Blut für Gold. Billy Remie

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Название Blut für Gold
Автор произведения Billy Remie
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752923964



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laufen lernte«, erklärte Elmer gegen Mittag. Er übertrieb maßlos, da war sich Darcar sicher, dennoch brachte ihn die Vorstellung eines Knirpses mit Elmers Haar und Augen, der wackelig auf den Beinen knietief in Rinderfladen stand, erneut zum Schmunzeln.

      »Greift zu!«, forderte Elmer dann auf, als er sich zu ihnen umdrehte. Sie saßen im Gewölbe auf dem Boden um einen Topf herum, den Elmer aufgestellt hatte. Es war ein wenig wie um ein Lagerfeuer herum zu sitzen, nur hing über ihnen kein funkelndes Sternenzelt, sondern die Zimmerdecke. Darcar war ohnehin nie draußen in der Wildnis unterwegs gewesen, er kannte die Lagerfeuerszenen nur aus Büchern und Magdas Gutenachtgeschichten. Das hier war ein wenig ähnlich wie die Mahlzeiten, die die Helden in ihren Erzählungen immer eingenommen hatten, wenn sie gerade nicht bis zum Hals in Abenteuern steckten. Veland machte das sichtlich Spaß, sodass er nicht bemerkte, wie sehr zum Schlechten sich alles gewendet hatte. Statt an einer gedeckten Tafel zu sitzen und köstlichen Braten zu schlemmen, hockten sie nun zwischen Lagerkisten und Spinnenweben auf dem harten Boden und aßen irgendeinen wässrigen Eintopf.

      Elmer machte für Veland eine Holzschale voll, nachdem er sich Darcar gegenübergesetzt hatte. Hungrig machte der Kleine sich sofort über die Mahlzeit her, Brot gab es auch, doch es war alt und trocken, den Schimmel hatten sie großzügig abgebrochen.

      Darcar begutachtete angewidert den Topf, seit er vor seiner Nase stand. Er saß in eine Decke gewickelt neben dem Kamin, trug seine mittlerweile getrockneten Kleider, und machte keine Anstalten, sich von dem Topf zu nehmen. Noch immer war ihm kalt.

      »Darcar?« Elmer hielt ihm eine bis zum Rand gefüllte Schale hin.

      Darcar starrte darauf. »Da sind aber nicht die Ratten drinnen, oder?«

      Elmer legte genervt den Kopf schief, er hielt Darcar für einen verwöhnten Schnösel. »Nimm schon!« Er drückte ihm die übervolle Schale in die Arme, sodass heiße Tropfen auf der Decke landeten und Darcar die Hände befreien musste, damit ihm nicht der Rest der heißen Brühe über den Schoß gegossen wurde.

      »Ich esse das nicht«, trotzte er.

      Elmer seufzte, während er nach vorne gelehnt im Topf rührte und sich dann selbst eine Schale mit der dünnen Brühe füllte. »Ich sage dir jetzt etwas, das ich hier im Loch gelernt habe. Entweder frisst du, was dir vor die Nase kommt, oder du verreckst elendig!«

      Veland verfolgte die Unterhaltung stumm, seine großen Augen wanderten zwischen ihnen hin und her, den Löffel führte er weniger begeistert zum Mund, als wartete er darauf, was Darcar entscheiden würde.

      Elmer sah es auch, nickte unauffällig in Velands Richtung. Er musste nichts sagen.

      Darcar seufzte und blickte auf das Essen hinab. Er fischte den Holzlöffel aus dem Eintopf und rührte darin herum. Die Brühe war klar, Kräuter und Gemüsestücke wirbelten auf, sie roch gut, fast wie von Magda – aber eben nur fast.

      »Das schmeckt gut«, ermutigte Veland ihn. »Und du musst essen!«

      »Ja, Darcar«, stimmte Elmer ihm zu und feixte, »du musst essen!«

      Darcar schmunzelte von einem zum anderen. Dann nahm er den ersten Löffel. Er kaute auf den Stücken herum und da war eindeutig Fleisch dabei. Es schmeckte wie … Geflügel, aber er meinte sich einzubilden, es wäre irgendwie… sauer und pelzig.

      Seinem Gesicht musste anzusehen sein, wie angewidert er war, denn Elmer und Veland lachten über ihn. Die beiden warfen sich komplizenhafte Blicke zu.

      »Das ist Möve«, beruhigte Elmer ihn erheitert, »ich hab sie heute Morgen mit einer Steinschleuder vom Himmel geschossen. Glaub mir, das war nicht leicht, aber du brauchst etwas Nahrhaftes. Und Ratten schmecken übrigens nur gut angebraten über dem Feuer.«

      Darcar wischte sich mit dem Handrücken über den glänzenden Mund. »Hm, das macht es nicht besser.«

      »Ich finde, es schmeckt gut«, sagte Veland zufrieden, und um seine Worte zu unterstreichen, löffelte er sogleich noch mehr Brühe in sich hinein.

