Fünf Wochen im Ballon. Jules Verne

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Название Fünf Wochen im Ballon
Автор произведения Jules Verne
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783868209570



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anschickte, die Britischen Inseln zu ›machen‹.

      Eine scherzhafte Antwort erschien in Genf in der Februar-Nummer des Bulletins de la Societe Geographique. Dieselbe verspottete auf ironische Weise die Königlich-Geographische Gesellschaft in London, den Travellers-Club und den riesigen Stör.

      Aber Herr Petermann brachte die Genfer Zeitschrift in seinen in Gotha veröffentlichten ›Mitteilungen‹ gründlich zum Schweigen, denn er kannte den Doktor Fergusson persönlich und leistete für die Unerschrockenheit seines kühnen Freundes Gewähr.

      Bald mussten übrigens alle Zweifel verstummen. Die Vorbereitungen zu der Reise gingen in London vor sich. Lyoner Fabriken hatten bedeutende Taffetbestellungen für den Bau des Luftschiffes erhalten, und endlich stellte die Regierung von Großbritannien das Transportschiff ›The Resolute‹, Kapitän Pennet, dem Doktor zur Verfügung.

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      Alsbald ließen sich von vielen Seiten ermutigende Äußerungen vernehmen, und tausend Glückwünsche wurden laut. Die Einzelheiten der geplanten Reise wurden ausführlich in den ›Bulletins de la Societe Geographique‹ in Paris besprochen, und ein interessanter Artikel über diesen Gegenstand in den ›Nouvelles Annales des voyages, de la géographie, de l‘histoire et de l‘archéologie de M. V – A. Malte-Brun‹ abgedruckt. Eine äußerst sorgfältige Arbeit des Doktor W. Koner, die in der ›Zeitschrift für allgemeine Erdkunde‹ veröffentlicht wurde, wies siegreich die Möglichkeit der Reise, ihre Aussichten auf Erfolg, die Natur der Hindernisse und die unermesslichen Vorteile der Beförderungsweise auf dem Luftwege nach. Er tadelte nur den Anfangspunkt und gab Massaua, einem kleinen Hafenorte Abessiniens, den Vorzug, von welchem aus James Bruce im Jahre 1768 zu der Erforschung der Nilquellen ausgezogen war. Übrigens bewunderte er rückhaltlos den energischen Geist des Doktor Fergussons und das mit dreifachem Erz umschlossene Herz, welches den Plan zu einer solchen Reise entwerfen und sie zur Ausführung bringen konnte.

      Die ›North American Review‹ sah nicht ohne Missvergnügen einen solchen Ruhm England vorbehalten, nahm den Vorschlag des Doktors von einer scherzhaften Seite und lud ihn ein, da er dann einmal auf dem Wege sei, gleich weiter bis nach Amerika zu fahren. Kurz, ohne die Zeitschriften der ganzen Welt aufzählen zu wollen, können wir versichern, dass es vom Journal des missions évangéliques‹ bis zur ›Revue Algérienne et coloniale‹, von den ›Annales de la propagation de la foi‹ bis zum ›Church missionary intelligencer‹ keine wissenschaftliche Zeitschrift gab, welche diese Tatsache nicht in allen Variationen berichtet hätte.

      Beträchtliche Wetten wurden in London wie in ganz England eingegangen, 1. über die wirkliche oder nur vermutete Existenz Doktor Fergussons; 2. über die Reise selbst, die nach der Behauptung der einen nicht angetreten, nach der Meinung der anderen unternommen werden würde; 3. über die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit einer Rückkehr Doktor Fergussons. Man trug bedeutendere Summen in das Wettbuch ein, als wenn es sich um ein Epsom-Rennen gehandelt hätte.

      So waren die Augen von Gläubigen und Ungläubigen, von Unwissenden und Gelehrten auf den Doktor gerichtet, und er wurde der Löwe des Tages, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass er eine Mähne trüge. Er gab bereitwillig Auskunft über die Expedition, denn er war der natürlichste und zugänglichste Mensch von der Welt. Mehr als ein kühner Abenteurer bot sich an, den Ruhm und die Gefahren seines Versuchs zu teilen, aber Fergusson wies alle solche Anerbietungen ab, ohne die Gründe hierzu anzugeben.

      Außerdem stellten sich eine Menge Erfinder von allerhand Mechanismen bei ihm ein, um ihr System für die Steuerung des Ballons zu empfehlen. Er ließ sich jedoch auf nichts ein, und wenn man ihn fragte, ob er selbst in dieser Beziehung etwas entdeckt habe, weigerte er sich hartnäckig, eine bestimmte Erklärung abzugeben, und beschäftigte sich eifriger als je mit den Vorbereitungen zu seiner Reise.

      DRITTES KAPITEL

       Der Freund des Doktors. – Geschichte ihrer Freundschaft. – Dick Kennedy in London. – Ein unerwarteter, aber keineswegs beruhigender Vorschlag. – Das wenig tröstlich klingende Sprichwort. – Einige Worte über die afrikanische Märtyrerliste. – Vorteile eines Luftschiffes. – Das Geheimnis des Doktor Fergussons.

