Ländlicher Schmerz. S. Corinna Bille

Читать онлайн.
Название Ländlicher Schmerz
Автор произведения S. Corinna Bille
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038550129



Скачать книгу

hätte sich gerne anders ausgedrückt, ein Wort des Trostes für ihn gefunden, aber diese nackte und somit lächerliche Verzweiflung erschreckte sie und brachte sie aus der Fassung. Damals, fuhr es ihr durch den Sinn, als ich ins Kloster eintrat, hatte ich gemeint: Jetzt ist es aus für dich, das Leben dieser Welt, du wirst keine Männer mehr sehen, du gehörst nur noch dem Lieben Gott. Und alles habe ich noch kennenlernen müssen, die Nöte der Männer und der Frauen, nicht nur einzelner, sondern aller. Zu jeder Tages- und Nachtstunde musste ich für sie da sein. Und erst jetzt habe ich begriffen, worin das Leben dieser Welt besteht, von der ich mich lossagen wollte.

      – Ihr habt sie mir getötet!

      Er beschuldigte nicht nur diese reglose Frau, die es nicht zu verstehen schien. Seine Vorwürfe richteten sich an die ganze Welt, an Gott, an die Ärzte, an dieses Spital vor allem, dessen Wände mit blauen Blüten und Sternen bedeckt waren, dessen weicher, honigfarbener Linoleum seine Schritte dämpfte.

      – Das ist alles, was ihr könnt! Und die Kleinen, die zurückbleiben, fünf kleine Kinder!

      Er packte ihren Arm immer heftiger.

      – Ihr wisst es ja …, flehte die Schwester. Sie ist zu spät gekommen … Die Operation ist nicht gelungen. Lehnt Euch nicht auf … Oh, lasst mich los!

      Der Griff des Mannes lockerte sich. Er schrie nicht mehr. Sein Zorn ballte sich wieder in ihm zusammen. Dieses Spital! Ein Palast. Ein Hohn für die armen Leute. Wenn man weiss, wie es darin zugeht: die Auswürfe, die Fieberträume, die Todeskämpfe! Und alles ist heiter gestrichen, und die Schwestern segeln darin herum wie Sonntagsschiffe, und alles ist sauber, wie wenn der Tod hier keinen Zutritt hätte, der dreckige Tod mit seinem Fäulnisgeruch und seinen Wür­mern.

      Plötzlich fiel sein Zorn zusammen. Er täuschte sich ja. Das war nicht der Ort. Das konnte nicht der Ort sein! Sein Kopf entleerte sich, sein Schmerz beruhigte sich. Er begriff jetzt, er sah klar: Er war betrunken. Er wusste schon, dass er getrunken hatte. Dann war es vielleicht gar nicht wahr … Er sagte:

      – Ich bin besoffen.

      Er wiederholte:

      – Ich bin besoffen. (Er lächelte.) Dann …

      Er bat die Nonne schüchtern, ihm seinen Irrtum zu bestätigen. Sie sollte ihm antworten: Das sind Einbildungen, Eure Frau ist nicht tot. Nein, sie konnte nicht tot sein. Und dann die Kleinen? Schon das war Beweis genug, dass sie nicht tot war.

      Er stammelte nochmals:

      – Der Beweis … Nicht wahr, ich habe mich getäuscht? Entschuldigung.

      Schwester Damien wandte sich ab. Jetzt war es ihr peinlich, schauderhaft peinlich.

      Und er, demütig, angstvoll:

      – Entschuldigung.

      Sie hoffte, er werde gehen. Mit dem freigegebenen Arm deutete sie in der Richtung des Ausgangs, wie um die Luft wegzuschieben, um eine Furche zu ziehen, durch die der Mann hinauskonnte.

      Aber er rührte sich nicht. Er dachte nach. Plötzlich stiess er wieder auf die Wirklichkeit:

      – Sie ist tot!

      Diesmal schrie er. Mein Gott, man konnte ihn in den Krankensälen hören!

      Was sollte er jetzt anfangen mit der Liebe, die er für seine Frau empfand? Ja, was sollte er damit anfangen? Diese Liebe war in ihm gewachsen wie ein Baum, mit den Wurzeln, dem Stamm, den Ästen und ihren Verzweigungen. Er war voll davon; es gab keinen Raum mehr in ihm, den dieser Baum der Liebe nicht ausfüllte. Und jetzt sollte er ihn ausreissen, umhauen. Und die Kinder, die fünf? Was sollte er mit ihnen anfangen? Was ihnen sagen, wenn sie nach ihrer Mutter verlangten? Sie hätten alle zusammen sterben sollen, alle …

      Eine einzelne Erinnerung tauchte aus dem Gedächtnis auf, etwas, das seiner Frau lieb war:

      – Sie kann nicht mehr in ihr Tal heraufkommen! Sie wird ihr Stübchen nicht wiedersehen! Sie, die so an ihrer kleinen Stube hing.

