Название | Seelensplitter |
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Автор произведения | Mitra Devi |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783858825872 |
«Noch zehn Minuten», sagte Nora mitleidlos. «Deine Monika möchte dich rank und schlank. »
«Meine Monika liebt mich, wie ich bin. »
«Sei etwas dankbarer. Keine andere Vorgesetzte lässt ihre Angestellten während der Arbeitszeit Fitness betreiben. »
Jan grinste zu ihr hinüber. «Ich dachte, du wolltest nicht, dass ich dich Chef nenne. Du sagst, wir seien ein Team, gleichberechtigt und souverän, und niemals im Leben würdest du den Macker raushängen. »
«Okay, dieser Punkt geht an dich. Aber vergiss nicht: mens sana in corpore sano. » Sie wollte mahnend den Zeigefinger hochhalten, was sie um ein Haar aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Bevor sie Richtung Lady in Pink stürzte, konnte sie sich an den Griffen festhalten.
«Verlier die Balance nicht, Chef. Ich lebe nach Churchills Motto. Du weisst schon: Sport ist Mord. »
Nora verdrehte theatralisch die Augen. Dann stellte sie den Schweregrad für die letzten Minuten aufs Maximum und gab, was sie konnte. Neben ihnen waren um diese Zeit nur wenige Leute im Fitnessstudio. Dienstagmorgen, kurz nach neun. Yvonne vom Empfang und Mädchen für alles tippte etwas in ihren Computer. Ein paar Frauen machten Yoga auf den Matten, ein Instruktor erklärte einem Neuling die verschiedenen Geräte und Gewichte, eine Handvoll regelmässiger Besucher absolvierte still die Übungen. Neben Nora radelte ein solariumgebräuntes, hageres Männchen, dessen Verfalldatum bereits seit einigen Jahren abgelaufen war, vor sich hin. Immer wieder blinzelte er zu ihr hinüber, da er wohl gemerkt hatte, dass sie und Jan kein Paar waren.
«Lass uns aufhören, Schatz», sagte Nora genüsslich laut zu Jan. Dieser zog verwundert eine Augenbraue hoch. Der alternde Geck zuckte zusammen und wandte sich einer anderen Frau zu.
Als sie das Training auf den Fahrrädern absolviert hatten, kamen die Kraftübungen an die Reihe. Bizeps, Trizeps, Bauch und Beine, dann Dehnen, dann Duschen. Nachdem Nora sich angezogen hatte, brachte sie ihre Haare in Form, wozu zwei, drei Rubbelbewegungen durch ihren dichten, kurzen Schopf genügten. Unter ihren gebleichten Strähnen war der dunkle Haaransatz zu sehen. Die ganze Bleichaktion war ein Reinfall gewesen. Blond passte nicht zu ihr. Und das angespannte Verhältnis zu Gaby, der Coiffeuse im unteren Stock, das Nora versucht hatte, mit der Opferung ihrer ursprünglichen Haarfarbe zu verbessern, war schlecht wie eh und je. Gaby war Kettenraucherin, ihre Kundinnen waren es auch. Der Zigarettengestank zog durchs Treppenhaus an der Seefeldstrasse, machte alle Bewohner verrückt und verpestete Noras Mansarde im Dachgeschoss und ihre Büroräume im ersten Stock.
Noras Arbeit als freie Detektivin lief nach anfänglichen Schwierigkeiten inzwischen recht gut. Die Aufträge trafen nicht gerade im Rudel ein, doch nebst kleineren Überwachungen und Abklärungen hatte sie in letzter Zeit zwei grosse Fälle gelöst. Was für die Miete, Jans Lohn und ein Olivenbäumchen beim Eingang gereicht hatte. Jan war ein echter Lichtblick.
Seit bald einem Jahr arbeiteten sie schon zusammen, und er schaffte es immer wieder, sie zu überraschen. In ihm steckte viel mehr, als auf Anhieb erkennbar war. Vielleicht sogar mehr, als er selber ahnte.
Nora packte ihre Sporttasche und trat aus der Garderobe. Ihr Kollege sass bereits an der Bar und schwatzte mit Yvonne. Nora setzte sich zu ihm und bestellte einen frisch gepressten Orangensaft, wie er einen vor sich stehen hatte.
«Na», bemerkte sie, «das hat doch einmal mehr so richtig gut –»
«Sag jetzt nichts», gab er zurück. «Du hast ja Recht. Ich werde weiterhin Fitness treiben, auch wenn es mein Gemüt angreift. »
«Das hört man gern. » Sie nahm einen Schluck Saft und sah ihn eindringlich an. «Und was wolltest du mir wirklich mitteilen?»
