Der letzte Funke Licht. Jana Pöchmann

Читать онлайн.
Название Der letzte Funke Licht
Автор произведения Jana Pöchmann
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783962298098



Скачать книгу

es nicht wahrhaben. Es konnte nicht wahr sein.

      „Warum sollte ich dir glauben?“ Ich wollte einfach zu meiner Mutter, weg von dieser verrückten Frau!

      „Deine Mutter und ich haben den Kontakt abgebrochen, nachdem sie deinen Vater geheiratet hatte. Ich wusste, dass er sie irgendwann verletzen und verlassen würde. Das wollte deine Mutter aber nicht wahrhaben. Doch dann - wie ich es vorher gesagt hatte - verließ er sie. Seitdem haben wir nie wieder Kontakt aufgebaut“, sagte sie zu mir und hoffte wohl noch, dass ich ihr glauben würde.

      „Warum sollte meine Mutter aber nie etwas von dir erzählt haben? Denn, wenn das alles stimmen sollte, was es aber nicht tut, bist du schließlich meine Großmutter. Ich glaube dir immer noch nicht. Warum auch? Du tauchst einfach an einem ganz normalen Tag vor meiner Schule auf und …“, meine Stimme brach ab.

      Das war alles viel zu lächerlich. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte ich mich um und lief weiter zum Parkplatz. Ich suchte das Auto meiner Mutter, fand es aber leider nicht. Sie kam nie zu spät. Es waren ja schließlich schon zehn Minuten vergangen, seit die Schule zu Ende war.

      Also wollte ich meine Mutter schnell anrufen, bevor diese ältere Frau wieder ein Gespräch mit mir anfangen wollte. Ich holte mein Handy aus dem Schulranzen und wählte die Handynummer meiner Mutter und das altbekannte Tuten ertönte. Nach zehn Sekunden ertönte endlich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war aber nicht die Stimme meiner Mutter, sondern...

      Nein, das konnte nicht sein, hatte ich schon Halluzinationen?

      „Glaubst du mir jetzt?“, ertönte die Stimme aus dem Telefon. Ich drehte mich um und hinter mir stand diese ältere Frau. Warum hatte sie das Handy meiner Mutter? „Okay, was ist hier los? Lassen Sie einfach meine Mutter und mich in Ruhe. Bitte, woher haben Sie ihr Handy und warum kommt sie so spät? Sie wissen irgendwas! Was ist los? Wer sind Sie?“

      Ich war kurz davor, sie einfach so lange anzuschreien, bis sie endlich ging. Erst dachte ich, sie sei eine normale Frau, dann behauptete sie, sie sei meine Großmutter und jetzt hatte sie auch noch das Telefon meiner Mutter.

      „Ich habe die Wahrheit gesagt, ich bin deine Großmutter. Deine Mutter liegt …“

      Sie fing an zu schluchzen und brach mitten im Satz ab: „Deine Mutter hatte einen Unfall. Ein Auto ist von der Seite in ihr Auto reingerast. Sie ist im Krankenhaus und liegt im Koma …“ Sie fing an zu weinen.

      Bitte was? Ich konnte es nicht glauben. Meine Mutter konnte doch nicht im Koma liegen! Was sollte ich jetzt nur machen, ich war ganz alleine. Hatte keinen Vater.

      Hilfe! Nein, ich wollte es nicht wahrhaben!

      „Hör zu Avery, wir rufen jetzt das Krankenhaus an und sie erklären es dir auch noch

      mal genau. Danach wirst du mir glauben. Sie haben mich direkt kontaktiert. Ich war völlig außer Rand und Band, als ich das mit deiner Mutter hörte.“

      Das konnte nicht sein, meine Mutter war der Fels in meiner Brandung. Wir haben alles gemeinsam gemacht, ohne sie gab es kein Ich. Und was sollte ich dann nur machen? „Okay, ich rufe dort an. Das kann nicht sein, aber wenn es wahr ist, will ich …“, ich musste erst einmal kräftig Luft holen, um nicht schon wieder in Tränen auszubrechen.

      „... will ich sie gleich sehen!“, beendete ich meinen Satz. Eine halbe Stunde später dachte ich, dass ich keinen Moment länger mehr auf dieser Welt leben könnte. Was hatte ich denn noch zu verlieren! Meine Mutter lag wirklich im Koma und diese Frau namens Layla war wirklich meine Großmutter!

      „Was, ... was machen wir jetzt? Ich will sofort zu meiner Mutter!“, brachte ich unter Tränen und mit zitternder Stimme an meine Großmutter gewandt hervor. Es war seltsam, zu realisieren, dass ich jetzt plötzlich eine Großmutter hatte und ich erstmal notgedrungen bei ihr leben musste. Ich konnte mich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden. Aber das war jetzt mein kleinstes Problem!