      Aus der Tiefe dieser wirren Not stieg das Bild eines Wohnraums auf, der nach Lärchenholz roch, und ein Bett mit einem weissen Überwurf, von roten Fäden durchzogen.

      Hartnäckig wie ein Betrunkener kam er immer wieder darauf zurück:

      – Sie wird ihr Stübchen nie mehr sehen!

      Er drohte nicht mehr. Wozu auch? Seine Frau würde ihm niemand zurückgeben. Ein Krankenwärter trat hinzu, nahm ihn bei der Hand. Der Mann liess es geschehen. Es war aus mit seiner Kraft.

      Schwester Damien stand wieder allein im Korridor. Sie blieb nachdenklich. Wenn sie einmal gestorben war, würde niemand so nach ihr verlangen, niemand würde von einem geliebten Stübchen reden … Denn sie besitzt ja nichts auf Erden, sie gehört zu niemandem.

      Aber da kam ihr das Stübchen in den Sinn, das im Himmel auf sie wartete. Vielleicht gab es dort auch rosa Nelken vor den Fenstern und eine weiss gehäkelte Decke.

      Wieder aufgeheitert ging Schwester Damien ihren Kranken nach, und ein sanfter Freudenwind rauschte durch die Flügel ihrer Haube.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAQEA+gD6AAD/4QCMRXhpZgAATU0AKgAAAAgABQESAAMAAAABAAEAAAEaAAUA AAABAAAASgEbAAUAAAABAAAAUgEoAAMAAAABAAIAAIdpAAQAAAABAAAAWgAAAAAAAAD6AAAAAQAA APoAAAABAAOgAQADAAAAAQABAACgAgAEAAAAAQAAB6OgAwAEAAAAAQAAC7gAAAAA/9sAQwABAQEB AQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEB AQEB/9sAQwEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEBAQEB AQEBAQEBAQEBAQEBAQEB/8AAEQgLuAejAwEiAAIRAQMRAf/EAB8AAQACAwEBAQEBAQAAAAAAAAAG CQcICgsBAgQDBf/EAGkQAAEBAwcJBgMDCQMLAQMBGQABBQYRByExQVFh8AgVFnGBkaGxwQIJJdHh 8RcmNTY3UgMSGBknRUZWcgqCwiIyOEJVYnaSorLShhMoZnPT4gQaY0dTo7MUM0NXZXWTliMpRHSD psPG/8QAHQEBAQEBAQEBAQEBAAAAAAAAAAYBBwIDBQgECf/EAEURAAECAwUFCAIBAwMCBgIABwEA EQIhMQZBUWGREnGh4fADIjKBscHR8RZCUhNiggQHcpLCFCMzotLiU7IXQyZjBTSz/9oADAMBAAIR AxEAPwCoORfu3ZY26v2e4YxQWFMXuaZQvaOufdHbadyDlZNsnri/w9Ni3CTmc8xO/wDy6vDyMcYj r7Gql2OB6+xquEhi9zTKEm22F1FVeEiP1Jsof4uzvO7fMTv/AMurw8iRZgYH8v8AY/5V/wDmhrjE dN8jplsImN49R8hcJf6mqUKxN3qfr9SW8Fq8fI7tMwu7/LyY/vDMLu/y8mP7xjjEdfY1VNDQbh6L hw/U0PHZxXzDG7ml4dnHdZP0oO4/MLu2pvGYXdtTeHGI6+xqtXF4xe5peKyf36+d5KP1NLwYT0Ox vMLu2pvGYXdtTeHGI16xGqLjk/VCvAP1NLwYT0OxvMLu2pvPvy9/u/8ASTCLi7/U0vBhPQfqaXgw nodoeYXdtTeMwu7am8IuLxtdzS8Vk/t187x+ppeDCeh2h5hd21N4zC7tqbwi4vP1NLwYT0H6ml4M J6HaHmF3bU3jMLu2pvNhqN49UXHJ+ppeDCeg/U0vBhPQ7HPl7/d/6R8vf7v/AElMCGE7h7fI1Rcc f6ml4MJ6D9TS8GE9Ds+8C/8Aqf8A1jwL/wCp/wDWHGI6+xqi4wf1NLwYT0H6ml4MJ6HZ94F/9T/6 x4F/9T/6w4xHX2NUXGD+ppeDCeg/U0vBhPQ7PvAv/qf/AFjwL/6n/wBYcYjXrEaouMH9TS8GE9