, verwickeln lassen.«

      Ohne etwas zu sagen schmiegte sich Gwen an Stefans Brust und schnurrte wie eine Katze.

      »Du kannst mich nicht so einfach um den Finger wickeln, Gwen. Wir sollten realistisch bleiben.«

      Abrupt stieß sich Gwen von Stefan ab und setzte sich wieder neben ihn. »Du bist immer so vernünftig, so strukturiert, so planvoll. Kannst du nicht auch einfach mal deinem Herzen nachgeben und machen, wozu du Lust hast? Paul stand immer zu mir und wir haben allerhand gemeinsam gemacht.« Eine Träne entstand in ihrem Augenwinkel, aber Gwen ließ sich nichts anmerken.

      »Paul hat mich immer unterstützt. Er stand zu mir, auch wenn es manchmal sicherlich unsinnige Dinge gewesen waren. Aber wir hielten zusammen und haben die Dinge gemeinsam angepackt. Ich dachte, ich kann auf dich zählen. Als mein Partner im Beruf und auch in meinem Leben?« Die Träne lief ihr an der Wange herab. Stefan fing sie mit seinem Zeigefinger zärtlich auf.

      »Aber natürlich kannst du dich auf mich verlassen. Ich sehe nur keinen großen Sinn darin, sich in die Polizeiarbeit hier vor Ort noch einzumischen. Aber wenn du meinst, dass wir es versuchen sollten und du dich dann besser fühlst, dann bin ich mit dabei.« Seine warme Hand führte ihren Kopf vorsichtig zu seiner Brust. Gwen ließ es geschehen.

      »Dann gehen wir drei morgen nochmal zu dem Dorfpolizisten und mischen ihn ordentlich auf?«, vergewisserte sich Phil.

      »Bis auf das ›aufmischen‹, werden wir das morgen nochmal in Angriff nehmen«, korrigierte Stefan ihn.

      Phil trank seine Cola aus. »Prima, ich freue mich und ich gehe schon mal ins Bett, damit ich morgen bei den Ermittlungen ausgeschlafen bin«, bemerkte Phil neckisch.

      Gwen blickte Phil nach und bemerkte erneut, wie ähnlich ihr Sohn ihr wurde. »Gute Nacht mein Großer!«

      ♦♦♦

      Der Bezirksinspektor hatte die Wache am Abend zuvor direkt nach dem Anruf seines Chefs verlassen. Er sah keinen Sinn mehr darin, die deutschen Behörden noch am Abend für einen Fall zu alarmieren, der am nächsten Morgen geschlossen werden würde. Die Rückführung nach Deutschland und die Unterrichtung der Angehörigen könnten die nachfolgenden Behörden veranlassen. Darum würde er sich als kleiner Polizist nicht kümmern müssen. Also war Alois Wedelmaier wie immer um 08:00 auf der Wache und hatte somit noch zwei Stunden Zeit, um für seinen Chef den Bericht zu verfassen.

      Das Telefon klingelte. Es war fast, als hätte es auf ihn gewartet.

      »Bezirksinspektor Wedelmaier. Guten Morgen. Wie kann ich Ihnen helfen?«

      »Herr Bezirksinspektor. Hier ist Luisa Steiner von der Gerichtsmedizin in Salzburg. Ich habe das endgültige Ergebnis der Untersuchungen für Sie.«

      »Sehr gut Frau Steiner, was haben Sie für uns?«

      Luisa Steiner hielt für einen Moment inne, denn irgendwie verlief das Gespräch am letzten Abend ganz anders, überlegte sie. Aber vielleicht hatte er nur einen anstrengenden Tag gehabt und klang deshalb weitaus unhöflicher als heute. Sie wischte die Gedanken fort und fasste die Untersuchungsergebnisse zusammen.

      »Wie gestern schon berichtet, gab es keine äußeren Anzeichen von extremer Gewalteinwirkung, die seinen Tod verursacht haben könnte. Leichte Abschürfungen und Schnittverletzungen an den Händen, den Knien und in seinem Gesicht, rühren vom Sturz her. Weiterhin haben wir Röntgen- und MRT-Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, ob es noch innere Verletzungen gab. Leider negativ. Die Leichenflecken im Brustbereich und an der Schulter belegen, dass der Tod eintrat und der Körper danach nicht mehr bewegt wurde. So, wie die Kollegen des Notfalldienstes mir den Fall schilderten, decken sich unsere Untersuchungen mit den Angaben, dass der Körper in einem Graben lag.«

      Wedelmaier merkte, wie er wieder ungeduldig wurde. Konnte das Mädchen nicht schneller auf den Punkt kommen? Musste sie ihn mit den Einzelheiten konfrontieren, die nur erklärten, dass es ein Sportunfall war? Er wollte sie gerade unterbrechen, als er sich auf die Zunge biss. Wahrscheinlich würde sie auch noch seinen Vorgesetzten informieren und wenn er nun unfreundlich werden würde, so wäre das wieder ein gefundenes Fressen für den Chefinspektor. Bei ihm war er nach dem Anruf von gestern Nachmittag sowieso schon unter Beobachtung und wollte sich nicht noch einmal in die Nesseln setzen.