      Ich musste mich um meine Mutter kümmern. Ich wusste zwar, dass man mit Leuten, die im Koma lagen, nicht reden konnte. Doch in der Schule hatten wir gelernt, dass diese Menschen einen vielleicht trotzdem verstehen können. Vielleicht würde sie aufwachen, wenn ich bei ihr wäre.

      „Wir werden jetzt zu mir nach Hause fahren, du wirst dich erstmal beruhigen, dann fahren wir zu deiner Mutter ins Krankenhaus! Du wirst die nächsten Monate erstmal bei mir bleiben!“, antwortete Layla auf meine Frage. Wow, auf keinen Fall! Warum sollte ich denn bei meiner Großmutter wohnen, die ich erst seit einer Stunde kannte? Das wollte ich nicht.

      „Ich werde bei meiner Freundin bleiben. Ich habe ihr vorhin eine Nachricht geschickt, eigentlich wollte sie heute zu mir kommen. Ich habe ihr gesagt, was passiert ist und sie hat angeboten, dass ich bei ihr wohnen kann. Ich kenne dich schließlich nicht lange“, sagte ich mit einigermaßen fester Stimme und wollte mich nicht einschüchtern lassen.

      „Das werden wir später in Ruhe bereden, wenn du bei deiner Mutter warst. Die Ärzte haben in ihrer Jackentasche einen Brief gefunden. Darauf steht dein Name.“

      Was stand auf dem Brief drauf? Da musste doch irgendwas dran sein! Es konnte doch kein Zufall sein, dass meine Mutter einen Autounfall hatte und ganz zufällig ein Brief für mich in ihrer Jackentasche steckte.

      Irgendetwas wurde vor mir verheimlicht. Ich musste es herausfinden!

      „Müssen wir jetzt unbedingt zu dir nach Hause? Kann ich nicht sofort zu meiner Mutter?“, fragte ich, da ich wenig Interesse hatte, mit zu meiner Großmutter zu gehen. Vielleicht war meine Mutter wieder wach? Das bezweifelte ich zwar sehr, es war aber besser als der Gedanke, dass ich die nächsten Monate bei meiner Großmutter verbringen sollte, noch dazu in ihrer Wohnung!

      Sie hatte sich so lange nicht blicken lassen! Ich wusste bis vor Kurzem nicht einmal, dass es sie gab. Diese Frau sollte sich gefälligst von mir fernhalten!

      „Nein, du kommst erst mit zu mir nach Hause. Dort essen wir erst noch eine Kleinigkeit und trinken einen Tee. Wir dürfen jetzt noch nicht zu deiner Mutter. Es gibt nämlich bestimmte Besuchszeiten. Komm, wir gehen“, sagte sie.

      Doch in diesem Moment bekam sie plötzlich einen Anruf auf ihr Handy. Sie starrte den Bildschirm wie paralysiert an, bevor sie abhob. Als meine Großmutter das Telefon endlich ans Ohr hielt, wurde sie ganz blass im Gesicht.

      „Hallo, ... ist irgendetwas passiert ... ist sie ... ist sie aufgewacht?“ Ihre Stimme zitterte. Das musste das Krankenhaus sein. Um was sollte es denn sonst gehen! Plötzlich war ich ganz hibbelig. Was wäre, wenn meine Mutter aufgewacht war. Alles würde gut werden, aber wenn...

      „Nein …“, rief meine Großmutter und sank auf die Knie.

      „Nein, das darf nicht wahr sein!“ Sie legte auf und schluchzte.

      „Was, ... was ist passiert?“, fragte ich mit bebender Stimme. Eins war mir klar, es war nichts Gutes.

      „Die Ärzte haben festgestellt, dass sie in keinem normalen Koma liegt. Sie sollte eigentlich nach ein paar Tagen oder Wochen aufwachen, aber ihre Schädeldecke wurde bei dem Unfall so schlimm zertrümmert, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemals wieder aufwachen wird, sehr gering ist. Wir …“ Sie brach mitten im Satz ab.

      „Die Ärzte müssen sie noch gründlich auf andere Verletzungen untersuchen und wir können sie erst in zwei Stunden besuchen.“

      Das konnte nicht wahr sein! Erst in zwei Stunden? Nein, bitte nicht! Ich musste sie sehen, wollte ihr sagen dass ich sie liebte und dass sie nicht gehen durfte, mich nicht alleine lassen durfte! Sie und ich waren ein Herz und eine Seele. Was sollte ich nur ohne sie machen?

      „Komm, setz dich ins Auto. Wir fahren zu mir nach Hause, trinken und essen etwas und dann geht es dir eventuell ein bisschen besser“, versuchte es meine Großmutter bei mir. Als sie dies sagte, klang sie ein bisschen nervös. Warum denn das jetzt? Aus ihr würde und wollte ich nicht schlau werden.

      „Das kann nicht dein Ernst sein! Du denkst, dass es mir nach ein paar Keksen und einer Tasse Tee besser gehen wird? Meine Mutter liegt im Koma! Ich werde mich ganz sicher