Dem Logos zuhören. Udo Stenz

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Название Dem Logos zuhören
Автор произведения Udo Stenz
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429061173



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ersten Kapitel wird der Überlegung nachgegangen, wie menschliche Kommunikation und Dialog aussehen können, damit sich darin ein Drittes, der Logos, zu verstehen gibt. Das Arbeitsgebiet ist hierbei philosophisch. Es geht um Strukturen, die auch ohne die Rückbindung an ein religiöses Bekenntnis einsichtig gemacht werden können. Von der Theologie aus gesehen: Eine Theologie des Dialogs ist umso solider, je mehr sie sich von der Philosophie gleichsam als Magd bedienen und sich von ihr gedankliche Strukturen und Instrumentarien bereitstellen lässt, mit denen sie theologische Inhalte verständlich machen kann16. Als philosophischer Denkweg bietet sich zunächst die Phänomenologie an. Sie erscheint für theologische Fragestellungen nützlich: Seit ungefähr einem Jahrhundert hat sich eine Religionsphänomenologie etabliert, die versucht, Strukturen religiöser Phänomene aufzuzeigen und von daher Gemeinsamkeiten der Religionen festzustellen. Auf diesen religionsphänomenologischen Ansatz soll indes nicht ausführlich eingegangen werden. Das phänomenologische Interesse richtet sich im vorliegenden Rahmen vielmehr auf die Beziehungen zwischen Menschen ihrer zugrunde liegenden Struktur. Es ist darzulegen, wie das Subjekt zum Anderen gelangt und was auf diesem Weg in der Beziehung zwischen ihnen entstehen und sich ereignen kann. Dialog wird damit phänomenologisch sowohl als intersubjektives Geschehen erschlossen wie auch als Möglichkeit, wahrzunehmen, dass Transzendenz sich immanent zur Sprache bringt. Dabei erweist sich unter anderem ein Blick auf das Dialogische Denken als hilfreich, welches auf dem phänomenologischen Gedankengang aufbaut.

      Im zweiten Kapitel wird zunächst der Frage nachgegangen, wie Transzendentes sich in die dialogische Disposition der Subjekte hineingeben kann. Die zuvor aufgezeigten philosophischen Strukturen erweisen sich als geeignet, sowohl in einem allgemein religionswissenschaftlich verstandenen Sinn Heiliges als auch den Logos Jesus Christus zu empfangen. Es wird darauf Wert zu legen sein, dass es dabei nicht um eine Projektion menschlichen Denkens geht, sondern um ein Rufen nach Gott aus der Mitte der Existenz heraus, auf welches das Heilige – Gott – der Logos Antwort gibt, indem er sich auf den Menschen in intersubjektiver Verfasstheit einlässt. Religionswissenschaftlich werden sich deshalb die phänomenologisch begründeten intersubjektiven Strukturen als tragfähig für eine Offenbarung transzendenter Wirklichkeit erweisen. Aus christlicher Sicht wird zu zeigen sein, dass sich die Offenbarung in Jesus Christus auch mit dem philosophischen Instrumentarium der Phänomenologie denken lässt. In diesem Rahmen kommt es darauf an, ob die Mitte christlicher Theologie auch die Mitte eines Dialogs sein kann und darin zur Sprache kommt, dass also Jesus Christus Ausdruck und Ereignis des Dialogs ist. Damit wird die Frage nach dem bestimmten Dialog spannend, in welchen jemand einbezogen ist, dem das Bekenntnis zu Jesus Christus fremd ist. Diese Frage ist die alles entscheidende, denn von ihr hängt ab, ob es einen Dialog der Religionen als gemeinsames Hören auf den Logos geben kann oder nicht. Es wird zu zeigen sein, dass das gemeinsame Hören auf den Logos auch dann möglich ist, wenn es nicht allerseits auf der Basis des ausdrücklichen Bekenntnisses zu Jesus Christus aufliegt. Umgekehrt ausgedrückt: Wer sich je auf einen wirklichen Dialog über die Wahrheit und das Heil einlässt, der kommt unweigerlich in Kontakt mit dem Logos. Innerhalb eines so gedachten dialogischen Beziehungssystems findet die kirchliche Verkündigung Jesu Christi als des ewigen Logos ihren Platz und erweist sich als dessen Mitte. Dabei wird ein Zusammenhang deutlich, der zwischen der eher vertikal zu denkenden Selbstmitteilung Gottes an den Menschen und der eher horizontal zu denkenden intersubjektiven Kommunikation besteht. Gott teilt sich mit und bringt sich in diesem Mitteilen zugleich zwischenmenschlich kommunikativ zur Sprache.