      Also hörte sich Wedelmaier sagen: »Das ist alles sehr interessant Frau Steiner, was haben Sie noch herausgefunden?«

      »In der Tat waren das noch nicht alle Untersuchungen. Das Ungewöhnlichste wollte ich mir bis zum Schluss aufsparen.«

      Wedelmaier schwankte zwischen Neugier und Abneigung. Zum einen wollte er natürlich alle Details wissen, um seinen Bericht zu schreiben, zum anderen verhieß es nichts Gutes, wenn noch ›ungewöhnliche‹ Dinge während der Untersuchung auftauchten. Wahrscheinlich würde sein Bericht wohl noch etwas länger werden müssen.

      »Spannen Sie mich nicht so lange auf die Folter, Frau Steiner. Was gab es für ungewöhnliche Ergebnisse?«, fragte er so freundlich wie nur irgendwie möglich.

      »Wir haben eine Reihe von Drogentests und Blutuntersuchungen gemacht. Der Mann hatte einen ganzen Cocktail an Substanzen in sich. Aber der Reihe nach. Er hatte fast eintausend Euro in bar bei sich und er hatte Spuren von Heroin an den Händen. Das sind aber Konzentrationen nur kurz über der Nachweisgrenze gewesen. Das bei ihm gefundene Geld war zum Beispiel kontaminiert. Vielleicht würden wir an Ihren Händen auch Drogen feststellen können, wenn Sie den falschen Geldschein in den Händen gehabt haben.«

      Wedelmaier hielt sich im Zaum und ließ diese Anspielung durchgehen. Die junge Dame vermutete bestimmt keine Bestechlichkeit bei ihm und unterstellte ihm nichts. Es war sicherlich nur das Gerede einer jungen, angehenden Gerichtsmedizinerin.

      »Das könnte jedem von uns passieren, da haben Sie sicherlich recht. Aber Sie sagten, Sie hätten noch mehr Drogen gefunden?«

      »Ich sprach von weiteren Substanzen. Keine Drogen, Herr Wedelmaier. Nur um ganz sicher zu gehen, werden wir eine Haaranalyse durchführen, um darin einen Drogenkonsum nachzuweisen oder auszuschließen. Die Ergebnisse erhalten Sie in einigen Tagen. Die Blutuntersuchungen waren aber wesentlich aufschlussreicher.

      Wir fanden Moxifloxacin, Refecoxib, Lumiracoxib und Diclofenac in hohen Dosen. Moxifloxacin ist ein Gyrasehemmer der vierten Generation, wohingegen Refecoxib ein nichtsteroidales Antirheumatikum ist, welches zur Gruppe der COX-2-Hemmer zählt. Für Lumiracoxib gilt eigentlich das Gleiche. Es ist ein nichtsteroidales Antirheumatikum zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen. Diclofenac hingegen, zählt zur Gruppe der Nichtopioid-Analgetika, hemmt aber auch Cyclooxygenasen, allerdings nicht selektiv.«

      Wedelmaier hatte schon vor einiger Zeit den Faden verloren und Frau Steiners Worte, die ihn durch das Telefon erreichten, glichen einer Wolke aus Geräuschen, die für ihn keinen Sinn ergaben. »Wenn ich kurz unterbrechen dürfte, Frau Steiner? Was genau bedeutet das für unseren Toten?«

      »Entschuldigen Sie bitte. Ich bin zu tief in mein Fachchinesisch abgedriftet. Es handelt sich hier um ein Antibiotikum und mehrere Schmerzmittel.«

      Wedelmaier verdrehte die Augen und tippte mit dem Bleistift nervös auf seine Schreibtischunterlage.

      »Es ist mehreres ungewöhnlich an dem Fund. Zuerst handelt es sich um Konzentrationen, die bei sachgemäßer Einnahme gar nicht möglich sind.«

      »Vielleicht wollte er sich umbringen?«, warf Wedelmaier ein.

      »Damit bringen Sie sich nicht so leicht um. Aber lassen Sie mich weiter zusammenfassen. Bereits im Jahre 2004 wurde das