Literarische Mehrsprachigkeit im österreichischen und slowenischen Kontext. Группа авторов

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Название Literarische Mehrsprachigkeit im österreichischen und slowenischen Kontext
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783772000973



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Literatur machen auch deutlich, dass der Grad individueller, kollektiver, gesellschaftlicher, territorialer und institutioneller Mehrsprachigkeit für sich genommen für deren Präsenz und Akzeptanz nur wenig Aussagekraft hat. So zählt Slowenien in Bezug auf die Zwei- und Mehrsprachigkeit seiner Bewohner_innen zu den Spitzenreitern in der Europäischen Union (European Commission 2012: 15), trotzdem scheinen gegenwärtig die Voraussetzungen für die Produktion, Verbreitung und Rezeption mehrsprachiger Literatur in Österreich, das sich statistisch gesehen lediglich im europäischen Mittelfeld befindet (ebd.), wenn auch nicht ideal, so doch ungleich besser zu sein.12 Dabei nimmt die Mehrsprachigkeit der EU-Bevölkerung im Vergleich zu 2005, wie aus den von der Europäischen Union in Auftrag gegebenen Umfragen hervorgeht, grosso modo ab (ebd.: 5, 142). Die „Polygamie der Sprachen“, von der Beck und Grande in ihrem Appell für eine „innere Kosmopolitisierung“ Europas sprechen, womit sie das Erlernen von Englisch als Drittsprache und einer weiteren europäischen oder nichteuropäischen Sprache als Zweitsprache meinen, scheint demnach auf der Stelle zu treten. Mehr noch: Die Feststellung, dass manche europäischen Länder eine zugleich protektionistische und imperialistische Sprachenpolitik betreiben und die nationale Kultur und Identität ihrer Sprache „schützen“ und in ihrem Geltungsbereich „ausdehnen“ wollen, während andere um das Überleben ihrer Sprache „kämpfen“ und wiederum andere sich auf der globalen Geltung ihrer Sprache „ausruhen“ können (Beck/Grande 2004: 158), hat nichts an Gültigkeit verloren, wobei die Wortwahl wohl nicht von ungefähr daran erinnert, dass Sprachenpolitik als ein umkämpftes Feld widerstreitender Interessen aufgefasst werden muss. Von daher scheint es geboten, den Mehrsprachigkeitsdiskurs – ob in den Erziehungswissenschaften, der Fremdsprachendidaktik, der Linguistik oder den Literaturwissenschaften – immer auch im Kontext der jeweiligen politischen, ideologischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und Kräfteverhältnisse zu denken, zumal die enge gesellschaftliche Bindung auch dafür ausschlaggebend sein dürfte, dass dieser Forschungszweig seit Jahrzehnten einen beachtlichen Boom verzeichnet, der längst auch die Literaturwissenschaften erreicht hat. Aus der Forschungsgeschichte geht überdies hervor, dass das Phänomen literarischer Mehrsprachigkeit zumeist innerhalb von Einzelphilologien untersucht wird, die im Normalfall nur wenig Notiz voneinander nehmen.13 Als „ruhmreiche Ausnahme von der Blindheit der Nationalphilologien für Sprachwechsel und -mischung“ (Dembeck 2017: 153) kann die Romanistik genannt werden, die „immer schon mehrere Sprachgebiete und Nationen abdeckt“. Ähnliche Voraussetzungen böte an sich die Slawistik, vor allem jene außerhalb der slawischen Länder,14 allerdings kann das weitgehende Fehlen aussagekräftiger Bestandsaufnahmen zu diesem Thema als Hinweis darauf gelten, dass in der Slawistik wie auch in den Nationalphilologien vieler slawischer Länder, so in Slowenien, die literarische Mehrsprachigkeit ein relativ junges und wenig etabliertes Forschungsfeld ist.15

      Wenn die lebensweltliche Mehrsprachigkeit einer Gesellschaft oder eines Landes nicht zwangsläufig zu einer größeren Sichtbarkeit literarischer Mehrsprachigkeit führt, unterstreicht dies die Bedeutung der Verhältnisse im literarischen Feld und der Intensität der Bindung der jeweils dominanten (Literatur-)Sprache an essenzialistische Kategorien und Konstruktionen wie Ethnizität, Nation, Identität. Im slowenischen Kontext sind diese Kategorien in deutlich größerem Maß wirksam, was sich auch am literaturwissenschaftlichen Diskurs ablesen lässt. Dies gilt auch für den Umgang mit der slowenischen Literatur in Kärnten bzw. der Literatur der Kärntner Slowen_innen, die ein zentrales Bindeglied zwischen Österreich und Slowenien bzw. zwischen der Germanistik, Slawistik und Komparatistik der beiden Länder darstellt. Denn während die österreichische Literaturwissenschaft seit mehreren Jahrzehnten zumeist die interkulturellen, zwei- oder mehrsprachigen Aspekte dieser Literatur in den Mittelpunkt rückt, wurde insbesondere das deutschsprachige literarische Schaffen der Kärntner Slowen_innen seitens der slowenischen Literaturwissenschaft bis vor wenigen Jahren mit wenigen Ausnahmen außer Acht gelassen. Später wurde diese Praxis mitunter als mögliches Anzeichen von Assimilation (vgl. Bandelj 2008: 175) oder schlicht als trauriges Faktum gedeutet (vgl. Borovnik 2008: 53–54), während sie heute – zusammen mit der Literatur von Slowenien nach Österreich migrierter Autor_innen – wiederum als „Musterfall“ literarischer Interkulturalität erachtet wird (Borovnik 2017: 71).