      Im dritten Kapitel wird schließlich versucht, aus den philosophischen und theologischen Überlegungen ein Verständnis von Dialog zu entwickeln, das den Anforderungen der heutigen Pluralität der religiösen und nichtreligiösen Bekenntnisse und Nicht-Bekenntnisse gerecht wird. Die Überlegungen laufen auf eine Differenzierung zwischen zwei Herangehensweisen hinaus, die in einem Verständnis von Dialog möglich sind. Es kann einerseits darum gehen, dass die Gesprächspartner versuchen, sich im Dialog zu definieren, d. h. voneinander abzugrenzen oder sich gar in eine abgestufte Reihenfolge zu bringen. Neben diesem eher wettbewerblichen und deshalb als kompetitiv bezeichneten Verständnis wird ein relationales Verständnis vorgeschlagen. In diesem geht es darum herauszufinden, welche Beziehung zwischen den Dialogpartnern bestehen kann, wie sie aufeinander einwirken und voneinander lernen. Je weniger diese Frage von einer wettbewerblichen Sicht gekennzeichnet ist, desto geringer wird die Gefahr, die Wahrheit aufzugeben oder zu relativieren. Wenn auch beide Sichtweisen im Verhältnis zwischen den Religionen ihre Berechtigung haben – zumal das römische Lehramt beide Sichtweisen beleuchtet – so wird sich zeigen, dass innerhalb der Zielorientierung im Dialog ein relationales Verständnis weiter führen kann als ein kompetitives. Insbesondere im Bereich der Theologie der Religionen kann sich ein relationales Verständnis verdient machen, ebenso wie für die Herausforderungen, die sich für eine zahlenmäßig kleiner werdende Kirche im Kontext religiöser und weltanschaulicher Pluralität stellen.

      Im Übrigen sind Methodologie und Auswahl des Stoffes persönlich geprägt. Im Lesen der zuvor zitieren Aussage Kardinal Ratzingers, der das Titelzitat entnommen ist, kam mir spontan die Frage, wie die Chancen aussehen, dass der geäußerte Wunsch sich erfüllt. Diese Frage stellte sich mir vor dem Hintergrund meiner eigenen missiologischen und theologischen Studien in Rom, die mich in den vergangenen Jahren mit Personen, Gedanken und Autoren in Verbindung brachten, die sich als hilfreich für die Fragestellung erweisen könnten. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich der methodische Rahmen in der Weise, nicht eine vollständige Theologie des Dialogs zu erarbeiten, sondern Anregungen aufzuzeigen. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass es nicht darum geht, Gedankengänge eines Autors oder mehrerer Autoren in ihrer Vollständigkeit zu analysieren und zu valutieren, sondern diese aufzugreifen und Möglichkeiten zu suchen, sie für weiteres Nachdenken fruchtbar zu machen. Das hat dazu geführt, dass in dieser Studie zahlreiche Autoren zu Wort kommen und in eine Verbindung gebracht werden, die dazu anregen kann, die Grundlagen und Möglichkeiten des Dialogs, insbesondere des interreligiösen und interkulturellen, weiter zu vertiefen.

      Jedes Kapitel beginnt mit einer skizzenhaften Darstellung des Hintergrundes, vor dem sich die dann folgenden Überlegungen verstehen und von dem sie angeregt werden. Damit ist nicht die vollständige Darstellung einer Wirklichkeit beabsichtigt, die ohnehin zu komplex erscheint. Es sollen vielmehr die Motivation der Gedankengänge anschaulich gemacht und der Einstieg aus der Zeit und dem Kontext heraus gefunden werden.

      Bei all dem wird keine abgeschlossene Systematik einer Theologie des Dialogs versucht, vielmehr geht es um Anregungen, mögliche Wege des Dialogs weiter zu beschreiten.

      1 „Der Dialog unterbricht die Gewalt“, schreibt W. STEGMAIER, Heimsuchung. Das Dialogische in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, in: FÜRST, G. (HG.), Dialog als Selbstvollzug der Kirche? Quaestiones disputatae 166, Freiburg – Basel – Wien 1996, 9-29, hier: 9.

      2 Vgl. das Eröffnungsreferat von Bischof KARL LEHMANN bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda vom 19. September 1994, Vom Dialog als Wahrheitsfindung in der Kirche heute. Zit. nach: SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (HG.), Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 17, Bonn 1994, 5: „‚Dialog’ ist auf neue Weise zum Signal für die Diagnose und Therapie in der heutigen Gesellschaft geworden. Überall wird in umfassender Weise der Dialog als Form des Umgangs miteinander und der Kommunikation gefordert. Dies gilt in besonderer Weise für die Kirche. Hier kann es […] programmatisch heißen: ‚Dialog statt Dialogverweigerung. Wie in der Kirche miteinander umgehen?’“

      3 F. KÖNIG – J. DUPUIS, Unterwegs zu einem Dialog der Religionen, in: Stimmen der Zeit 226 (2008), 232-244, hier: 236.

      4 Vgl. Lumen gentium 1.

      5 Vgl. H. J. POTTMEYER, Dialog und Wahrheit. Wie die Kirche ihre Wahrheit findet und lebt, in: SCHAVAN, A. (HG.), Dialog statt Dialogverweigerung. Impulse für eine zukunftsfähige Kirche, Kevelaer 21995, 90–96, hier: 94.

      6 Allerdings werden die Begriffe Diskurs und Dialog sehr häufig gerade im kirchlichen Sprachgebrauch synonym verwendet, was auch W. BEINERT, Wenn Mutter Kirche ihren Pass verliert. Oder: Ekklesiologie des Dialogs, in: ThPQ 146 (1998), 349-356, hier: 351, feststellt.