      D

      oktor Fergusson besaß einen Freund. Derselbe war nicht etwa sein zweites Ich, kein Alter Ego – zwischen zwei vollkommen gleichartigen Wesen hätte wirkliche Freundschaft nicht existieren können -, aber wenn Dick Kennedy und Samuel Fergusson auch verschiedene Eigenschaften und Fähigkeiten, ja sogar ein unterschiedliches Temperament besaßen, so waren sie doch ein Herz und eine Seele und wurden dadurch nicht weiter gestört, im Gegenteil.

      Besagter Dick Kennedy war ein Schotte im wahrsten Sinne des Worts; offen, entschlossen und beharrlich. Er wohnte in der kleinen Stadt Leith bei Edinburg, eine richtige Bannmeile von dem ›alten Rauchnest‹ entfernt. Bisweilen betrieb er die Fischerei, aber immer und überall war er dem Jägerhandwerk mit Leib und Seele ergeben; und das war bei einem Kinde Kaledoniens, das gewohnt ist, in den Bergen des Hochlands umherzustreifen, nicht eben verwunderlich. Man rühmte ihn als einen vorzüglichen Schützen mit dem Karabiner und sagte ihm nach, dass er die Kugel beim Schuss auf eine Messerklinge nicht nur durchschnitt, sondern sie auch auf diese Weise in so gleiche Hälften teilte, dass beim Wiegen kein Unterschied zwischen ihnen gefunden werden konnte.

      Die Physiognomie Kennedys erinnerte lebhaft an diejenige Haibert Glendinnings, wie sie Walter Scott im ›Kloster‹ gezeichnet hat; seine Größe überstieg sechs englische Fuß; obgleich graziös und geschickt, war er mit einer herkulischen Körperkraft ausgestattet; ein wettergebräuntes Antlitz, lebhafte schwarze Augen, eine natürliche, ausgeprägte Kühnheit, kurz eine gewisse Güte und Solidität in der ganzen Person des Schotten nahm von vornherein zu seinen Gunsten ein.

      Die beiden Freunde hatten sich in Indien, als beide bei demselben Regiment dienten, kennen gelernt; während Dick sich auf der Tiger- und Elefantenjagd vergnügte, erbeutete Samuel Pflanzen und Insekten. Dieser wie jener konnte sich in seiner Sphäre eines guten Erfolges rühmen, und dem Doktor fiel gar manche Pflanze in die Hände, deren Wert einem Paar Elfenbeinhauern gleich zu schätzen war.

      Die beiden jungen Leute hatten niemals Gelegenheit gehabt, einander das Leben zu retten oder sich sonstige Dienste zu erweisen; daher erhielt sich unter ihnen eine ungetrübte, gleichbleibende Freundschaft. Das Schicksal trennte sie zuweilen voneinander, aber immer führte sie ihre Sympathie wieder zusammen. Seitdem sie nach England zurückgekehrt waren, wurden sie oft durch die Expeditionen des Doktors getrennt; wenn er indessen heimkam, versäumte er niemals, ungebeten bei seinem Freunde vorzusprechen und ihm einige Wochen zu widmen. Dick plauderte dann von der Vergangenheit und Samuel machte Zukunftspläne; der eine sah vorwärts, der andere schaute zurück. Und so kam es, dass der Geist des einen die personifizierte Aufregung, der des andern die vollkommenste Ruhe war.

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      Nachdem der Doktor aus Tibet zurückgekommen war, sprach er fast zwei Jahre lang nicht von neuen Forschungsreisen, und Dick gab sich der Hoffnung hin, dass sein Reisetrieb und seine Sucht nach Abenteuern nun endlich befriedigt wären. Dieser Gedanke begeisterte ihn. ›Wenn man auch noch so gut mit den Menschen umzugehen versteht‹ sagte er zu sich, ›muss es doch früher oder später ein schlechtes Ende nehmen; man begibt sich nicht ungestraft unter Menschenfresser und wilde Tiere.‹ So forderte denn Kennedy seinen Freund dazu auf, ein Ende mit seinen Reisen zu machen, und stellte ihm vor, dass er für die Wissenschaft genug und für die Dankbarkeit der Menschen bereits viel zu viel geleistet habe. Hierauf erhielt er von dem Doktor keine Antwort; derselbe war in der nächsten Zeit nachdenklich, beschäftigte sich insgeheim mit Berechnungen, verbrachte die Nächte mit minutiösen Arbeiten, über Zahlen brütend; ja, er stellte sogar Experimente mit allerlei sonderbaren Maschinerien an, von denen man nicht wusste, was sie zu bedeuten hatten. So viel aber war klar ersichtlich: Es gärte ein neuer, großer Gedanke im Hirn Samuel Fergussons.

      ›Worüber mag er so gegrübelt haben?‹, fragte sich Kennedy, als ihn sein Freund