      Die zwei- und mehrsprachige literarische Praxis der Kärntner Slowen_innen diente auch als Angelpunkt für die hier versammelten Beiträge. Denn was sie über den österreichischen und slowenischen Kontext hinaus interessant macht, ist nicht nur ihre heterogene Entwicklung in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, sondern auch die Tatsache, dass sie Gegenstand einer breit gefächerten, nicht nur literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung ist, wie sie für eine kleine Literatur keine Selbstverständlichkeit darstellt. So bietet diese Literatur mit ihren vielfältigen Formen, Funktionen und Paradoxen, ihren Institutionen und ihrer Einbindung in Diskurse, die von traditioneller Heimatliteratur bis hin zur Weltliteratur reichen, ideale Voraussetzungen für die Anbindung an Fragen nach der Funktionsweise literarischer Felder und Systeme wie auch für die Diskussion minoritärer, überregionaler, polyphoner, migrantischer und transkultureller Literaturen, deren gemeinsames Merkmal Mehrsprachigkeit ist.

      Obwohl es sich angeboten hätte, die Beiträge nach Kriterien wie diesen in mehrere Abschnitte zu gliedern, werden sie hier in loser Abfolge, die vom Allgemeinen zum Speziellen führt, aneinandergereiht, auch um die unterschiedlichen Zugänge zu den behandelten Themen nicht durch einen hervorgehobenen theoretisch-methodischen Teil zu überlagern. Zugleich soll die Anordnung die Möglichkeit bieten, bestimmten Diskurslinien in der Auseinandersetzung mit der Literatur der Kärntner Slowen_innen, der Slowen_innen in Italien und der italienischen Minderheit im kroatischen und slowenischen Istrien sowie der Literatur mehrsprachiger oder migrierter Autor_innen im österreichischen und slowenischen Kontext zu folgen, wobei ein Bogen gespannt wird, der von der Gegenwart bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.

      Am Beginn steht der Beitrag von Marko Juvan, der ausgehend vom multilingualen und weltliterarischen Diskurs analysiert, wie das welt-systemische Kapital Druck auf die seit etwa 200 Jahren vorherrschenden nationalen literarischen Systeme und das literarische Welt-System ausübt und zu (literarischer) Einsprachigkeit zwingt. Periphere, minoritäre, regionale oder migrantische Literaturen erweisen sich aus dieser Perspektive als Refugien der sterbenden liberalen Idee der Multikulturalität, die selbst wiederum die marktbedingten Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse lediglich verschleiert. Wenn jenseits linksliberaler intellektueller Kritik und religiös-fundamentalistischer, nationalistisch-rassistischer und populistischer Bewegungen Widerstand gegen die ökonomische Logik des Kapitals formiert und Mehrsprachigkeit mit tatsächlicher Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung ausgestattet werden soll, gelte es, fortschrittliche gesellschaftliche Praktiken, eine andere theoretische Sprache und ein alternatives literarisches Ökosystem zu etablieren. Im Spannungsfeld von nationalen und weltliterarischen Konzeptionen, des Zentrum-Peripherie-Diskurses und marktökonomischer Aspekte ist auch der Beitrag von Jeanne E. Glesener angesiedelt, der in kritischer Auseinandersetzung mit DeleuzeDeleuze, Gilles und GuattariGuattari, Félix den vielschichtigen Terminus ‚kleine Literaturen‘ aus forschungsgeschichtlicher Perspektive beleuchtet. Mit Blick auf die Rolle der Mehrsprachigkeit wird eine differenzierte Begriffstypologie erstellt, die auch berücksichtigt, ob es sich bei den gebräuchlichen Begriffen um Fremdzuschreibungen dominanter oder Selbstbeschreibungen dominierter Literatursysteme handelt. Die daraus resultierende vorläufige Typologie kleiner europäischer Literaturen legt nahe, kleine Literaturen außerhalb nationaler und einsprachiger Prämissen zu denken, ihre womöglich eigenen Ästhetiken verstärkt zu untersuchen und deren literaturtheoretisches Potenzial für eine pluralistisch angelegte Literaturentwicklung zu nutzen. Solche Potenziale legt gerade auch die literarische Komparatistik der Alpen-Adria-Region frei, an die das von Andreas Leben am Beispiel der Literatur der Kärntner Slowen_innen vorgestellte Modell für die Erforschung überregionaler, zwei- oder mehrsprachiger literarischer Interaktionsräume methodologisch anschließt. Von anderen raumbasierten Konzepten unterscheidet sich das an Bourdieu, LefebvreLefebvre, Henri und LotmanLotman, Jurij orientierte Modell, das ohne ethnische, nationale und identitätsbildende Kategorisierungen auszukommen versucht, vor allem darin, dass es sich nicht mit exemplarischen Beobachtungen begnügt, sondern die Erhebung empirischer Daten voraussetzt, anhand derer konkrete Aussagen über die Beschaffenheit und Stabilität inkorporierter mehrsprachiger literarischer Felder möglich sind. Die Einbettung