      Irgendwie tat es gut, ihn essen zu sehen. Er würde nicht verhungern, nicht verdursten oder erfrieren, Darcar war froh, dass der Kleine zu Elmer zurückgerannt war, sein eigener Argwohn hätte sie beide noch ins Grab gebracht.

      »Schleimer«, neckte er seinen kleinen Bruder und knuffte ihm in die Seite. Veland kicherte und versuchte, ihn mit dem Ellenbogen zu erwischen. Seine Unbeschwertheit war die beste Medizin.

      Darcar hob den Löffel wieder an und murmelte dann gestehend: »Aber es schmeckt wirklich gut.« Nachdem er einige Tage nichts gegessen hatte, schmeckte es sogar himmlisch.

      Elmer versuchte es zu verstecken, doch die Komplimente machten ihn verlegen, er winkte ab. »Esst, haut rein. Ihr könnt es gebrauchen.«

      Das taten sie. Aßen und redeten, spaßten ein wenig miteinander, wie Brüder an einem Mittagstisch, die schrecklichen Ereignisse verdrängend.

      Als Darcar sich einen Nachschlag mit der Kelle in die Schale schaufelte, wandte er sich an Elmer: »Da sind Karotten und Kartoffeln drinnen. Wo hast du die frischen Lebensmittel eigentlich her? Du baust doch hier nicht alles selbst an, oder?«

      Elmer kaute erst zu Ende, bevor er mit feuchtglänzendem Mund, der Darcar von dessen Worten beinahe ablenkte, erklärte: »Ganz verwahrlosen lässt man uns hier nicht. Alle paar Wochen schmeißt ein Zeppelin Vorratskisten ab. Wenn man ihn früh genug sieht, kann man seine Route berechnen und ihn verfolgen, so ist man als erstes am Abwurfort.« Er zuckte mit den Achseln. »Meistens kommen die anderen erst nachts raus, da hab ich das Meiste schon weggebracht. Ist immer unterschiedlich, was dabei ist, meist vergammelte Waren von Bauern in der Nähe, oder was die Gemischtwarenläden nicht mehr verkaufen können. Ist aber auch viel dabei, das man noch einlegen oder lagern kann. Die Pilze züchte ich allerdings selbst, auf einem natürlichen Kompost.«

      Darcar rührte nachdenklich in seiner Schale, die Brühe schenkte ihm Kraft, er konnte regelrecht bei jedem weiteren Löffel spüren, wie es ihm besser ging.

      »Und all das hier«, er deutete mit dem Löffel im Raum herum, »hast du selbst gebaut?«

      »Nein«, Elmer schüttelte kauend den Kopf, »ich bin an meinem ersten Tag hier genauso ratlos rumgelaufen wie ihr, hatte aber Glück, dass ich mit einer ganzen Gruppe abgesetzt wurde. Wir haben uns zusammen durchgeschlagen, bis…« Er zuckte mit den Achseln. »Wie sich die Gemeinschaft entwickelte und wie sie mit Neuzugängen umgingen, gefiel mir nicht, also hab ich mich abgekapselt, hab Henning den Rücken gekehrt, als er sich zum Anführer ernannte. Ich hab dann die Mühle entdeckt. Glaube, das hier, dieses Gewölbe, ist ein altes Schmugglerversteck, es gibt von hier aus auch einen Tunnel, der führt zum Lager eines verlassenen Ladens ein paar Straßen von hier, so bin ich ihnen am Anfang immer entschlüpft, bis ich was hatte, um meine … Unversehrtheit zu erkaufen.«

      Darcar hörte sehr viel aus diesen wenigen Worten heraus, er starrte lange in seine Schüssel, rührte darin herum. »Du weißt also, wo der Rattenkönig sich aufhält.«

      Elmer nickte stumm. Und Darcar hatte plötzlich richtigen Appetit.

      *~*~*

      Die drei Schüsseln Brühe rächten sich spät in der Nacht. Ein seltsames, heißes Gefühl brodelte in Darcars Magen, es zog sogar in seine Oberschenkelmuskeln, sodass er vorsichtig V von sich runter schob und sich aus den Decken befreite.

      Es glühte etwas Glut im Kamin und er musste über den schlafenden Elmer steigen, der vor dem Feuer auf dem Rücken lag und leise schnarchte. Obwohl die Mühle ein Obergeschoss besaß, schlief Elmer immer im Schmugglerversteck, er sagte, wenn sie nachts sein Haus ausräumten, würden sie ihn zumindest nicht finden. Darcar konnte ihn verstehen.

      Elmer hatte eine Ecke, die verborgen hinter den gelagerten Kartoffeln lag, mit einem vergilbten Laken abgehangen, weil Darcar sich so sehr geschämt hatte. Ein Eimer, den man abdecken konnte, stand dort bereit. Darcar schaffte es gerade noch, die Hose runter zu ziehen.

      Es war eine Qual und er fragte sich, womit er das verdient hatte. Vermutlich musste sich sein Magen erst noch an das Essen gewöhnen, allerdings