Название | ... damit der Mensch Gott werde |
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Автор произведения | Adalbert Keller |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783429061340 |
ADALBERT KELLER
… damit der Mensch Gott werde
Weihnachten als Fest der Erlösung
ADALBERT KELLER
… damit der Mensch
Gott werde
Weihnachten als Fest
der Erlösung
Für Selmi und Johannes
Inhalt
Prolog: Aufklärung tut manchmal weh
Wer ist das Baby in der Krippe?
Vom Himmel herabgestiegen und einer von uns geworden
Damit nicht alles beim Alten bleibt
„Komm, ich will dir den Sohn Gottes zeigen
und die Mysterien des Gottessohnes,
und ich will sie dir erklären in Bildern,
die dir vertraut sind.“
(Klemens von Alexandrien: Mahnrede XII 119, 1)
Prolog
Aufklärung tut manchmal weh
Wir waren unzertrennlich, mein bester Freund und ich. Da wir in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten, war es uns als Kinder leicht möglich, fast täglich zusammen zu sein. Nur der Mittwoch war immer ein ungewisser Tag. Die Eltern meines Freundes hatten eine Gastwirtschaft und mittwochs war Ruhetag. Und das im umfassenden Sinn: Ruhe vor Besuchern der Gastwirtschaft und leider manchmal auch Ruhe vor den Besuchen des Freundes. Sehr zum Leidwesen von uns beiden Jungs.
Dieses Freundschafts-Fasten mitten in der Woche war für uns beide eine schwierige Sache. Für mich sogar schlimmer noch als die Entzugserscheinungen, die mich heute als Erwachsener immer regelmäßig am Aschermittwoch und am Karfreitag überkommen.
Durch dick und dünn wären wir damals gemeinsam und füreinander gegangen. Doch mein Glaube an das Christkind hätte mich beinahe diese Freundschaft gekostet. Mein Freund war mir in Sachen Aufklärung meilenweit voraus. Auch was die religiöse Aufklärung betraf. Eines Tages kam es deswegen zwischen uns zu einem schweren Zerwürfnis.
„Ehrlich“, sagte er. „Ich weiß es ganz bestimmt: Es gibt gar kein Christkind. Meine Mutter hat es gesagt.“
Ich spürte, wie es mir schlagartig in der Brustgegend die Muskeln zusammenzog und wie ich die Zunge gegen die Zähne meines Unterkiefers presste. Das mache ich immer so, wenn ich angespannt bin oder wenn ich mich aufrege.
„Die Weihnachtsgeschenke kommen doch alle von den Eltern“, fügte er hinzu. Schon letztes Jahr habe ihm seine ältere Schwester erzählt, wie sie Heiligabend die Eltern beim Hereintragen der Geschenke durch das Schlüsselloch beobachtete.
Da langte es mir und ich erwiderte empört: „Du lügst! Es ist eine Sünde, wenn du nicht ans Christkind glaubst.“ Und im Stillen hoffte ich: Er wird sich doch um Gottes Willen wieder fangen. Mit Sünden ist schließlich nicht zu spaßen. Und eine so heilige Sache zu leugnen war in meinen Augen wahrlich keine Bagatelle. Im Gegenteil. Ich hielt es für einen Frevel – die Verletzung einer geheimnisvollen Wirklichkeit.
„Was! Du glaubst immer noch ans Christkind?“, sagte er darauf. Und der spöttische Unterton in seiner Stimme war jetzt unüberhörbar. „Das ist ja total babymäßig!“
Heute weiß ich: Ja, es ist wirklich eine Sache des Glaubens. Nicht so, dass ich das Unmögliche für möglich und für wahr halten würde. Nein! Das wäre in der Tat kindisch. Mir geht es in erster Linie auch nicht um das Aufsagen von Glaubenssätzen.
Glauben, wie ich ihn meine, besteht vielmehr in dem tiefen Vertrauen, dass Gott meinem Leben eine Hoffnung gibt, sogar noch über den Tod hinaus, und dass dieser Glaube mich glücklich macht. Komplizierter, finde ich, braucht man es gar nicht sagen.
Doch die Folgen sind enorm. Göttlicher Geist gewinnt Raum in mir; ich werde sensibel für Entdeckungen und für Einsichten, die mir aus eigener Kraft sonst niemals möglich wären. In einem bildlichen Vergleich könnte man das auch so sagen: Glauben gibt meinem menschlichen Leben einen göttlichen Farbton – aber nicht nur äußerlich wie ein aufgestrichener Farblack, der bei kleinsten Blessuren schon wieder abzublättern beginnt, sondern er ist wie eine Färbung von innen heraus, die meine ganze Identität durchdringt. Ein Glaube, der mich verwandelt. Wir Menschen haben tatsächlich die Gabe, uns verwandeln, uns vergöttlichen zu lassen. Darin liegt das eigentliche Geschenk, das uns das Christkind gebracht hat.
Von all dem wusste ich damals in unserer Kontroverse über das Christkind natürlich noch nichts. Aber ich war ganz schön wütend auf meinen Freund. Die Abschätzigkeit,