«Wie meinst du das?» Er begann, seine Brille mit dem Ärmel zu putzen.
«Komm schon. Seit ein paar Tagen druckst du herum, und ich hab keine Ahnung, was es sein könnte. »
«He, Chef! Intuition war immer mein Gebiet, fang nicht auch noch damit an. »
«Also?»
«Nun gut. » Er setzte die Brille wieder auf. «Ich wollte dich um zwei Wochen Ferien bitten. Im Mai. »
«Verreist du?»
Er machte eine bedauernde Handbewegung. «Es tut mir leid. Ich weiss, wir hatten vor, unsere Homepage zu aktualisieren, die neuen Visitenkarten und Briefumschläge drucken zu lassen und all das. »
«Kein Problem!», sagte sie. «Damit komm ich auch allein klar. Das heisst, ich werd’s vor mir herschieben, bis du zurück bist. Wohin fährst du denn?»
Er strich sein spärliches Haar zur Seite und schaute sie so herzerwärmend an, dass sie verstand, was Monika an ihm fand. «In die Flitterwochen nach Madeira. Ich heirate. »
«Was, jetzt? Ich meine, wann? Warum so schnell?»
«Nora! Ich hab gedacht, du freust dich für mich. »
«Natürlich freu ich mich. Ich dachte nur, ihr kennt euch erst fünf Monate –»
«Vier. »
«Na eben. Ist das nicht ein bisschen überstürzt?»
Jan seufzte. «Ich bin neununddreissig. Monika wird im August vierzig. Wir wollten einfach noch in den Dreissigern heiraten. Verstehst du das nicht?»
«Doch, klar, Jan. Ich gönne es dir von Herzen, dass du einen Menschen hast, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen möchtest. » Oh, Gott, klang das pathetisch. Während sie es sagte, dachte sie an ihre Männergeschichten, die nichts anderes gewesen waren als genau das: Geschichten. Ein paar kurze, heftige Affären und eine längere Beziehung mit Joël aus Genf, der sich als Enttäuschung des Jahrzehnts herausgestellt hatte.
«Hallo? Jemand zu Hause?» Jan wedelte vor ihren Augen herum. «Vertreib Joël aus deinem Hirn. Ein Kerl, der dir seine Frau und Kinder verschwiegen hat, wäre eh nichts für dich gewesen. »
«Scheisse, hab ich laut geredet?»
Jan lachte. «Echt, Nora, manchmal bist du so was von durchschaubar. Bekomme ich nun die zwei Wochen im Mai?»
«Aber sicher. » Sie schüttelte die Vergangenheit ab und stürzte den letzten Rest Saft hinunter. «Trink deine Vitaminbombe aus, ein Stapel Arbeit wartet auf uns. »
«Aye, aye, Chef. »
2
Die Dachterrasse der Lagerhausfirma «Store & Go» neben dem Bahnhof Zürich-Altstetten war mit bunten Lampions dekoriert. Rote, blaue und gelbe Papierkugeln, die in die Nacht hinausleuchteten. Eine Riesengirlande hing am Geländer. Mit Goldbuchstaben waren die Worte «20 Jahre Store & Go» darauf geschrieben. Sarah Dobler brachte die Bowle heraus und plazierte sie mitten auf den Tisch. Daneben drapierte sie die Lachshäppchen, Schinkentriangoli und die Guacamole. Den Wein und die passenden Gläser stellte sie in versetzte Reihen, wie sie es kürzlich bei einer Vernissage gesehen hatte. Zum Schluss streute sie ein paar Rosenblätter auf die weissen Tischdecken, was dem Ganzen eine romantische Note verlieh. Roland und Tim würden sie zwar wieder auslachen, aber schliesslich hatte ihr Kowalski freie Hand gelassen. Ausnahmsweise hatte er sich diesmal grosszügig gezeigt, so dass sie bei den Delikatessen nicht geizen musste.
Sie trug ihre smaragdgrüne Bluse und hatte die Haare wie immer hochgesteckt. Ihr Make-up war dezent. Als einziger Schmuck schimmerte ein perlmuttfarbener Stein an ihrem Finger. Sie hatte damals für den Ring auf einem griechischen Markt nur ein paar Euro bezahlt, doch er war zu ihrem Lieblingsstück geworden.
Seit dem frühen Morgen hatte sie daran gearbeitet, aus dem heutigen Jubiläum einen ganz besonderen Tag zu machen. Das Wetter war für einen Frühlingsabend viel zu warm, so dass sie die Party draussen feiern konnten. Dennoch sorgten mehrere tragbare Elektroöfen in allen vier Ecken der Terrasse dafür, dass auch später niemandem kalt würde. Es war sternenklar. Obwohl die erleuchteten